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4. Untersuchungsausschuss

„Meinung zu Cum/Ex war wissenschaftlich fundiert“

Abbildung der Ziffer Null auf einem Taschenrechnerdisplay

Der Ausschuss untersucht die Besteuerung bei Dividendengeschäften. (pa/Bildagentur-online)

Zwei renommierte Steuerrechtler haben sich am Donnerstag, 29. September 2016, im 4. Untersuchungsausschuss dazu bekannt, für eine Schlüsselfigur der Cum/Ex-Geschäfte tätig gewesen zu sein. Sie betonten gleichzeitig, ihre Rechtsmeinung sei wissenschaftlich fundiert gewesen. Vorhalte von Ausschussmitgliedern, dass sie mit ihren Arbeiten die umstrittenen steuerlichen Gestaltungsmodelle legitimiert, Gefälligkeitsgutachten geschrieben oder versucht hätten, die Meinungsbildung zu Cum/Ex zu beeinflussen, wiesen beide Wissenschaftler zurück.

Der Cum/Ex-Ausschuss hatte es sich nach den Worten seines Vorsitzenden Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) in seiner 22. Sitzung zum Ziel gesetzt, zu klären, welche Rolle die Steuerrechtsliteratur bei der Entwicklung der Cum/Ex-Aktiengeschäfte spielte. Neben den Professoren Dr. Marc Desens von der Universität Leipzig und Dr. Joachim Englisch von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster hörte der Ausschuss in öffentlicher Sitzung die Referatsleiterin bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Ilka Dumont sowie den Präsidenten des brandenburgischen Landesrechnungshofes, Christoph Weiser, der von 2007 bis 2013 im Bundesfinanzministerium (BMF) arbeitete.

„Keine Gutachten auf Wunsch verfasst“

Desens sagte auf eine Frage von Krüger, er habe ab 2012 mehrere Gutachten beziehungsweise Stellungnahmen für den Steueranwalt Hanno Berger geschrieben, der dem Ausschussvorsitzenden zufolge einer der führenden Berater bei den Cum/Ex-Steuersparmodellen war. Diese seien auch von Berger beziehungsweise dessen Kanzlei honoriert worden.

Wie Desens erläuterte, habe es sich bei den Gutachten um rechtliche Bewertungen gehandelt, die stets seine eigene Meinung wiedergegeben hätten. Die Ergebnisse habe er später auch veröffentlicht. Ihm sei es dabei um die Aufarbeitung der Gesetzeslage gegangen, die die Cum/Ex-Geschäfte erst ermöglicht habe. Es habe keine gezielte Veröffentlichung gegeben, und er habe keine Gutachten oder Aufsätze auf Wunsch verfasst.

„Auf Skandal unberechtigter Steuererstattung hingewiesen“

Auf eine Frage des Grünen-Obmanns Dr. Gerhard Schick, ob wissenschaftliche Lehrmeinungen käuflich seien, sagte Desens, er fühle sich nicht von Berger gekauft. Er habe die Gutachten aus eigenem Interesse verfasst und stets auf den „Skandal“ der mehrfachen unberechtigten Steuererstattung hingewiesen.

Dabei hat es sich seiner Meinung nach um einen „Gesetzgebungsskandal“ gehandelt, den er in jedem Aufsatz thematisiert habe. Es sei in seinem eigenen Forschungsinteresse gewesen, dass dieser Punkt aufgedeckt werde.

„Berger nicht der große Verschleierer“ 

Von SPD-Obmann Andreas Schwarz nach Berger befragt, sagte Desens, er halte diesen „nicht für den großen Verschleierer“. Er sei allerdings „eine gute Quelle“ für interne Dokumente gewesen, die er genutzt habe. In seinen Gutachten habe er Rechtsfragen offengelegt, seine Position dazu dargelegt und Gegenauffassungen bewertet. Entscheiden darüber müssten letztlich die Gerichte. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass es möglich sei, in dieser Frage eine, wie Schwarz formulierte, „Literaturmeinung zu organisieren“.

Professor Englisch, der anschließend in den Zeugenstand gerufen wurde, erklärte, dass er zwischen 2009 und 2011 zwei Gutachten für Berger zum Thema Cum/Ex geschrieben habe. Dabei sei es um die Frage des wirtschaftlichen Eigentums des Erwerbers bei außerbörslichen Geschäften und Leerverkäufen gegangen. Er habe diese Frage bejaht, unter der Voraussetzung, dass es bei diesen Geschäften keinerlei Absprachen gebe.

