Deutschland wird sich weiterhin an der Ausbildung von Polizei- und Armeekräften in Afghanistan beteiligen. In namentlicher Abstimmung votierten am Donnerstag, 15. Dezember 2016, 467 Abgeordnete für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (18/10347), 101 stimmten dagegen, es gab neun Enthaltungen. Damit können bis zu 980 Bundeswehrsoldaten für ein weiteres Jahr im Rahmen der Nato-Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission „Resolute Support“ nach Afghanistan entsendet werden. Das Mandat ist bis zum 31. Dezember 2017 befristet. Die einsatzbedingten Zusatzaufgaben werden auf rund 269 Millionen Euro beziffert.
SPD: Afghanistan ist kein sicheres Land
Niels Annen (SPD) zog in der Debatte 15 Jahre nach der ersten Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg Bilanz: Eine Vielzahl der damaligen Erwartungen hätten sich nicht realisieren lassen, immer noch prägten Gewalt, Korruption und in Teilen des Landes Hoffnungslosigkeit den Alltag. Es seien aber auch wichtige Fortschritte zu verzeichnen – im Kampf gegen Armut, Analphabetismus und fehlende medizinische Versorgung.
Mit Blick auf die „aufgeregte Diskussion“ um die Abschiebung von Afghanen aus Deutschland sagte Annen: „Afghanistan ist kein sicheres Land.“ Gleichwohl sei es im Grundsatz richtig, dass es Abschiebung gebe, wenn der Rechtsweg, also die Prüfung des Einzelfalls durch die Gerichte, ausgeschöpft sei.
Linke: Mühlstein der deutschen Außenpolitik
Wolfgang Gehrcke (Die Linke) warf der Bundesregierung „Dreistigkeit“ vor: Sie beantrage die Verlängerung des Mandats mit der Begründung, dass die Sicherheit in Afghanistan noch immer nicht gewährleistet sei. „Und gleichzeitig schieben Sie Flüchtlinge zurück mit der Begründung, dass Afghanistan ein sicheres Herkunftsland ist. Das versteht niemand mehr.“
Gehrcke blickte zudem zurück auf 15 Jahre „deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan“, für die Union, SPD, Grüne und FDP stets gestritten hätten und für die sie immer schlechtere Argumente gehabt hätten. „Das war der Mühlstein der deutschen Außenpolitik“, sagte Gehrcke. „Sie sollten sich von diesem Weg, von dieser Katastrophe lösen.“
CDU/CSU: Schleichende Fortschritte bei einer Herkulesaufgabe
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) nannte die Situation in Afghanistan „vielschichtig“, aber klar sei, dass das Land ohne das „Engagement der internationalen Gemeinschaft“ zerfallen wäre. Auch heute noch sei es eine „Herkulesaufgabe“ ein Land mit 80 Prozent Sunniten, knapp 20 Prozent Schiiten und rund 50 verschiedenen Volksgruppen zusammenzuhalten.
Kiesewetter sprach von „schleichende Fortschritten“. Die Linksfraktion fokussiere stets nur auf das Militärische, dabei seien „Resolute Support“ und die Entwicklungszusammenarbeit wichtige Bausteine zur Stärkung staatlicher Institutionen. Es gehe darum, mit der „wärmenden Hand des Staates“ das Vertrauen der Afghaninnen und Afghanen zu gewinnen – etwa auf den Feldern der Energie-, Wasser- und Gesundheitsversorgung. „Es geht eben nicht nur um einen Militäreinsatz, sondern um eine sinnvolle Begleitung des Wiederaufbaus.“
Grüne warnen vor neuen „Signalen des Zerfalls“
Omid Nouripour stritte Erfolge nicht ab, warnte aber vor neuen „Signalen des Zerfalls“ bis an die Spitze des Staates. Das liege auch daran, dass Präsident Aschraf Ghani und Regierungschef Abdullah nicht zusammenarbeiten und eine „Tribalisierung“ der Politik betreiben würden.
Heftig kritisierte Nouripour Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): Dieser habe in Kabul die Frage weiterer Entwicklungszusammenarbeit an ein Rücknahmeabkommen geknüpft. „Ein Tabubruch und das falscheste Signal, das man in dieser fragilen Situation senden kann.“
Ein falsches Signal sei zudem die Rückführung von afghanischen Flüchtlingen. In Masar-e Scharif, das die Bundesregierung offenbar zum sicheren Teil des Landes zähle, bleibe das deutsche Generalkonsulat geschlossen, weil die afghanischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage seien, für Schutz zu sorgen. „Wie kommen Sie dann auf die Idee, Sie könnten die Zivilbevölkerung schützen?“ fragte Nouripour.
Der Bundestag stimmte auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/10638 neu) ab. Außerdem gibt es gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung einen Bericht des Haushaltsausschusses (18/10657) zum Antrag der Bundesregierung. (ahe/15.12.2016)