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Parlament

Abgeordnete erkunden die französischen Eigenheiten

Gruppenbild mit Parlamentspräsident: Claude Bartolone (vorne in der Mitte) mit deutschen und französischen Abgeordneten in Paris.

Gruppenbild mit Parlamentspräsident: Claude Bartolone (vorne in der Mitte) mit deutschen und französischen Abgeordneten in Paris. (Assemblée nationale)

Die Schüler des Lycée Jeanne d'Arc staunen nicht schlecht.  „Ich habe nicht studiert, sondern nach dem Abitur eine Banklehre gemacht“, erzählt die CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich der Abschlussklasse des Gymnasiums im bretonischen Vitré. Und dennoch ist sie Politikerin geworden? Das wäre in Frankreich unmöglich, wundern sich die jungen Franzosen. Eine Lehre machen in Frankreich meist nur Schüler, die als ungeeignet für ein Hochschulstudium eingestuft werden. Und eine Karriere als Anlageberaterin, wie sie Groden-Kranich vor ihrem Einzug in den Bundestag machte, steht dann bestimmt auch nicht im Lebenslauf. Um solche kulturellen Unterschiede kennenzulernen und französische Eigenheiten besser zu verstehen, haben die Mainzer Abgeordnete und sieben weitere Kollegen von CDU/CSU, SPD und der Linken vom 16. bis 20. November 2014 im Nachbarland hospitiert. Sie waren in den Wahlkreisen ihrer Politiker-Gastgeber, in der Bretagne oder an der Loire, in den Savoyen, am Fuß der Pyrenäen oder in der Auvergne am Puy-de-Dôme, einer der klassischen Bergetappen der Tour de France

„Da ging es ganz schön zur Sache“

Das Hospitantenprogramm bietet seit 1998 in regelmäßigen Abständen den Parlamentariern die Möglichkeit, ihre Kollegen im Partnerland zunächst bei Wahlkreisterminen sowie anschließend in der Pariser Nationalversammlung bei Sitzungen der Fraktionen, der Ausschüsse sowie im Plenum zu begleiten. „Da ging es ganz schön zur Sache“, kommentiert Groden-Kranich die zum Teil gar unfeinen Auseinandersetzungen im feinen Palais Bourbon der Assemblée nationale. Zuletzt waren im April 2011 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung in Deutschland zu Gast.

Manche fuhren dieses Mal ein wenig aufgeregt von zu Hause los wie die SPD-Abgeordnete Bettina Müller. Um die deutsch-französische Freundschaft stand es schon einmal besser. Würden ihr Kritik und Misstrauen entgegenschlagen? Schließlich kontert die Bundesregierung Frankreichs Appelle für Wachstumsprogramme und eine weitere Fristverlängerung zur Senkung des Haushaltsdefizits mit Forderungen nach Sparsamkeit und Strukturreformen.

„Auch in Frankreich wird viel gearbeitet“

„Ich habe mich fast gewundert, dass alle so freundlich waren“, sagt Müller über ihre Gespräche in Westfrankreich mit Lokalpolitikern, Unternehmern und selbst den Menschen in Saint-Laurent-de-la-Plaine, wo sie im Heimatmuseum eine Ausstellung über den Ersten Weltkrieg besuchte. „Man hat sich bemüht, uns zu zeigen, dass man auch in Frankreich engagiert ist und viel arbeitet. Es ist wichtig, vor Ort zu sehen, wie die Menschen leben. Über die Medien bekommt man ja doch häufig nur ein einseitiges Bild.“

Bei ihren Gastgebern konnten die Hospitanten jedenfalls mit Verständnis für die eigenen politischen Überzeugungen rechnen. Die Organisatoren auf beiden Seiten des Rheins hatten nämlich darauf geachtet, die Besucher aus Deutschland mit Austauschpartnern aus der gleichen Politikfamilie zu matchen. „Ich verstehe ihre Kritik“, sagt Isabelle le Callennec. Die konservative Abgeordnete von der Partei UMP des ehemaligen Staatschefs Nicolas Sarkozy hatte in den vergangenen Tagen die CDU-Politikerin Groden-Kranich zu Gast.

Staunende Reaktionen französischer Frauen

„Dass man in Grundsatzpositionen übereinstimmt, heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem diskutiert“, betont die SPD-Abgeordnete Elke Ferner aus Saarbrücken. Sie erhielt staunende Reaktionen, als sie französischen Frauen von dem neuerdings in Deutschland geltenden Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab einem Alter von zwölf Monaten berichtete. „Ob die deutschen Frauen da nicht revoltierten, wurde ich gefragt.“ Gerade Französinnen mit einer guten Berufsausbildung kehren oft schon wenige Monate nach der Geburt eines Kindes wieder an ihren Arbeitsplatz zurück.

Es gibt zwar inzwischen in Frankreich auch eine Bewegung, die sich gegen den gesellschaftlichen Druck stemmt, Beruf und Kinder unter einen Hut zu kriegen. Aber diese Frauen sind ganz klar in der Minderheit.

„Mit offenem Visier in die Katastrophe“

Thomas Nord von der Linken reist sehr nachdenklich zurück nach Brandenburg. Er habe in der Auvergne mitbekommen, wie Schulen aus Kostengründen geschlossen, die Zuschüsse für Universitäten gekürzt und Infrastrukturmaßnahmen zusammengestrichen würden, erzählt er. Wie die Politiker der französischen Linksfront und die so genannten Meuterer aus den Reihen der regierenden Sozialisten ist auch Nord der Meinung, dass ein Sparkurs der falsche Weg ist, Frankreich  und Europa insgesamt aus der Krise zu führen.

„Die französischen Sozialisten wird das töten“, warnt er. Da die konservative Opposition der UMP sich gerade im Machtkampf um den Parteivorsitz selbst zerlege, sei die rechtsnationale und EU-feindliche Front National die lachende Dritte. „Allen ist das bewusst“, sagt Nord. „Aber man rennt mit offenem Visier in die Katastrophe.“

Am Hospitantenprogramm haben die Abgeordneten Sybille Benning (CDU/CSU), Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU), Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU), Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU), Elke Ferner (SPD), Bettina Müller (SPD), Svenja Stadler (SPD) und Thomas Nord (Die Linke) teilgenommen. Der Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe, Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU), nahm am 18. und 19. November an den Gesprächen teil. (kafi/20.11.2014)

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