„Rechtsauffassung aus eigener Überzeugung gebildet“

Diese Position sei vom Gesetzgeber und der Finanzverwaltung 2007 und 2009 sowie vom Bundesfinanzhof 2014 bestätigt beziehungsweise toleriert worden, sagte Englisch. Seine diesbezügliche Rechtsauffassung habe er aus eigener Überzeugung gebildet und nicht auf Wunsch des Auftraggebers.

Er habe dann noch einen längeren Aufsatz über die Erkenntnisse aus dem Gutachten von 2009 geschrieben, der 2010 erschienen sei. In diesem Aufsatz habe er auch einen Vorschlag unterbreitet, wie die mehrfache Erstattung zu vermeiden wäre - nämlich durch die Verlagerung des Steuerabzugs auf die inländische Wertpapiersammelbank. Dieser sei 2011 vom Gesetzgeber aufgegriffen und umgesetzt worden.

„Würde niemals Gefälligkeitsgutachten schreiben“

Als weitere Veröffentlichungen nannte Englisch Anmerkungen zu einem Urteil des Finanzgerichts Kassel von 2012, bei denen er aber nicht den Vorgaben des Auftraggebers gefolgt sei. Die Vergütung der Gutachten sei analog zu den Honorarsätzen von Großkanzleien erfolgt. Auf Nachfrage des Linke-Obmanns Richard Pitterle sagte Englisch, diese lägen zwischen 500 und 600 Euro pro Stunde.

Zum Thema „Beeinflussung der Rechtsmeinung“ erklärte er auf eine Frage von CDU/CSU-Obmann Christian Hirte, er sei nicht käuflich und würde niemals Gefälligkeitsgutachten schreiben. Zum Vorwurf Schicks, er habe bei der Plünderung der Staatskasse durch die Cum/Ex-Geschäfte mitgewirkt, sagte Englisch, er sei von einer rechtmäßigen Gestaltung ausgegangen. Letztlich sei dabei eine Gesetzeslücke ausgenutzt worden, die absehbar gerichtlich geprüft werden würde.

„Nicht Teil eines Netzwerks“

Wie die Cum/Ex-Modelle funktionierten, habe er erst später gelesen. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Gutachten sei ihm das nicht bewusst gewesen. Dass sie nur über Absprachen funktionierten, habe sich ihm damals nicht so dargestellt, sagte Englisch auf eine Frage von Schwarz. Er sehe sich auch nicht als Teil eines Netzwerks, das ihn als Wissenschaftler benutzt habe.

BaFin-Referatsleiterin Ilka Dumont erläuterte dem Ausschuss die Arbeitsweise der Wertpapieraufsicht und die Kontrolle der Investmentfonds. Wie andere BaFin-Mitarbeiter vor ihr verwies sie darauf, dass die Behörde keinen steuerrechtlichen Prüfungsauftrag habe, die Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden und den Staatsanwaltschaften aber seit einer Gesetzesänderung im November 2015 immer besser werde. Sie berichtete von Abfragen in 2010 und 2013 bei Fonds im Zusammenhang mit Leerverkäufen, kurzen Laufzeiten und Dividendenstripping, bei denen es aber keine Auffälligkeiten gegeben habe.

„Keine konkrete Erinnerung an das Thema Cum/Ex“

Christoph Weiser, von 2007 bis 2009 Unterabteilungsleiter in der Steuerabteilung des BMF, konnte sich in seiner Befragung an die meisten Sachverhalte aus dieser Zeit nicht mehr erinnern und begründete dies mit der hohen Belastung durch andere wichtige Arbeitsgebiete. Er habe keine konkrete Erinnerung, damals mit dem Thema Cum/Ex in Kontakt gekommen zu sein. Auch zu einem BMF-Schreiben vom Mai 2009, mit dem man diese Geschäfte in den Griff bekommen wollte und das er unterzeichnet hatte, fiel ihm nichts ein.

Grünen-Obmann Schick zeigte sich angesichts der unergiebigen Befragung Weisers „massiv irritiert“. Wie er, Weiser, es denn erklären könne, angesichts von Steuerausfällen in Milliardenhöhe nichts unternommen zu haben, wollte er wissen. Natürlich hätte man reagieren müssen, antwortete Weiser. Aber er könne sich nicht erinnern, so etwas auf den Tisch bekommen zu haben. (mwo/04.10.2016)

Liste der geladenen Zeugen
  • Prof. Dr. Marc Desens, Universität Leipzig
  • Prof. Dr. Joachim Englisch, Universität Münster
  • Ilka DumontRegierungsdirektorin, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
  • Christoph Weiser, Präsident des Landesrechnungshofes Brandenburg

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