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3. Untersuchungsausschuss

„NSU-Täter trugen keine szenetypische Kleidung“

Ortsschild von Zwickau

Der Ausschuss beleuchtet die rechte Szene in Zwickau. (dpa)

Die NSU-Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos haben bei ihren Morden offenbar darauf geachtet, keine szenetypische Kleidung zu tragen. Als Zeuge vor dem 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) sagte Kriminalhauptkommissar Rainer Grimm vom Bundeskriminalamt in der Sitzung am Donnerstag, 7. Juli 2016, bei den wenigen Hinweisen aus der Bevölkerung, die es nach den insgesamt zehn Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in den Jahren von 2000 bis 2007 gegeben habe, sei nie von „rechten Erscheinungstypen die Rede gewesen“.

Neben den fehlenden Bekennerschreiben sei das einer der Gründe dafür gewesen, warum das Bundeskriminalamt (BKA) bis zur Enttarnung des NSU im November 2011 nie in Richtung Rechtsterrorismus ermittelt habe. „Uns haben harte Fakten gefehlt, um ein solches Motiv belegen zu können“, sagte Grimm, der selbst der Ermittlungsgruppe „Ceska“ im BKA angehört hat. Sie war nach der Tatwaffe benannt worden.

„Die Bewertungen waren falsch“ 

Auf die Frage der stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Susann Rüthrich (SPD), wie er im Rückblick diese Ermittlungen beurteile, sagte Grimm: „Die Bewertungen waren falsch, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Er und seine Kollegen hätten sich aber „nach bestem Wissen und Gewissen“ bemüht, die Morde aufzuklären. Nach der Enttarnung des NSU sei er „konsterniert und relativ fassungslos“ gewesen. „Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit so etwas, und war erst mal sprachlos“, erinnerte sich Grimm.  

Relativ wenig Erkenntnisgewinn hatte zuvor die Vernehmung von zwei weiteren Zeugen aus dem Umfeld der rechtsradikalen Szene in Zwickau gebracht, wo das NSU-Trio vom Frühjahr 2001 bis zu den Ereignissen am 4. November 2011 lebte. Zunächst wurde Jens Gützold vernommen, der Kontakte zur Neonazi-Szene der Stadt hatte und jahrelang in der Zwickauer Polenzstraße in einem Haus schräg gegenüber von der Wohnung des NSU-Trios wohnte.

„Erhebliche Alkoholprobleme gehabt“ 

Wie schon vor der Polizei gab Gützold auch vor dem Ausschuss an, das Trio nicht gekannt und auch nie gesehen zu habe. Er sei in der fraglichen Zeit oft auf Montage gewesen und habe auch erhebliche Alkoholprobleme gehabt. „Ich war froh, wenn ich am nächsten Tag noch wusste, wo ich bin.“

Ebenso wenig erhellend verlief die Vernehmung von Sebastian Rauh, der in Zwickau die auch von Rechtsradikalen frequentierte Gaststätte „White Trash“ betrieben hat. Er bestritt, dass der damalige Neonazi und V-Mann Ralf Marschner sein Geschäftspartner gewesen sei.

„Rechtsradikale und Stressmacher“ 

Marschner habe das Lokal aber häufig besucht und dabei „seinen bekannten Rattenschwanz“ von Rechtsradikalen und „Stressmachern“ mitgebracht. Nach einem Hausverbot für Marschner habe der dann dafür gesorgt, dass kaum noch Gäste in das „White Trash“ gekommen seien und das Lokal schließen musste. Rauh war bereits der zweite Zeuge, der angab, von Marschner in die Privatinsolvenz getrieben worden zu sein.

Der 3. Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Clemens Binninger (CDU/CSU) hat sich jetzt bereits in vier Sitzungen mit Marschner und dessen Umfeld in Zwickau beschäftigt. Die zentrale Frage, ob der seit 2007 in der Schweiz lebende ehemalige V-Mann und Neonazi Kontakte zum NSU-Trio hatte oder gar von den Verbrechen wusste, ist allerdings weiterhin offen.

