Redaktionsstab kämpft seit 50 Jahren gegen Wortungetüme
Im politischen Prozess eine verständliche Sprache zwischen Experten und Bürgern zu finden ist Aufgabe und Herausforderung zugleich – zu diesem Schluss kamen alle Gäste bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen des Redaktionsstabes der Gesellschaft für deutsche Sprache im Bundestag (GfdS). Bei den Feierlichkeiten am Dienstag, 29. November 2016, fand Prof. Dr. Peter Schlobinski, Vorsitzender des Vorstandes der Gesellschaft für deutsche Sprache auch mahnende Worte: „Zur Zeit beobachten und diskutieren wir eine Rechtsradikalisierung des Sprachgebrauchs, die sich in Kampfbegriffen wie Lügenpresse und Volksverräter niederschlägt.“ Sprachkritik müsse daher auch als „Gesellschaftskritik“ verstanden werden.
„Transfer von Fachsprache zu verständlicher Sprache“
In der langen und zugleich kurzen Zeit von 50 Jahren habe es immer wieder erstaunliche Wortungetüme gegeben, die illustrierten, dass die Arbeit mit Sprache eine „ständige Herausforderung“ sei, sagt Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert. Gerade der Gesetzgeber unterliege der Versuchung, Teile der Gesetzgebung durch komplexe Begriffe zum Ausdruck zu bringen. Daher sei der Redaktionsstab für den Bundestag besonders wichtig.
Der Leiter der Unterabteilung Petitionen und Eingaben in der Bundestagsverwaltung, Dr. Norbert Paschmanns, gab zu bedenken, dass „in einer Zeit der Demokratie, Transparenz und Informationsfreiheit“ Sprache auf Augenhöhe geschehen und verständlich sein sollte.
Die Gesellschaft für Deutsche Sprache unterstützt die Arbeit des Bundestages seit 1966. Der damalige Bundestagspräsident Dr. Eugen Gerstenmaier richtete den Redaktionsstab als Reaktion auf die Beschwerde des Abgeordneten Konrad Porzner von der SPD ein, der „stilistische Grobheiten“ im sogenannten Raumverordnungsgesetz beklagt hatte. Seit 2009 ist der Redaktionsstab für die redaktionelle Betreuung in der parlamentarischen Phase der Gesetzgebung zuständig.
„Sprachverbesserungsbegünstigungsinstanz“
Im Bundestag prüft die GfdS Gesetzestexte und Entwürfe auf ihre Verständlichkeit und sprachliche Richtigkeit und gibt Empfehlungen zur Verbesserung. „Die Freude an Konstruktionen mit multiplizierten Substantivkonstruktionen“ sei wohl eine komplizierte Besonderheit der deutschen Sprache, resümierte Norbert Lammert. Spaßeshalber könne man die GfdS daher wohl als „Sprachverbesserungsbegünstigungsinstanz“ bezeichnen. Ebenso wie der Abgeordnete Lothar Binding (SPD) betonte aber auch er die Aufgabe des Gesetzgebers, verständliche Texte zu formulieren.
Binding hatte zusammen mit Dr. Ole Schröder (CDU/CSU), heute Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, 2006 die „Große Koalition für verständliche Gesetze“ gegründet. Die Initiative führte schließlich zur Einrichtung eines eigenen Redaktionsstabes im Justizministerium im Jahr 2009. „Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat es sehr gut verstanden, sich in die komplexen Prozesse einzufügen“, betonte Binding. Bei vielen Beteiligten und knappen Zeitrahmen sei es oft schwierig, auch noch die sprachliche Verständlichkeit zu verwirklichen.
Verständliche Sprache als Zeichen von Respekt
„In den letzten 50 Jahren hat der Redaktionsstab auch Neuland betreten“, betonte Reinhild Schornack, Leiterin des Referats Öffentlichkeitsarbeit in der Verwaltung des Deutschen Bundestages. Mit der Übersetzung von Broschüren und Informationsmaterial in einfache Sprache könne man nun viele Menschen erreichen.
Neben der Redaktion von Gesetzen, Berichten und Reden berät der Redaktionsstab auch die Verwaltung, Fraktionen und Abgeordnete durch Seminare zur Rechtschreibung oder beantwortet Fragen zu Texten an einem Fragentelefon. In den letzten zehn Jahren erreichten die Linguisten dabei 8.600 Sprachanfragen. Über 1.100 Texte wurden in dieser Zeit auf sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit überprüft. (lau/30.11.2016)