Zwist über Sicherheits- und Flüchtlingspolitik
In der Debatte über den Etat des Bundesinnenministeriums für das kommende Jahr haben Koalition und Opposition am Dienstag, 6. September 2016, ihre gegensätzlichen Positionen in der Flüchtlings- und in der Sicherheitspolitik bekräftigt. Zugleich wurden in der Aussprache erneut auch Differenzen innerhalb des schwarz-roten Regierungsbündnisses deutlich.
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) kritisierte, in den vergangenen Tagen sei fälschlicherweise der Eindruck erweckt worden, dass zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage seit September 2015 wenig passiert sei. „Besonders verwunderlich“ finde er es, „wenn diejenigen, die das behaupten, mit am Kabinettstisch oder im Koalitionsausschuss saßen, als Woche für Woche die Dinge vorangebracht wurden“. Mittlerweile sei der Migrationsdruck spürbar geringer geworden. Seien im August 2015 noch etwa 100.000 Menschen erfasst worden, so seien es im August dieses Jahres nur noch 18.000 gewesen. Es sei Enormes dafür geleistet worden, dass sich die Geschehnisse des vergangenen Jahres nicht wiederholen. Darauf könne man stolz sein.
Minister: Sicherheitspaket für die Jahre 2017 bis 2020
De Maizière mahnte zudem einen entschlossenen Umgang des Rechtsstaates „mit ausländischen Straftätern, Gefährdern und Personen, die andere radikalisieren“, an. Dazu gehöre seiner Meinung nach auch „der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für Mehrfachstaatlicher, die sich als dschihadistische Kämpfer für eine Terrormiliz betätigen“.
Zugleich betonte der Ressortchef die Notwendigkeit starker und handlungsfähiger Sicherheitsbehörden. Er verwies darauf, dass allein für die Bundespolizei für die Jahre 2016 bis 2018 nach bisheriger Beschlusslage 3.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden sollen. Gemeinsam mit Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) schlage er ein weiteres Sicherheitspaket für die Jahre 2017 bis 2020 vor. Damit sollten 4.000 neue Stellen „zu einem erheblichen Teil“ der Bundespolizei, aber auch dem Bundeskriminalamt sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und weiteren Behörden zugutekommen. Für die Bundespolizei bedeute dies mehr als 7.000 neue Stellen in den Jahren 20016 bis 2020.
Linke kritisiert „Angstpolitik“ der Union
Für Die Linke warf ihre Innen-Expertin Ulla Jelpke der Union vor, in den vergangenen Monaten versucht zu haben, sich „als Hardliner-Partei für die innere Sicherheit“ zu profilieren. Dabei zeichne sie ein „Feindbild des islamischen Gefährders, der sich als Flüchtling unerkannt ins Land schleicht - möglichst noch mit einer Burka getarnt -, um sich hier eine doppelte Staatsbürgerschaft zu erschleichen“.
Die Union habe eine unverantwortliche „Angstpolitik“ betrieben, mit der sie Ressentiments gegen Muslime schüre. Jelpke kritisierte zugleich, im Etatentwurf sei nicht „allzu zuviel davon zu spüren“, dass die Integration der Flüchtlinge zu den wichtigsten Anforderungen der Innenpolitik gehöre. So bleiben die Mittel für die Integrationskurse „praktisch gleich, obwohl viel mehr Menschen gekommen sind“.
SPD: Symbolpolitik und Aktionismus meiden
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Eva Högl verwies darauf, dass der Etat des Bundesinnenministeriums im Vergleich zum Jahr 2015 um 30 Prozent gestiegen sei. „Das heißt, wir sorgen uns um die öffentliche Sicherheit“, betonte Högl. Sie mahnte zugleich, Ängste nicht herbeizureden, auch wenn man keine Probleme verschweigen dürfe.
In der Debatte um öffentliche Sicherheit seien Symbolpolitik und Aktionismus fehl am Platz. So schaffe etwa ein Burka-Verbot nicht mehr Sicherheit. „Auch wenn wir alle gegen Vollverschleierung sind“, dürfe man nicht den Eindruck erwecken, dass man mit solchen Maßnahmen mehr Sicherheit schaffe. Sie glaube, dass man einen Weg gehen könne, Bereiche zu definieren, in denen Vollverschleierung untersagt wird, doch sei ihr Besonnenheit in dieser Debatte wichtig. Auch gebe es „keinen einzigen Zusammenhang“ zwischen Terror und der doppelten Staatsangehörigkeit.
