Behindertenbeauftragte sieht Handlungsbedarf
Anlässlich des „Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung“ hat sich der Bundestag am Mittwoch, 3. Dezember 2014, mit deren Situation beschäftigt. Konkret diskutierten die Abgeordneten zum Beispiel das geplante Bundesteilhabegesetz und die Regelung für die Vermögensanrechnung für Menschen mit Assistenzbedarf.
Behindertenbeauftragte sieht noch Handlungsbedarf
Verena Bentele, Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, unterstrich die Bedeutung des Anlasses. „Dieser Tag gibt uns die Gelegenheit zu gucken, welchen Weg wir noch vor uns und was wir noch zu tun haben“, sagte Bentele. So bestünde im Bereich der Eingliederungshilfe noch Handlungsbedarf: „Für Menschen mit Behinderung muss es selbstverständlich sein, dass sie Hilfe aus einer Hand bekommen“, so die Beauftragte.
Zudem forderte die ehemalige Biathletin und Skiläuferin, die Einkommens- und Vermögensanrechnung für Menschen, die eine Assistenz benötigen, zu überarbeiten. Es sei zum Beispiel nicht möglich, für die Ausbildung von Kindern Geld zurückzulegen, da Vermögensbildung nicht zulässig ist. „Wir können nicht unsere Wünsche und Träume erfüllen“, so Bentele. Abgeordnete aller Fraktionen unterstützten diese Forderung im Grundsatz.
Linke: Meilenweit von einer inklusiven Gesellschaft entfernt
Katrin Werner von der Fraktion Die Linke stellte fest, dass auf dem Papier zwar schon viel passiert sei, es aber an der Umsetzung hapere. „Wir sind noch meilenweit von einer inklusiven Gesellschaft, an der jeder Mensch selbstbestimmt und gleichberechtigt teilhaben kann, entfernt“, sagte Werner. Sie forderte vor allem einen Blick auf die Kommunen, da es dort an konkreten Maßnahmen zur Barrierefreiheit fehle.
Zudem beanstandete Werner, dass Behindertenpolitik zu wenig aus der Menschenrechtsperspektive betrachtet werde. So gebe es zum Beispiel zu wenige behindertengerechte Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete. Sie mahnte auch an, Kostenargumente, gerade in Hinblick auf die „schwarze Null“, nicht gegen Behindertenpolitik ins Feld zu führen.
CDU/CSU: Aufklärung bei Unternehmen vonnöten
Uwe Schummer (CDU/CSU) fokussierte vor allem auf die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. Hier sei zwar schon einiges passiert, es bedürfe aber noch der Aufklärungsarbeit, um Unternehmen zu zeigen, welche Mittel sie abrufen können, um Menschen mit Behinderungen die Arbeit in ihren Betrieben zu ermöglichen.
Schummer lobte in diesem Kontext die betrieblichen Schwerbehindertenvertretungen als eine wichtige Struktur. „Sie leisten eine starke, eine wichtige Aufgabe“, sagte der Christdemokrat.
Grüne kritisieren Informationspolitik
Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Informationspolitik der Bundesregierung in Hinblick auf das geplante Bundesteilhabegesetz. So würden Fragen ihrer Fraktion im Rahmen von Kleinen Anfragen mit Verweis auf den noch nicht abgeschlossenen Beteiligungsprozess inhaltlich nicht beantwortet, so Rüffer.
Zwar sei es gut und vor allem völkerrechtlich geboten, wenn die Bundesregierung Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände beteilige. Es müsse aber auch im Bundestag mehr debattiert werden. „Man nennt das Demokratie“, sagte Rüffer.
SPD fordert bundeseinheitliche Standards
Kerstin Tack (SPD) hob die Bedeutung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen hervor, das die Bundesrepublik 2009 ratifiziert hatte. „Das war ein Meilenstein für behinderte Menschen und ihre Rechtsstellung in Deutschland“, so Tack. In der Folge habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden hin zu der Frage, wie sich die Systeme verändern müssen, um Inklusion zu ermöglichen. Dies werde auch der Maßstab sein, an dem sich das Bundesteilhabegesetz werde prüfen lassen müssen.
Unter anderem forderte Tack bundeseinheitliche Standards für die Bedarfsermittlung. Es bedürfe neben gesetzlicher Regelungen aber auch noch einer Bewusstseinsbildung in die Gesellschaft hinein. So hätten noch viele Menschen Berührungsängste gerade gegenüber Menschen mit geistiger Behinderung.
Bentele, Schummer und Tack forderten die Bundesländer zudem auf, eine Lösung im Hinblick auf einen Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer unter den Heimkindern in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie zu finden. (scr/03.12.2014)