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Parlament

Kateryna setzt auf einen Ostukraine-Kompromiss

Kateryna Kukharuk, junge Frau mit dunklen Haaren

Kateryna Kukharuk, IPS-Stipendiatin aus der Ukraine (DBT/photothek)

Vor vier Jahren war Kateryna Kukharuk während der Fußball-Europameisterschaft in Donezk als Volunteer aktiv. „Die Stimmung war toll. Es war ein heller Streifen in der Geschichte der Ukraine“, erinnert sich die junge Ukrainerin. Davon ist heute nichts mehr übrig. Heute gilt die Millionenstadt Donezk als „nicht mehr durch die Ukraine kontrolliert“, wie sie sagt. Kateryna Kukharuk hat die Stadt verlassen. Auch weil das Deutsche Generalkonsulat Donezk seinen Sitz in das ebenfalls zur Ostukraine, aber nicht zu den durch Separatisten besetzen Gebieten gehörende Dnipro (vor der „Dekommunisierung“ hieß die Stadt Dnipropetrowsk) verlegt hat.

„Eine Brücke zwischen der Ukraine und Deutschland bauen“

Beim Deutschen Generalkonsulat arbeitet die 24-Jährige als Assistentin des Leiters. Zurzeit jedoch nimmt sie am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) im Deutschen Bundestag teil und absolviert ein Praktikum im Büro des Abgeordneten Tino Sorge (CDU/CSU). Durch die Webseite der Deutschen Botschaft in der Ukraine sei sie auf das IPS aufmerksam geworden, erzählt sie. „Das hat mich interessiert. Ich möchte etwas Neues ausprobieren, mich weiterentwickeln“, führt sie Gründe für die Bewerbung an.

Ihr Interesse an Deutschland hat die studierte Deutsch/Englisch-Übersetzerin vom Vater übernommen. „Er hat zu Zeiten der DDR in Leipzig gewohnt und ist seitdem von allem angetan, was mit Deutschland zu tun hat“, sagt Kateryna Kukharuk. Das IPS sieht sie als Chance, „eine Brücke zwischen der Ukraine und Deutschland zu bauen“.

„Menschen können sich an widrige Umstände anpassen“

Nach der Zeit in Berlin wird sie wieder zurück nach Dnipro gehen. Das Deutsche Generalkonsulat, für das sie dann wieder arbeiten wird, spiele eine wichtige Rolle bei der Koordinierung humanitärer Hilfe für Kriegsflüchtlinge und bei der Organisation der Wirtschafts- und Kulturbeziehungen zwischen der Ukraine und Deutschland, sagt sie. In Dnipro, 250 Kilometer westlich von Donezk, habe es keine Kampfhandlungen gegeben, sagt Kateryna Kukharuk. „Unruhen ja, die sind aber beigelegt worden, weil die Behörden auch die richtigen Maßnahmen getroffen haben.“

Anders in Donezk, wo ein Teil ihrer Familie noch immer wohnt. „Die Bedingungen sind sehr schwierig – aber viele Menschen wollen oder können nicht weg“, sagt sie. Auch wenn es schwer vorstellbar ist – die Menschen lebten dort ihr Leben weiter. „Menschen können sich an widrige Umstände anpassen“, sagt sie. Aber wer hat das Sagen in der Region? Kiew offenkundig nicht. „Die Ukraine ist derzeit nicht in der Lage diese Gebiete auf ihrem eigenen Territorium zu kontrollieren, weil es eine Aggression aus Russland gegeben hat“, sagt es Kateryna Kukharuk ganz deutlich.

„Russland sieht im Europakurs der Ukraine eine Gefahr“

Die Separatisten, so ihre Einschätzung, könnten nicht ohne Unterstützung Russlands überleben. „Sie brauchen militärische und finanzielle Unterstützung, aber auch Lebensmittel“, sagt sie. Wie stark die Region von Russland dominiert wird, zeige sich nicht zuletzt auch darin, dass inzwischen der Rubel das mehrheitlich verwendete Zahlungsmittel sei.

