Noora aus Oman erlebt das Parlament hautnah
Es ist eine absolute Premiere. Mit Noora Al Balushi nimmt erstmals eine Stipendiatin aus dem Sultanat Oman am Sonderprogramm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) für arabische Staaten teil. Für die 26-Jährige ist es die erste Berührung mit dem Parlamentarismus. „Der Oman ist eine absolute Monarchie“, sagt sie. Ein Parlament gibt es nicht. Sultan Qabus ibn Said Al Said entscheidet, was im Land passiert. Und das seit 45 Jahren. Unter den Herrschern in den Golfstaaten gilt er dennoch als einer der modernsten. Als einer, der tatsächlich das Wohl seiner Untertanen im Auge hat. Schließlich ist es ihm gelungen, aus einem ewig im Bürgerkrieg stehenden Land eine moderne Industriegesellschaft zu entwickeln. Auch Noora Al Balushi stellt ihm ein positives Zeugnis aus. „Der Sultan ist sehr anerkannt in der Bevölkerung. Der Oman ist dank ihm sehr liberal im Vergleich zu vielen Ländern der Region“, sagt sie.
„Als Frau im Oman fühle ich mich sehr wohl“
Als Beispiel verweist sie auf die Rechte der Frauen. „Für mich ist es überhaupt kein Problem, in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch unterwegs zu sein“, betont die 26-Jährige. Werde sie deshalb angegriffen, könne sie gar auf die Unterstützung der Polizei zählen. „Der Sultan hat in Großbritannien studiert und gelebt und wollte den Oman modernisieren, als er an die Macht kam“, sagt sie zur Erklärung.
Sein Vorhaben habe sich jedoch als äußerst schwierig gestaltet, „weil in der Gesellschaft – vor allem bei den Männern – noch das alte Rollendenken sehr stark verwurzelt ist“. Also habe er per Gesetz verfügt, dass Frauen ohne Kopftuch in die Öffentlichkeit dürfen. Frauen, so sagt sie weiter, würden aber auch in der beruflichen Entwicklung gefördert. „Der Sultan vergibt viele Stipendien explizit für Frauen“, sagt Noora Al Balushi und stellt fest: „Als Frau im Oman fühle ich mich sehr wohl.“
„Sicherheit und Stabilität das Wichtigste“
Trotz der positiven Sicht auf Sultan Qabus ibn Said – der arabische Frühling im Jahr 2011 erreichte auch den Oman. „Ja, es gab Proteste, die sich aber nicht gegen den Sultan richteten, sondern gegen die Korruption im Lande“, so die Einschätzung der Omanerin. Für ihre Landleute sei Sicherheit und Stabilität das Wichtigste, sagt sie. Dafür sorge der Sultan, der allerdings inzwischen 74 Jahre alt und nicht mehr der Gesündeste ist.
Nachrichten wie im vergangenen Jahr, in dem von einer Krebserkrankung des Herrschers die Rede war, bewegten daher die Menschen im Land. „Viele fragen sich: Was passiert, wenn der Sultan nicht mehr ist?“ Fürs Erste scheint in dieser Frage Entwarnung angesagt zu sein. Nach mehrmonatiger Behandlung in Deutschland kehrte der Sultan Anfang 2015 zurück in seine Heimat. Vollständig gesundet, wie es offiziell heißt.
Deutschland und Oman – das ist eine sich neu entwickelnde Beziehung, die nicht nur durch die Tatsache begründet ist, dass der Sultan eine Sommerresidenz in Bayern besitzt. „Traditionell ist der Oman sehr stark mit den USA und Großbritannien verbunden“, erzählt Noora Al Balushi. Es gebe viele Stipendien für die dortigen Universitäten durch den omanischen Staat. „Jetzt will man aber in eine andere Richtung gehen. Sich nicht nur mit den Angelsachsen verbinden, sondern auch von anderen Erfahrungen lernen – etwa von Deutschland“, fügt sie hinzu. Deshalb werde auch in den Schulen verstärkt Deutschunterricht angeboten, nachdem es bislang nur Arabisch und Englisch als Sprachfächer gegeben habe.
An deutscher Universität im Oman studiert
Nora Al Balushi hat die deutsche Sprache gelernt, weil sie an der German University of Technology (GUTech), der deutschen Universität im Oman, studiert hat. „Ich habe Geowissenschaften studiert“, sagt sie. Weil es aber in der gerade neu gegründeten GUTech noch keine ausreichende Zahl an Laboren gab, „mussten wir immer nach Deutschland an unsere Partner-Uni, die RWTH Aachen fliegen, um dort das Labor zu nutzen“. In Aachen hat sie schließlich auch einen erweiterten Sprachkurs gemacht, da die 26-Jährige einen Master-Studiengang in Deutschland absolvieren möchte.
Doch zurück zur GUTech – für Noora Al Balushi ein ganz wichtiger Bestandteil, um die deutsche Kultur und die Kultur des Omans zusammenzubringen. „Wir hatten zum Beispiel an der Uni eine Ausstellung zum Thema Mauerfall vor 25 Jahren“, sagt sie. Mit dem Studium der Geowissenschaften habe das zwar nichts zu tun, aber: „GUTech ist wie eine Brücke zwischen den beiden Kulturen.“ Und auch irgendwie eine Insel im Oman. „An der Uni war einiges möglich, was eigentlich im Land eher schwierig ist. Wir wurden von den deutschen Lehrkräften aufgefordert nachzufragen, kritisch zu denken“, lobt sie.
„Ich möchte wissen, was ein Parlament macht“
Nun ist sie in der deutschen Hauptstadt und erlebt den Parlamentarismus hautnah mit – ihr Paten-Abgeordneter ist gar Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert. Was aber soll ihr das IPS bringen – in einem Land, in dem es gar kein Parlament gibt? „Ich möchte wissen, was ein Parlament macht und erfahren, wie in der parlamentarischen Demokratie der Gesetzgebungsprozess abläuft“, sagt Noora Al Balushi.
Darüber wird sie in den vier IPS-Wochen sicherlich viel lernen. Und möglicherweise auch erkennen, dass eines der Probleme der absolutistischen Gesetzgebung durch den Sultan auch in der parlamentarischen Demokratie nicht unbekannt ist. „Die Gesetze, die der Sultan macht, sind teilweise für die Bürger unverständlich“, klagt sie. Diese Klage ist allerdings auch mit Blick auf Regelungen, die der Bundestag erlässt, nicht unbekannt… (hau/14.09.2015)