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Recht

Keine Bundeskompetenz für Betreuungsgeldgesetz

Erster Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe

Der Erste Senat bei der Urteilsverkündung (dpa)

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für das Betreuungsgeld abgesprochen. In einem vom Ersten Senat am Dienstag, 21. Juli 2015, verkündeten Urteil heißt es, die Paragrafen 4a bis 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, die einen Anspruch auf Betreuungsgeld begründen, seien daher nichtig (Aktenzeichen: 1 BvF 2 / 13). Sie könnten zwar der öffentlichen Fürsorge nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 des Grundgesetzes zugeordnet werden, auf die sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt. Die Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 des Grundgesetzes für die Ausübung dieser Kompetenz durch den Bund liegen nach einstimmiger Auffassung des Gerichts jedoch nicht vor.

Bundestagsbeschluss von 2012

Der Bundestag hatte die Einführung eines Betreuungsgeldes am 9. November 2012 mit 310 Ja-Stimmen bei 282 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen. Dem Beschluss lagen ein Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP (17/9917) und die Beschlussempfehlung des Familienausschusses (17/11404) zugrunde. Dem Gesetz zufolge erhalten Eltern seit dem 1. August 2013 auf Antrag 100 Euro und seit dem 1. August 2014 150 Euro monatlich, wenn deren Kinder zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat weder eine öffentlich geförderte Tageseinrichtung noch Kindertagespflege in Anspruch nehmen.

Die damaligen Koalitionsfraktionen hatten die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 76 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) abgeleitet. „Die Einführung des Betreuungsgeldes steht in Einklang mit Artikel 72 Absatz 2 GG, wonach der Bund das Gesetzgebungsrecht hat, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht“, hieß es zur Begründung.

„Voraussetzungen nicht erfüllt“

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hatte sich im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die mit dem Betreuungsgeldgesetz in das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz aufgenommenen Paragrafen 4a bis 4d gewandt. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts räumt in seinem Urteil ein, dass die Regelungen dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge im Sinne des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 7 zuzuordnen sind. Nicht erfüllt seien jedoch die Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2. Nach dieser Vorschrift hat der Bund das Gesetzgebungsrecht nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich machen.

Nach Auffassung des Gerichts sind die Regelungen weder zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet noch zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich. Auch die Überlegung, das Betreuungsgeld sei im Verbund mit dem Kinderförderungsgesetz kompetenzrechtlich als Ausdruck eines Gesamtkonzepts zu betrachten, „vermag die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelungen nach Art. 72 Abs. 2 GG nicht zu begründen“, heißt es weiter.

„In der Koalition nach Lösungen suchen“

„Das Bundesverfassungsgericht hat nur über die Zuständigkeit entschieden, nicht über das Betreuungsgeld an sich“, kommentiert CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt das Urteil. „Um Eltern Wahlfreiheit zu ermöglichen, sollten wir gemeinsam in der Koalition nach Lösungen suchen, wie das Betreuungsgeld weiterhin gezahlt werden kann. Ich bin dafür, dass der Bund den Ländern dafür das Geld zur Verfügung stellt. Schließlich hat der Bund auch den Bau und den Betrieb von Kindertagesstätten mit bisher mehr als sechs Milliarden Euro gefördert, obwohl er originär auch dafür nicht zuständig ist“, heißt es in ihrer Pressemitteilung.

Für die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Carola Reimann ist das Betreuungsgeld hingegen Vergangenheit. Nun müsse in die Zukunft investiert werden. „Wir wollen jetzt den Kita-Ausbau weiter vorantreiben. Wir wollen eine noch bessere Betreuung und frühe Förderung für unsere Kinder durch kleinere Gruppengrößen, gute Ernährung und viel Bewegung. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexible Öffnungszeiten der Kitas“, so Reimann in einer Presseerklärung.

„Betreuungsgeld vom Tisch“

Cornelia Möhring (Die Linke), stellvertretende Vorsitzende des Familienausschusses des Bundestages, freut sich, „dass das Thema Betreuungsgeld nun endlich vom Tisch ist“. Zwar argumentierten die Richter „leider“ nicht mit Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit, auf die sich der Zuschuss nachweislich negativ ausgewirkt habe. Dennoch stellten sie fest, dass das Betreuungsgeld nicht der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt, die im Rahmen der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse das Eingreifen des Bundes gerechtfertigt hätte. „Der Ausbau von Kitaplätzen tut dies jedoch. Es ist daher zu hoffen, dass die Bundesregierung die frei gewordenen Millionen nun endlich sinnvoll in Betreuungsinfrastruktur umwidmet“, so Möhring.

Auch Katja Dörner, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Dr. Franziska Brantner, Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik von Bündnis 90/Die Grünen, begrüßen das Urteil ausdrücklich. Das Nein aus Karlsruhe bedeute das Aus für eine „unsinnige und teure familienpolitische Maßnahme“. Die Bundesregierung müsse jetzt unverzüglich das Urteil umsetzen und die frei werdenden Mittel in Höhe von rund einer Milliarde Euro in die Kita-Qualität investieren. Dort werde das Geld dringend gebraucht. (vom/21.07.2015)

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