Corellis Handys und Sim-Karten

Zuvor hatte sich der Ausschuss erneut mit den Vorgängen um die erst spät aufgefundenen Handys und Sim-Karten des 2014 verstorbenen V-Manns und Rechtsextremisten Thomas Richter alias „Corelli“ befasst.

Vor der öffentlichen Zeugenvernehmung präsentierte der Ministerialdirektor a. D. Reinhard Rupprecht in nicht öffentlicher Sitzung seinen Bericht über den Umgang des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mit dem Fall, den er im Auftrag von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) angefertigt hat. Anwesend war auch BfV-Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen, um auf Fragen der Abgeordneten antworten zu können.

„Chaos in den Panzerschränken“

Vertreter aller Fraktionen waren sich anschließend einig in der Bewertung, dass es beim Fall „Corelli“ organisatorische Defizite im BfV gegeben habe. Unterschiedlich fiel aber die Einschätzung zu der Frage aus, ob es sich dabei um ein spezielles Problem in Bezug auf diesen V-Mann oder um grundsätzliche Strukturdefizite im Bundesamt handelt, für die Amtschef Maaßen die Verantwortung trägt.

So sagte die Obfrau der Grünen, Irene Mihalic, die Verantwortung für das „Chaos in den Panzerschränken“ ziehe sich im Bundesamt für Verfassungsschutz „durch alle Ebenen bis zur Amtsleitung“. Es sei ein „ganz klares Versäumnis“ von Maaßen, dass er sich zu dem brisanten Fall und der Situation in den Panzerschränken nicht persönlich habe berichten lassen.

„Kein Rückschluss auf allgemeines Chaos“

Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger und der Obmann der CDU/CSU-Fraktion, Armin Schuster, bezeichneten die Vorgänge um die Handys und Sim-Karten hingegen als Einzelfall, aus dem sich nicht der Rückschluss ziehen lasse, dass im BfV allgemeines Chaos herrsche.

Im Juli vergangenen Jahres war im Zuge eines Bürowechsels im Panzerschrank des ehemaligen V-Mann-Führers von „Corelli“ ein Handy gefunden worden, das erst im April 2016 dem verstorbenen V-Mann zugeordnet wurde. Außerdem fanden sich in dem Schrank mehrere Sim-Karten, die von „Corelli“ benutzt worden waren.

„Wesentlich höhere Zahl von Handys“ 

Der Obmann der SPD-Fraktion Uli Grötsch sagte nach der Anhörung, Rupprecht gehe in seinem Bericht davon aus, dass der V-Mann dem Verfassungsschutz „eine wesentlich höhere Zahl von Handys“ übergeben habe als bislang bekannt. Ihre Auswertung sei noch immer nicht abgeschlossen.

So wie Grötsch kritisierte auch die Obfrau der Linksfraktion, Peter Pau, dass die Probleme im BfV schon im NSU-Untersuchungsausschuss der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich geworden seien, es seitdem aber keine Konsequenzen gegeben habe. 

„Wertvolle und ergiebige Quelle“

Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion Schuster wies darauf hin, dass „Corelli“ eine „extrem wertvolle und außergewöhnlich ergiebige Quelle“ gewesen sei, die dem BfV hervorragende Einblicke in die Neonazi-Szene ermöglicht habe.

Seine Informationen hätten auch zu Zugriffen der Polizei geführt. Das sei möglicherweise der Grund dafür gewesen, warum bestehende Vorschriften im Umgang mit „Corelli“ nicht genügend Beachtung gefunden hätten.

Binninger sagte, bis heute gebe es „keine belegbaren und belastbaren Hinweise“ auf nähere Kontakte von „Corelli“ zum NSU-Trio. (rik/08.07.2016)

Liste der geladenen Zeugen
  • Jens Gützold
  • Sebastian Rauh
  • Marianne Rauh
  • Rainer Grimm, Kriminalhauptkommissar, Bundeskriminalamt

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