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5. Untersuchungsausschuss

Kanzleramt: Keine Kenntnis über illegale Abschalteinrichtungen

Abgassonde für Autoabgase

Der Ausschuss setzte seine Untersuchungen mit der Befragung weiterer Zeugen fort. (© dpa)

Das Bundeskanzleramt verneint eine Kenntnis der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen zur Abgasreinigung vor dem Auffliegen des VW-Skandals im September 2015. Das sagte der Referatsleiter Verkehr im Kanzleramt, Dirk Pung-Jakobsen, am Donnerstag, 1. Dezember 2016, im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages unter Vorsitz von Herbert Behrens (Die Linke). Die theoretische Möglichkeit sei aber bekannt gewesen, weil sie schon 2007 in der EU-Verordnung 715/2007, wo es um Typgenehmigungen von Kraftfahrzeugen geht, verboten worden seien. Allerdings seien dort Ausnahmen erlaubt. Diese seien „nicht sehr präzise“ und gäben Spielraum für Interpretationen.

Die Aufdeckung des VW-Skandals hat auch im Kanzleramt zu zahlreichen Aktivitäten geführt. Die Affäre fiel in die europäischen Schlussverhandlungen über die Grenzwerte für die ab Herbst 2017 geplanten Straßentests (RDE), die realitätsnähere Werte als die aktuellen Tests im Labor (NEFZ) liefern sollen. Zudem hatte die EU gegen Deutschland wegen zu hoher Stickoxidwerte in Innenstädten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

„Um technisch erfüllbare Werte bemüht“

Die Bundesregierung habe sich um Werte bemüht, die auch technisch erfüllbar seien, sagte Pung-Jakobsen. Er verwies auf die Bedeutung der Automobilbranche mit 350 Milliarden Euro Jahresumsatz und 850.000 Beschäftigten. Auch brauche man die Dieseltechnologie mit ihrem geringeren Kohlendioxidausstoß für die Einhaltung der Klimapläne.

Zu Fragen von Ausschussmitgliedern nach Aktivitäten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Herbst blieb der Referatsleiter einsilbig. Er verneinte Kenntnisse über ein angesprochenes Telefonat Merkels mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn am Montag nach Bekanntwerden des VW-Skandals und über ein angebliches Treffen der Kanzlerin mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur RDE-Gesetzgebung.

„Mitteilung von Positionen“

Auch der Automobilindustrieverband VDA sandte seine Wünsche mit weniger strengen Werten ans Kanzleramt. Die Kanzlerin erhielt zudem einen Brief von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit der Bitte, bei der Neuregelung die Balance zu wahren zwischen Veränderungen bei der Abgasgesetzgebung und der technischen Machbarkeit. Pung-Jakobsen legte Wert auf die Feststellung, dass es nicht um Einflussnahme gehe, sondern um die Mitteilung von Positionen. Merkel soll dem Ausschuss im Frühjahr Rede und Antwort stehen.

Zur Sprache kam auch ein Treffen Merkels mit dem damaligen kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger im April 2010. Die Leiterin der kalifornischen Umweltbehörde CARB, Mary Nichols, hatte damals notiert, dass Merkel die Stickoxidwerte in dem Bundesstaat als zu strikt und als Gefährdung der deutschen Automobilindustrie bezeichnet haben soll. Dazu wollte der Referatsleiter nichts sagen mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit des Gesprächs.

Billen: Idee einer Schlichtungsstelle noch nicht vom Tisch

Zeuge im Ausschuss war auch der Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium, Gerd Billen. Das Ressort hatte im Zusammenhang mit der VW-Affäre einige Vorschläge zur Verbesserung der Stellung der Verbraucher, die jedoch bislang nicht Realität wurden. Das Projekt einer Musterfeststellungsklage war vom Verkehrsministerium zunächst abgelehnt worden. Unlängst hatte sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aber offen gezeigt und erklärt, die Pläne prüfen zu wollen.

Mit Musterklagen könnten Kunden ihre Rechte leichter durchsetzen. Für die Idee einer Schlichtungsstelle für Neuwagen haben laut Billen Verbände keinen Bedarf gesehen. Die Idee sei aber noch nicht vom Tisch. Und der Vorschlag eines Beirates beim Kraftfahrt-Bundesamt sei noch in der Überlegung des Verkehrsministeriums.

Grundsätzlich lehne die Bundesregierung Entschädigungen von betroffenen VW-Kunden nach US-Vorbild ab. Mit Blick auf VW sprach Billen von einem Mangel, der laut Kaufrecht abgestellt werden müsse. Solche Sachmängel müssten von einem Gericht festgestellt werden. „Wer glaubt, einen Schaden zu haben, muss vor ein Gericht gehen“, sagte der Staatssekretär.

