Tabea Rößner fragt nach dem Fall Ahmed Mansour
Er wurde festgenommen, inhaftiert, kam erst nach einem Wochenende wieder auf freien Fuß: Nun beschäftigt der Fall des ägyptischen Fernsehjournalisten Ahmed Mansour, der aufgrund eines offenbar politisch motivierten Fahndungsersuchens der ägyptischen Justiz zeitweilig in Berlin inhaftiert war, auch den Bundestag. In der Fragestunde (18/5341) am Mittwoch, 1. Juli 2015, will Tabea Rößner, Sprecherin für Medienpolitik von Bündnis 90/Die Grünen, wissen, wie die Bundesregierung künftig sicherstellen will, dass Journalisten nicht mehr aus politischen Motiven festgenommen und ausgeliefert werden können. Dass der bekannte Al-Jazeera-Reporter überhaupt auf der deutschen Fahndungsliste stand, ist für Rößner eine „Schlamperei“. Im Interview fordert die Abgeordnete aus Mainz nicht nur eine Aufklärung der Umstände, die zur Festnahme des Journalisten geführt hatten. „Ich erwarte auch ein klares Bekenntnis von der Bundesregierung, dass sich so etwas in der Zukunft nicht wiederholt.“
Die Fragestunde wird am Mittwoch ab 13.35 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Rößner, Ahmed Mansour beschuldigt die Bundesregierung, sie habe sich von der ägyptischen Justiz instrumentalisieren lassen. Teilen Sie diesen Vorwurf?
Bislang gibt es keine Erkenntnisse, ob es tatsächlich eine politische Einflussnahme etwa von Seiten des ägyptischen Staatspräsidenten al-Sisi gegeben hat. Die Umstände der Festnahme Mansours bedürfen aber dringend einer Aufklärung. Die Äußerungen der Bundesregierung dazu sind keineswegs ausreichend.
Interpol soll die ägyptische Bitte um Rechtshilfe frühzeitig als politisch motiviert eingestuft haben. Wie konnte es passieren, dass der Journalist von deutschen Behörden festgenommen wurde?
Das ist genau zu klären. Die Bundesregierung begründet die Inhaftierung mit einer Mischung aus Unachtsamkeit und mangelnder Information. Aber vergegenwärtigen wir uns doch einmal die Abläufe: Anfang Oktober ging das ägyptische Fahndungsersuchen bei Interpol ein. Dort wurde es geprüft und ein Verstoß gegen Artikel 3 der Interpol-Statuten festgestellt. Ein solcher Verstoß liegt dann vor, wenn jemand aus politischen, religiösen oder ähnlichen Gründen verfolgt wird. Diese Bedenken hat Interpol an die deutschen Behörden weitergeleitet.
Wieso stand dann Mansours Name später auf der deutschen Fahndungsliste?
Das Bundeskriminalamt soll die zuständigen Stellen des Bundesamts für Justiz und des Auswärtigen Amtes um eine Einschätzung gebeten haben. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass nichts gegen eine nationale Ausschreibung zur Festnahme spricht. Da frage ich mich natürlich, wie es sein kann, dass ein so bekannter und politisch verfolgter Journalist wie Ahmed Mansour auf der Fahndungsliste steht. Seltsam mutet auch an, dass er nicht bereits bei seiner Zwischenlandung in München festgenommen wurde, sondern erst nach einem Live-Interview, in dem er Ägypten sehr stark kritisiert hat. Ich kann die Befürchtung, dass sich jemand eingemischt hat, sehr gut nachvollziehen. Umso wichtiger ist, dass jetzt Licht in die Sache gebracht wird.
Auf Antrag Ihrer Fraktion wird sich der Rechtsausschuss des Bundestages damit befassen…
Nicht nur der Rechtsausschuss. Soweit ich weiß, wird das Geschehen auch in anderen Ausschüssen Thema sein. Es waren verschiedene Ressorts beteiligt, deren Rolle untersucht werden muss. Wichtig ist aber auch die Frage, wie in Zukunft verhindert werden soll, dass nicht andere politisch verfolgte, aber vielleicht weniger bekannte ausländische Journalisten Opfer solcher Schlampereien werden.
Das ist eine Frage, die Sie der Bundesregierung stellen wollen. Was erwarten Sie von ihr?
Ich erwarte, dass sich die Bundesregierung dazu positioniert, ob sie in Zukunft solche Fahndungsersuchen eingehender prüfen wird. Es darf autoritären Regimen nicht gelingen, das Mittel des internationalen Haftbefehls zu missbrauchen, um politisch Verfolgte festzusetzen, ausgeliefert zu bekommen und mundtot zu machen. Ich erwarte auch ein klares Bekenntnis von der Bundesregierung, dass sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt.
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund den Besuch des ägyptischen Staatschefs Abdel Fattah al-Sisi Anfang Juni in Berlin, der von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert wurde?
Die Bundesregierung muss sich Vorwürfe gefallen lassen, wenn sie hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückbleibt. Für ein Treffen mit al-Sisi hatte sie ursprünglich freie Wahlen in Ägypten zur Bedingung gemacht – doch die haben bis heute nicht stattgefunden. Der Staatsbesuch schon. So etwas untergräbt die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung. Deutschland hat aber aus meiner Sicht die Aufgabe, die Einhaltung der Menschenrechte und der Pressefreiheit einzufordern. Das geht aber natürlich nur, wenn politisch Verfolgte hierzulande Asyl und Schutz genießen – und nicht etwa in Haft genommen und ausgeliefert werden. Das wäre ja sonst eine Bankrotterklärung der deutschen Menschenrechtspolitik.
(sas/30.06.2015)