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Parlament

Fragestunde: Kotting-Uhl erkundigt sich nach belgischem AKW

Im Anschluss an die Regierungsbefragung wurde in der Plenarsitzung am Mittwoch, 30. November 2016, die Fragestunde aufgerufen. Die Bundesregierung äußerte sich getrennt nach Ressortzuständigkeiten zu schriftlich eingereichten Fragen der Abgeordneten (18/10442).

Risse und Brandschutzprobleme im Meiler Tihange

Die Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) wollte beispielsweise von der Bundesregierung erfahren, wie diese die Situation in dem unweit der deutschen Grenze gelegenen belgischen Atomkraftwerk Tihange einschätzt. Erst waren es Risse im Reaktordruckbehälter – jetzt kommen noch Probleme beim Brandschutz dazu.  Im Interview fordert die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, „dass in den Euratom-Vertrag ein Passus aufgenommen wird, wonach Anrainerländer, die von einem GAU massiv betroffen sein könnten, ein Mitspracherecht wie bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung bekommen müssen“.

Der Euratom-Vertrag aus dem Jahr 1957, wonach jeder EU-Staat alleine über Bau und Betrieb von Atomkraftwerken (AKW) entscheiden darf, sei „nicht mehr zeitgemäß“, sagt sie. Was die Sicherheit in deutschen Atomkraftwerken angeht, so ist diese aus Sicht der Karlsruher Abgeordneten gegeben, auch wenn die Anlagen in absehbarer Zeit stillgelegt werden. Es gebe vorgeschriebene Sicherheitsuntersuchungen, die durchgeführt werden müssen, auch wenn das AKW in fünf Jahren abgeschaltet wird, betont Kotting-Uhl und fügt hinzu: „Wirkliche Sicherheit gibt es aber nur nach Abschaltung und Rückbau.“ Das Interview im Wortlaut:


Frau Kotting-Uhl, in der Fragestunde am Mittwoch wollen Sie von der Bundesregierung wissen, welche Kenntnisse sie von der Situation in dem an der deutschen Grenze gelegenen belgischen Atomkraftwerk Tihange hat und was sie angesichts der besorgniserregenden Erkenntnisse unternommen hat. Was ist los im AKW Tihange?

Man hat dort schon vor längerer Zeit Risse im Reaktordruckbehälter gefunden. Also Löcher im Herzen des Reaktors sozusagen. Das ist ein unglaublich gravierendes Problem, um das es aber schon wieder still geworden ist, ohne dass es eine Verbesserung gegeben hat. Wobei Verbesserung in diesem Falle nur Abschaltung heißen kann. Etwas anderes kann man nicht tun, wenn der Reaktordruckbehälter in irgendeiner Weise nicht in Ordnung ist. Jetzt kommt noch dazu, dass eine Studie gravierende Mängel beim Brandschutz aufzeigt. So gravierend, dass die Atomaufsichtsbehörde in Belgien davon gesprochen hat, dass ein Brand in Tihange zu einer Kernschmelze führen könnte.

Was soll nun die Bundesregierung tun? Das AKW steht schließlich in Belgien…

Das ist richtig – und dazu kommt, dass es noch immer den Euratom-Vertrag aus dem Jahr 1957 gibt, wonach jeder EU-Staat alleine über Bau, Betrieb und Abschaltung von AKWs entscheiden darf. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir haben heute grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) bei allen neuen Projekten, die in ihren Auswirkungen grenzüberschreitend sind. Und was ist grenzüberschreitender als ein größerer Unfall in einem AKW? Das kann Folgen für ganz Europa haben, und dennoch hat das Land, in dem der Standort ist, die ausschließliche Entscheidungsmacht. Daran müssen wir etwas ändern.

Und das tut die Bundesregierung nicht?

Ich kreide ihr an, in der EU nicht daraufhin zu wirken, dass in den Euratom-Vertrag ein Passus aufgenommen wird, wonach Anrainerländer, die von einem GAU massiv betroffen sein könnten, ein Mitspracherecht wie bei einer UVP bekommen müssen. Und zwar letztlich auch in der Frage, ob das AKW am Netz bleiben kann oder abgeschaltet werden muss.

 Derzeit plant Polen den Bau eines Atomkraftwerkes – ganz in der Nähe zur deutschen Grenze. Soll die Einflussnahme soweit gehen, dass man den Polen sagen kann, baut das mal besser woanders?

Nein, aber Deutschland muss darauf dringen können, dass bestimmte Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Polen muss selbstverständlich eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der deutschen Öffentlichkeit durchführen.

Darauf sollte die Bundesregierung dringen?

Ja natürlich. Das macht sie nur zu selten. Sie hat  das beim britischen AKW Hinkley Point C auch nicht gemacht. Ich habe vor dem Espoo- und dem Aarhus-Komitee Beschwerde gegen Großbritannien wegen fehlender grenzüberschreitender UVP geführt und die Bundesregierung aufgefordert, entsprechend Espoo eine Umweltverträglichkeitsprüfung einzufordern, was sie aber nicht getan hat. Die Bundesregierung ist nicht gerade eifrig darin, etwas einzufordern. Lieber zieht man sich auf die Position zurück „Wir appellieren an die anderen“.

In den Nachbarländern Deutschlands hält man offenbar nichts vom Atomausstieg. In Polen ist – wie besprochen - sogar der Atomeinstieg geplant. Da hätten wir doch bei uns die Atomkraftwerke auch behalten können…

Meinen Sie, dann wären wir sicherer?

Nein, aber wohl auch nicht unsicherer…

Doch, ich glaube schon. Am stärksten betroffen ist man von den atomaren Anlagen im eigenen Land. Da können schon kleinere Unfälle fatale Auswirkungen für die direkte Umgebung haben. Außerdem – ein Land musste mit dem Ausstieg beginnen und den anderen zeigen, dass deshalb nicht gleich überall das Licht ausgeht, dass es keine negativen Folgen für Arbeitsplätze und Lebensstandard hat.

Wie sieht es mit der Sicherheit in deutschen Atomkraftwerken aus? Eine Zukunft haben sie nicht. Investieren die Betreiber dennoch genug in die Sicherheit der Anlagen?

Es gibt vorgeschriebene Sicherheitsuntersuchungen. Die müssen durchgeführt werden, auch wenn das AKW in fünf Jahren abgeschaltet wird. Da gibt es keine Zugeständnisse. Im Übrigen sind unsere noch laufenden AKWs jünger und damit sicherer als das, was teilweise so an unseren Grenzen steht. Wirkliche Sicherheit gibt es aber nur nach Abschaltung und Rückbau.

(hau/30.11.2016)