Doch wie konnte es so weit kommen? War das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU ein Fehler? Eine klare Antwort könne man darauf nicht geben, sagt Kateryna Kukharuk. „Eine Hälfte des Landes wollte es – die andere nicht.“ Der Hauptgrund ist ihrer Ansicht nach, „dass Russland im Europakurs der Ukraine eine Gefahr für sich sieht“. Ohne Provokateure aus Russland, da ist sie sich sicher, wäre es nie zu der jetzigen Situation gekommen.

„Schätze das Engagement der deutschen Seite sehr hoch ein“

Man könne sicherlich nicht sagen, dass die Region Donbas, in der es eine starke russische Minderheit gibt, immer zu einhundert Prozent proukrainisch war, macht sie deutlich. Aber: „Die Ukrainer untereinander haben immer einen Weg gefunden, sich abzustimmen. Es gab immer schwierige Zeiten – aber so eine Entwicklung war nie vorstellbar.“

In Europa ist die Situation in der Ukraine seit der Flüchtlingskrise nicht mehr das Thema Nummer eins. Ist sie enttäuscht von der Haltung Deutschlands und der EU? Nein, sagt sie. „Ich schätze das Engagement der deutschen Seite sehr hoch ein.“ Nicht sie sei von Europa enttäuscht. „Ich habe eher Angst, dass unsere europäischen Freunde von uns enttäuscht werden“, gibt sie zu bedenken.

„Es gibt noch viel zu tun“

Der Reformprozess müsse intensiviert werden. „Es gibt noch viel zu tun“, weiß sie. Kateryna Kukharuk ist den Europäern dankbar, dass ein gewisser Reformdruck auf die Ukraine ausgeübt wird. „Wir müssen ein starker und zuverlässiger Partner werden“, fordert sie.

Das Referendum in Holland, bei dem sich eine Mehrheit gegen das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine ausgesprochen hat, lässt sie nicht unruhig werden. Zum einen hätten daran nur gut 30 Prozent der Holländer teilgenommen. Den meisten sei es dabei nicht speziell um die Ukraine gegangen. „Es ging eher gegen die Politik der EU grundsätzlich. Ich sehe keinen direkten Zusammenhang zur Ukraine“, sagt die 24-Jährige.

„Wir müssen an einem Versöhnungsprozess arbeiten“ 

Doch wie soll es nun weitergehen in ihrer Heimat? Droht ein „frozen conflict“? „Ich hoffe, dass es nicht so kommt“, sagt die Ukrainerin. „Ein Teil meines Herzens lebt in dem Gebiet. Wir müssen an einem Versöhnungsprozess arbeiten“, fordert sie. Derzeit sei die Spannung sehr hoch – es gebe keine Akzeptanz für die jeweils andere Meinung. Die Hauptsache sei aber, dass es eine echte Waffenruhe gibt. „Und dann müssen beide Seiten bereit sein, einen Kompromiss zu finden.“

Nicht zuletzt an solchen Aussagen wird deutlich: Kateryna Kukharuk ist alles andere als eine ukrainische Nationalistin. Es werde keine Lösung geben, die beide Seiten zu einhundert Prozent zufriedenstellt, sagt sie. Bei einem Kompromiss werde jede Seite etwas verlieren.

„Wir wollen Frieden und Sicherheit“ 

Für die 24-Jährige ist klar: Die Aggression Russlands muss eingestellt werden. Die ukrainische Seite müsse zugleich mehr Bereitschaft zeigen, die Reformen umzusetzen. „Nur wenn es in der Ukraine sichtbare echte Fortschritte gibt, können der Donbas und die Krim in die Ukraine zurückkehren“, macht sie deutlich.

Nicht zu nationalistisch – nicht prorussisch. So eine Politik brauche die Ukraine. Dann könne es eine Versöhnung geben. Denn eigentlich, so Kateryna Kukharuk, eint das ganze Land ein Wunsch: „Wir wollen Frieden und Sicherheit.“ (hau/23.05.2016)

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