Gemischtes Echo auf das Kommissionsprogramm
Das von der EU-Kommission im Dezember beschlossene Arbeitsprogramm für 2016 mit dem Titel „Keine Zeit für Business as usual“ hat am Donnerstag, 28. Januar 2016, gemischte Reaktionen im Bundestag hervorgerufen. Zwar lobten Redner der Koalitionsfraktionen in der rund einstündigen Vereinbarten Debatte, dass sich das Programm auf das Wesentliche konzentriere und wichtige Impulse setze, doch gab es im Detail durchaus Kritik, zum Beispiel an der geplanten europäischen Einlagensicherung. Anderen Rednern fehlten Vorschläge für eine effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Einig waren sich alle Fraktionen, dass die Migrationspolitik in diesem Jahr ganz oben auf der europäischen Agenda steht.
23 Schlüsselinitiativen in 2016
Das Arbeitsprogramm, in dem die Europäische Kommission alljährliche konkrete Maßnahmen für die kommenden zwölf Monate vorstellt, listet für 2016 insgesamt 23 Schlüsselinitiativen auf.
Darunter sind Maßnahmen zur besseren Steuerung der Migration und zum Schutz der europäischen Außengrenzen, ein Paket zur Kreislaufwirtschaft für eine effizientere Nutzung von Ressourcen und eine Initiative zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Außerdem will die Kommission unter Jean-Claude Juncker ein europäisches Einlagensicherungssystem durchsetzen und den digitalen Binnenmarkt sowie die Energieunion voranbringen.
„Zeichen der Zeit erkannt“
Nach Ansicht des Staatsministers für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), hat die Juncker-Kommission die „Zeichen der Zeit“ erkannt und „eine Reihe von vernünftigen und zukunftsweisenden Vorschlägen“ vorgelegt, gerade auch im Bereich Wachstum und Beschäftigung sowie in der Flüchtlingsfrage.
„Diese strategische Agenda liegt genau auf der Linie der Koalitionsfraktionen“, sagte der Staatsminister. Allerdings brauche es hierfür auch eine Mehrheit in den Mitgliedstaaten, betonte Roth, der zugleich das „Übermaß an nationalen Egoismen“ in Europa kritisierte.
Union gegen EU-Einlagensicherung
Thomas Dörflinger (CDU/CSU) sagte, das Programm widme sich den Themen, die in den nächsten zwölf Monaten oberste Priorität hätten. So stehe die Migrationspolitik wie eine „imaginäre, unsichtbare Überschrift“ über dem Programm. Entschieden wandte sich Dörflinger jedoch gegen die Pläne der Kommission, ein europäisches Einlagensicherung zu etablieren, um die Bankenunion zu vollenden. „Wir wollen keine europäische Regelung“, stellte er im Namen der Union klar. Stattdessen sollten die Mitgliedstaaten nationale Einlagensicherungssysteme installieren, so wie es eine EU-Richtlinie bereits vorschreibe.
Dörflinger warnte zudem davor, darauf zu vertrauen, dass die EU-Kommission die Probleme mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit lösen könne. Auch hier müssten die Ansätze zur Lösung aus den Nationalstaaten kommen.
CDU: Mehr tun für Terrorismusbekämpfung
Dörflingers Fraktionskollege Detlef Seif (CDU/CSU) vermisste im Programm eine Initiative zur effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Dorothee Schlegel (SPD) kritisierte, dass das Arbeitsprogramm keine Initiativen zur Gleichstellungen von Frauen und Männern beinhalte. Dies sei „ein Schlag ins Gesicht aller Frauen in der EU“.
Sorge vor Referendum in Großbritannien
Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) gab zu bedenken, dass noch niemand absehen könne, was das Jahr bringen werde. Im Juni entscheide Großbritannien möglicherweise in einem Referendum über den Verbleib in der EU und auch die Wirtschaftskrise könne schnell zurückkommen. Er betonte, vor dem Referendum in Großbritannien müsse eine gemeinsame europäische Migrationspolitik auf dem Tisch liegen, andernfalls drohe ein Nein der britischen Wähler.
Sarrazins Fraktionskollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn warnte davor, den Forderungen Großbritanniens entgegenzukommen. Sozialkürzungen für Unionsbürger seien „der falsche Weg“. Es sollte selbstverständlich sein, dass ein EU-Bürger, der in einem anderen Land arbeitet, soziale Unterstützung erhält.
Linke lehnen Arbeitsprogramm ab
Alexander Ulrich (Die Linke) kritisierte das Arbeitsprogramm der Kommission scharf. So habe die Kommission „immer noch nicht verstanden, dass die Menschen in Europa TTIP ablehnen“. Trotzdem wolle die Kommission die Verhandlungen über das transatlantische Investitions- und Handelsabkommen fortsetzen.
Auch nannte Ulrich es eine „Bankrotterklärung“, dass die Kommission nur sechs Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa ausgebe, dafür aber 1,8 Billionen Euro zur Rettung von Banken.
Ulrich forderte die Kommission auf, die Interessen der Menschen vor die Interessen der Banken zu stellen, Reichtum stärker zu besteuern und Steueroasen in Europa „auszutrocknen“. Außerdem sollten Mitgliedstaaten, die Hilfe für Flüchtlinge verweigerten, künftig keine EU-Mittel mehr erhalten. (joh/28.01.216)