Erwartungen an deutschen Vorsitz in der OSZE
Der deutsche Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im kommenden Jahr steht im Mittelpunkt einer einstündigen Debatte am Donnerstag, 12. November 2015, voraussichtlich ab 11.50 Uhr. Die Linksfraktion (18/5108, 18/6377) und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6199, 18/6375) setzen sich in ihren Anträgen (18/5108, 18/6199) für eine Stärkung der OSZE ein - etwa in der Frage der Abrüstung und der Rüstungskontrolle, der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung wie auch in der besseren Ausstattung von Beobachtermissionen wie im Falle der Ukraine.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
„Deutschen Vorsitz für neue Impulse nutzen“
Auch die Koalitionsfraktionen haben einen Antrag vorgelegt: 40 Jahre nach Helsinki, 25 Jahre nach Paris soll die Bundesregierung den deutschen Vorsitz „für neue Impulse hin zu einer auf Dialog, Vertrauen und Sicherheit ruhenden Friedensordnung in Europa nutzen“ (18/6641).
Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, den OSZE-Rahmen für Friedens- und Abrüstungsinitiativen zu nutzen. „40 Jahre nach der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki und 25 Jahre nach der Verabschiedung der 'Charta von Paris für ein neues Europa' im Jahr 1990 hat sich in der Praxis eine weitgehende Abkehr von den Zielen der gemeinsamen Sicherheit, der solidarischen gesamteuropäischen Zusammenarbeit und der Gewährleistung der Menschenrechte zugunsten des Vorrangs des Militärischen und der Machtpolitik in den zwischenstaatlichen Beziehungen vollzogen“, schreiben die Abgeordneten.
Linke beklagt fehlenden politischen Willen
Eine neue Friedens- und Sicherheitsarchitektur für Europa, die auf der OSZE aufbauen könnte, sei in weite Ferne gerückt. „Das Haupthindernis für eine zentrale Friedensfunktion der OSZE ist der fehlende politische Wille, vor allem der USA und der Nato-Staaten, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen und die OSZE politisch, institutionell und materiell zu stärken“, heißt es im Antrag weiter. Ihre Beschlüsse seien zwar politisch bedeutsam, besäßen aber keine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Bei aktuellen Konflikten wie in der Ukraine falle dieses wichtige Instrument aus.
Die Abgeordneten treten unter anderem für die Umwidmung von Mitteln der Nato-Finanzierung im Bundeshaushalt für zivile Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung im OSZE-Rahmen ein. Weiterhin soll die Bundesregierung im Rahmen der Organisation auf neue Initiativen zu Abrüstung und Rüstungsbegrenzung dringen und dafür eintreten, die OSZE-Friedensmissionen in der Ukraine und in der Republik Moldau besser auszustatten.
Grüne: OSZE-Prinzipien neue Geltung verschaffen
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht sich für eine stärkere Rolle der OSZE aus – setzt aber andere Akzente: Russland habe mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und dem militärischen Vorgehen in der Ostukraine zentrale Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur infrage gestellt, wie sie vor vierzig Jahren in der Schlussakte von Helsinki vereinbart und vor 25 Jahren mit der Unterzeichnung der Charta von Paris bekräftigt wurden, schreiben die Abgeordneten.
Es müsse jetzt darum gehen, zum Wesen der OSZE-Grundlagendokumente zurückzukehren und ihren Prinzipien neue Geltung zu verschaffen. „Die Unverletzlichkeit der Grenzen, die politische Souveränität aller Staaten und die Verwirklichung von Demokratie und Menschenrechten, wie sie in diesen Dokumenten vereinbart sind, bleiben unerlässliche Prinzipien für die Herstellung von dauerhafter Stabilität und Sicherheit in Europa und als Forderung aktuell“, heißt es im Grünen-Antrag weiter.
„Für langfristiges und funktionsfähiges Ukraine-Mandat“
Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, den deutschen OSZE-Vorsitz sowie die Beteiligung im Rahmen der OSZE-Vorsitz-Troika zu nutzen, „um die existierenden und bewährten Instrumente der drei Dimensionen (politisch-militärische, wirtschaftlich-ökologische und menschliche Dimension) zu festigen und weiterzuentwickeln“.
Zudem soll sie „öffentlich und mit Nachdruck für ein langfristiges und funktionsfähiges Mandat der OSZE-Missionen SMM und OM in der Ukraine“ eintreten und sich insbesondere dafür einsetzen, „dass die OSZE SMM uneingeschränkte und sicheren Zugang in das gesamte Konfliktgebiet in der Ostukraine erhält“. Weitere Forderungen zielen auf die Stärkung der menschlichen Dimension sowie auf einen „umfassenden Ansatz zur Abrüstung und Rüstungskontrolle im OSZE-Raum“. (ahe/10.11.2015)