Grüne fordern Konzepte gegen Rechtsextremismus
Grünen-Fraktionsvize Dr. Konstantin von Notz kritisierte, nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach sowie dem Amoklauf von München hätten sich Innenpolitiker der Union mit populistischen Forderungen überschlagen. „Sie waren sich sogar nicht zu schade, unter dem Stichwort 'Sicherheit' in diesem Sommer die Burka, die doppelte Staatsbürgerschaft und die Katastrophenbevorratung von 80 Millionen Menschen zu thematisieren“, sagte er. Eine solche Kampagne sei „Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten“ gewesen.
Notz begrüßte ausdrücklich Ansätze in de Maizières Haushalt. So seien die zusätzlichen Mittel für eine Aufstockung des Personals überfällig. Wichtige Baustellen würden aber nicht angegangen. So habe die Koalition keine Konzepte gegen den „wachsenden militanten Rechtsextremismus“.
CDU/CSU: Vollverschleierung ist ein Integrationshemmnis
Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer (CDU/CSU) verwahrte sich für die Union gegen den Vorwurf populistischer Forderungen. Niemand in der Union habe behauptet, dass ein Verbot der Vollverschleierung im Kontext zu einer Erhöhung der Sicherheit in Deutschland stehe. Die Vollverschleierung sei jedoch ein Integrationshemmnis und zumindest im öffentlichen Raum abzulehnen.
Mayer betonte zugleich, man habe bereits „sehr vieles erfolgreich ins Werk gesetzt, um den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland deutlich zurückzufahren“. Auch seien die Mittel im Bundeshaushalt für die Integrations- und Sprachkurse vom vergangenen auf dieses Jahr mehr als verdoppelt worden. Nun kämen mit dem Etatentwurf 2017 „nochmal zehn Prozent obendrauf“. Mayer hob zudem hervor, dass der Löwenanteil des Innenetats auf die innere Sicherheit entfalle. Dies sei ein klares Signal, dass das Bundesinnenministerium die innere Sicherheit stärke.
Etatvolumen von rund 8,34 Milliarden Euro
Nach dem Etatentwurf der Bundesregierung umfasst der Haushalt des Bundesinnenministeriums im kommenden Jahr ein Gesamtvolumen von rund 8,34 Milliarden Euro und damit fast 537 Millionen Euro mehr als für das laufende Jahr veranschlagt. Davon entfallen nach dem Regierungsentwurf für 2017 knapp 3,93 Milliarden Euro auf die Personalausgaben und fast 1,7 Milliarden Euro auf die sächlichen Verwaltungsausgaben.
Für Zuweisungen und Zuschüsse sind im Einzelplan 06 der Vorlage knapp 1,99 Milliarden Euro ausgewiesen und für Investitionen rund 801 Millionen Euro. Die Einnahmen werden für das kommende Jahr auf insgesamt gut 620 Millionen Euro veranschlagt nach knapp 487 Millionen Euro im Jahr 2016.
Innere Sicherheit und Flüchtlinge
Besonders im Fokus stehen im Etat 2017 des Bundesinnenministeriums erneut die innere Sicherheit und die Flüchtlingslage. So sollen für den Bereich der Sicherheitsbehörden rund zwei Drittel der Ausgaben des Einzelplans aufgewandt werden. Danach steigen die Gesamtausgaben für die Bundespolizei von gut 2,95 Milliarden Euro im laufenden auf rund 3,08 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Für das Bundeskriminalamt sind für das Jahr 2017 Gesamtausgaben in Höhe von fast 531 Millionen Euro nach gut 459 Millionen Euro im Jahr 2016 veranschlagt und für das Bundesamt für Verfassungsschutz rund 307 Millionen Euro für 2017 nach knapp 261 Millionen Euro für 2016.
Beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sollen die Gesamtausgaben von knapp 89 Millionen Euro in diesem auf fast 107 Millionen Euro im nächsten Jahr steigen. Für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind im Einzelplan 06 für 2017 Gesamtausgaben in Höhe von rund 778 Millionen Euro vorgesehen nach fast 652 Millionen Euro für 2016. (sto/06.09.2016)