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Parlament

Ministerschüler mit Scharnierfunktion

Sie sollen den Bundesministern Arbeit abnehmen und schon mal das Ministersein üben. Vorgeworfen wird ihnen aber, dass es zu viele von ihnen gibt, sie gar überflüssig seien. Was ist dran am Job des Parlamentarischen Staatssekretärs? Es dürfte kaum ein Amt in Deutschland geben, dessen Existenz stärker diskutiert wird: Schon 1951, also 16 Jahre bevor die gesetzlichen Voraussetzungen für den Posten des Parlamentarischen Staatssekretärs geschaffen wurden, stritt man in Bonn, dem damaligen Sitz des Bundestages, lebhaft darüber, ob das denn sein müsse.

Die Minister entlasten

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb im Sommer 1951, die Ernennung Parlamentarischer Staatssekretäre sei schon lange ein viel diskutiertes Thema. Die Befürworter des Postens argumentierten, die Parlamentarischen Staatssekretäre könnten den Ministern einen großen Teil ihrer Amtsgeschäfte abnehmen, „vor allem im Parlament“. Denn die Zeit der Ressortchefs werde von den Plenar-, Fraktions- und Ausschusssitzungen weggefressen.

Und: Der Parlamentarische Staatssekretär könnte „in ständigem Kontakt mit der Regierungsmehrheit die Pläne der Regierung und die der sie tragenden Mehrheit rechtzeitig aufeinander abstimmen, sodass vielleicht manche Ad-hoc-Entscheidung vermieden und manche Maßnahme sorgfältiger als bisher geplant und vorbereitet würde“. Man hätte dann „endlich“ auch eine breitere, regierungserfahrene Führungsschicht zur Verfügung, „sodass es nicht eines Tages wieder dahin kommen kann, dass zu vieles von zu wenigen abhängt“. Heute geht es in der Diskussion um die Parlamentarischen Staatssekretäre häufig um den Vorwurf, es seien zu viele. Doch was machen die insgesamt 33 Parlamentarischen Staatssekretäre der schwarz-roten Koalition eigentlich?

Sonderregelung für das Kanzleramt

Faktisch gehören sie der Regierung an, verfassungsrechtlich aber nicht. Ihr Amt wird durch ein eigenes Gesetz geregelt. Das besagt, dass die parlamentarischen Staatssekretäre immer Mitglieder des Bundestages sein müssen. Von dieser Regel gibt es nur eine Ausnahme: für Parlamentarische Staatssekretäre bei der Bundeskanzlerin. Diese brauchen ausnahmsweise kein Mandat, ihre Amtskollegen schon. Diese Sonderregel gibt es seit 1998, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Verleger Michael Naumann zu seinem Kulturstaatsminister und damit zum Parlamentarischen Staatssekretär machen wollte. Weil Naumann kein gewählter Abgeordneter war, wurde das Gesetz über die Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre so geändert, dass diese Ausnahme möglich wurde.

Die Aufgabe der Staatssekretäre ist es, „ihre“ Minister zu entlasten und bei ihren Regierungsaufgaben zu unterstützen. Wie stark sie dabei zum Zuge kommen, hängt allerdings von den Ministern ab, die darüber entscheiden, welche Aufgaben ihre Staatssekretäre wahrnehmen. Denn für ihre Vertretung bei der Leitung des Ministeriums haben sie beamtete Staatssekretäre. Der Schwerpunkt der Parlamentarischen Staatssekretäre liegt deshalb in der Regel auch im parlamentarischen Bereich: Sie vertreten die Minister in den Fragestunden des Bundestages, in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen der Fraktionen.

Selbst Minister werden

Als das Amt geschaffen wurde, verband man damit eine weitere Hoffnung: Es sollte eine Art „Ministerschule“ sein und die Parlamentarischen Staatssekretäre darauf vorbereiten, vielleicht selbst einmal Minister zu sein. Zu Anfang hat das auch noch funktioniert: Zwischen 1972 und 1980 waren 13 von 20 Bundesministern frühere Parlamentarische Staatssekretäre, später sank dieser Anteil deutlich.

Und weil die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre parallel zu dieser Entwicklung im Lauf der Zeit immer weiter anstieg und es heute schon lange nicht mehr nur einen Parlamentarischen Staatssekretär pro Bundesminister, sondern deutlich mehr gibt, wird immer wieder ein Vorwurf laut: Das Amt werde als Versorgungsposten für Abgeordnete benutzt, die bei der Vergabe der Ministerposten leer ausgegangen sind.

Kritik: Es gibt zu viele

Der Bund der Steuerzahler jedenfalls kritisiert immer wieder, es gebe insgesamt deutlich zu viele Sekretäre, zudem sei ihre Ausstattung viel zu teuer. Denn die Parlamentarischen Staatssekretäre bekommen neben ihrer gekürzten Diät ein Amtsgehalt, steuerfreie Pauschalen, ein Büro mit Personal und einen Dienstwagen mit Fahrer. Das summiere sich auf Kosten von jährlich rund 300.000 Euro, so der Verein.

Und immer wieder gibt es auch Kritik, der Mittlerjob zwischen Bundestag und Regierung sei eigentlich überflüssig. Schon Anfang der neunziger Jahre forderte Dr. Hildegard Hamm-Brücher, damals Bundespräsidentenkandidatin der FDP und früher selbst parlamentarische Staatssekretärin, man solle die Posten ganz abschaffen. Sie selbst habe gespürt, „dass diese Zwitterposition zwischen Parlament und Regierung es gar nicht möglich macht, die Pflichten als Abgeordnete zu erfüllen“.

Auch Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU), heute Bundestagspräsident und Anfang der neunziger Jahre selbst Parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium, sagte damals in einem Interview, man könne darüber reden, „ob die Posten in einzelnen Ministerien – meiner eingeschlossen – wirklich nötig sind“. Daraus aber zu folgern, die ganze Institution sei überflüssig, finde er falsch.

„Staatssekretäre sind nicht verzichtbar“

Heute wissen wir: Trotz häufiger Kritik gibt es die Parlamentarischen Staatssekretäre nach wie vor. Dr. Steffi Menzenbach, Juristin im Sekretariat des Rechtsausschusses des Bundestages, die sich mit diesem Amt gerade erst ausführlich in einer Dissertation befasst hat, kommt zu dem Schluss, dass sie, ganz wie gewollt, eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Parlament und Regierung einnehmen würden – verzichtbar seien sie ganz und gar nicht. 

Ähnliche Posten, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Bezeichnungen, gibt es in fast allen europäischen Staaten. Den schönsten Titel hat man wohl im Vatikan gefunden: Am heiligen Stuhl gibt es einen „Staatssekretär Seiner Heiligkeit des Papstes“. (suk/22.10.2015)

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