Vorwürfe an Regierung im Abgas-Skandal

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wirft der Bundesregierung Untätigkeit und Verharmlosung des Abgas-Skandals vor. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch bezeichnete das Verhalten der Regierung im Untersuchungsausschuss des Bundestages als „alarmierend“und sprach von „Nichtstun“ sowie einer „Wegschau-Mentalität“. Es gehe um millionenhaften Betrug an Dieselfahrern, Hunderttausende Erkrankungen und jährlich 10.600 Tote in Deutschland durch giftige Stickoxide.

Aus Sicht von Resch hat die Politik seit Langem wissen können, dass Autohersteller illegale Einrichtungen verwenden, um die Abgasreinigung zu reduzieren. Seit 2007 habe die Umwelthilfe dies immer wieder thematisiert auf Pressekonferenzen sowie in regelmäßigen Gesprächen mit Politikern. So will die DUH auch mit dem ehemaligen Umweltminister und heutigem Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und der aktuellen Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) darüber gesprochen haben.

Letztlich habe man dort auf die Zuständigkeit des Verkehrsministeriums verwiesen, obwohl das Umweltressort für die Luftreinhaltung verantwortlich sei. Das Bundeswirtschaftsministerium habe sich in Gesprächen immer klar als Interessenvertreter der deutschen Wirtschaft gesehen. Vom Verkehrsministerium sieht sich die DUH ausgebremst. Seit 15 Monaten seien alle Versuche für Treffen mit der Spitze des Ministeriums gescheitert. Resch sprach von einem „Bann“ gegenüber seinem Verband.

DUH: Hersteller nutzen illegale Abschalteinrichtungen

Resch präsentierte den Abgeordneten eine Unmenge an Zahlen, auch aus vielen eigenen Tests, um Grenzwertüberschreitungen von Diesel-Fahrzeugen um ein Vielfaches zu belegen. Für die DUH ist klar, dass Hersteller illegale Abschalteinrichtungen benutzen, damit ihre Autos auf dem Prüfstand die Werte einhalten. Den Beweis könne er nicht erbringen, räumte Resch ein. Den habe es aber auch in den USA nicht gegeben. Dort habe VW den Verstoß eingeräumt.

Mit der Haltung, das illegale Verhalten der Hersteller sei belegt, findet die Umwelthilfe kaum Unterstützer. Bis Herbst 2015 habe man „keinen wirklichen Nachhall gehabt“, beklagte Resch. Die Bundesregierung habe die Nutzung solcher Einrichtungen vor dem VW-Skandal für eine legale Auslegung der EU-Vorschriften gehalten. Dies sahen auch Prüforganisationen und der ADAC so.

Vertreter von Union und SPD im Ausschuss stellten in der mehr als fünfstündigen Vernehmung von Resch immer wieder kritische Nachfragen. Die CDU/CSU zweifelte an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der die von der Bundesregierung geforderte Belegführung mit einer Toten mit fünf Einschüssen verglich, bei der Polizei sich weigere zu ermitteln, wenn nicht erwiesen sei, dass es sich nicht um Selbstmord handele. Die SPD stellte die von der DUH genutzten Messverfahren in Frage.

Strafanzeige gegen Opel und seinen Vorstandschef

Der Verband vertritt seine Haltung aggressiv, mehrfach sprach Resch davon, das Thema immer wieder „skandalisiert“ zu haben. Oft beschreitet die DUH den Klageweg. Resch sprach von zehn bis 15 Rechtsverfahren, in denen es um Auskunftsersuchen bis hin zum Entzug von Typzulassungen gehe. Hinzu kommen 15 Klagen gegen Länder und Städte wegen zu hoher Stickoxidwerte.

Die Umwelthilfe hatte wegen der hohen Stickoxidwerte in Innenstädten im September vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ein Urteil erwirkt, wonach die Kommune schnellstmöglich, spätestens 2018, Fahrverbote für Dieselautos verhängen soll. Die nordrhein-westfälische Landesregierung legte Revision ein, stimmte aber einer Sprungrevision zu, so dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sich damit befassen wird. Ein Urteil könnte noch 2017 fallen.

Gegen Opel und seinen Vorstandschef hat die DUH Strafanzeige gestellt, es laufen derzeit Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main.

Kritik an der Arbeit des Verkehrsministeriums

Scharfe Kritik äußerte Resch an der Arbeit der von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach Bekanntwerden des VW-Skandals eingesetzten Untersuchungskommission. Der im April vorgestellte Bericht sei lückenhaft. Die DUH klagt auch hier auf Herausgabe weiterer Daten der Untersuchungen von 53 Dieselmodellen.

Das Verkehrsministerium betont jedoch, die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen. Dass das Ministerium mehrere Hersteller zu freiwilligen Rückrufen bewegte, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgasdrosselung in bestimmten Temperaturbereichen bestanden, bezeichnete Resch als „beweisfähig“. (stu/02.12.2016)

Liste der geladenen Zeugen

  • Gerd Billen
  • Julia Vinnai
  • Dirk Pung-Jakobsen
  • Jürgen Resch
  • Karl-Heinz Zierock

 

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