Agrarminister Schmidt: Lebensmittelsicherheit so gut wie nie zuvor
Der Bundestag hat am Freitag, 16. Dezember 2016, den von der Bundesregierung vorgelegten Ernährungspolitischen Bericht 2016 (18/8650) in erster Lesung beraten. Erstmals gebe es einen solchen Bericht, sagte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Die Debatte darüber “zur Kernzeit„ zeige, welche große Bedeutung dieses Politikfeld habe. Schmidt sah sich im Verlauf der Diskussion Kritik der Oppositionsfraktionen, aber auch aus Reihen der SPD-Fraktion gegenüber.
“Freiwilligkeit statt gesetzliche Regelungen„
Der Minister setze beim Kampf gegen schadstoffbelastete Lebensmittel “nach wie vor auf Freiwilligkeit und guten Willen„ statt auf klare, verbindliche gesetzliche Regelungen zu treffen, kritisierte Karin Binder (Die Linke). Dem hielt Katharina Landgraf (CDU/CSU) entgegen, das Ziel, dass sich die Menschen gesund und ausgewogen ernähren, erreiche man nicht mit Verboten und Maßregelungen.
Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf den im Bericht Schmidts erwähnten Gesetzentwurf zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzes aus dem Jahr 2015 ein, der allerdings noch immer nicht im Kabinett verabschiedet worden sei. Elvira Drobinski-Weiss (SPD) bemängelte, dass die konkreten nächsten Schritte der Nationalen Reduktionsstrategie noch nicht vorlägen, obwohl dies bis Ende 2016 geplant gewesen sei.
Minister: Was draufsteht, muss auch drin sein
In Sachen gesunder Ernährung sei keine Verbotspolitik gefragt, sagte Ernährungsminister Schmidt zu Beginn der Debatte. Die Ernährung sei ein Bereich, wo der Einzelne es sich verbitte, dass der Staat ihm “bis auf den Teller vorschreibt, was ich zu essen und zu tun habe„. Außerdem sei festzustellen: “Die Lebensmittelsicherheit ist so gut und so hoch wie nie zuvor.„
Der Respekt für die Entscheidung des Einzelnen, so der Minister weiter, müsse aber damit verbunden werden, dass der Einzelne auch ein Rüstzeug erhalte, “eigene qualitative Entscheidungen zu treffen„. Schmidt sprach sich für eine klare Kennzeichnung von Lebensmitteln aus. “Was draufsteht, muss auch drin sein„, forderte er. Daher sei es gut, dass seit dieser Woche eine verständliche Nährwerttabelle bei allen verpackten Lebensmitteln Pflicht sei.
Linke: Nährwerttabellen farblich unterlegen
Kennzeichnung sei sehr wichtig, bestätigte auch Karin Binder. “Aber warum wehren Sie sich nach wie vor gegen die Ampelkennzeichnung?„, fragte die Linke-Abgeordnete den Minister. Die von Schmidt gelobten “verständlichen„ Nährwerttabellen “in 0,2 Millimeter-Größe„ könnten viele nicht lesen. Eine farbliche Unterlegung wäre die einfachste Lösung, befand sie.
Binder ging auch auf den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag (18/10633), den der Bundestag bei Enthaltung der Opposition annahm. Darin werden klare und verlässliche Rahmenbedingungen für vegane und vegetarische Lebensmittel gefordert. Vieles sei darin richtig, so Karin Binder.
Allerdings gebe es ein nicht akzeptables Hintertürchen, wenn darin zu lesen sei, dass “Lebensmittelhersteller, die von der in den Leitsätzen der deutschen Lebensmittelbuchkommission beschriebenen Qualität abweichen, diese Abweichung auf ihren Produkten deutlich machen müssen„. Aus Sicht Binders muss ein Produkt vegan oder vegetarisch sein “oder eben nicht„.
SPD: Verbraucher benötigen eine sichere Kennzeichnung
Gute Ernährungs- und Verbraucherpolitik sorge dafür, “dass Alle informierte Einkaufsentscheidungen treffen können„, sagte Elvira Drobinski-Weiss. Unabdingbar dafür sei eine klare Kennzeichnung. Im Falle der veganen und vegetarischen Produkte fordere die Koalition eine EU-weite verbindliche Definition für die Begriffe vegan und vegetarisch. “Alle Verbraucher benötigen eine sichere Kennzeichnung – egal ob bei Gummibärchen, Gemüsebällchen oder Sojaschnitzel„, sagte die SPD-Abgeordnete.
Drobinski-Weiss forderte zugleich den Ernährungsminister zu verstärktem Handeln auf. So müsse unbedingt bis Anfang des kommenden Jahres die von ihm angekündigte “umfassende Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 um die Hälfte„ vorgelegt werden. Auch die nächsten Schritte der Nationalen Reduktionsstrategie zur Reduzierung von Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln könne der Minister nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag hinausschieben, sagte Drobinski-Weiss.
Grüne: Warten auf eine sichere Rechtsgrundlage
Nicole Maisch kritisierte, die Bundesländer würden seit Jahren auf eine sichere Rechtsgrundlage warten, die es ihren Behörden ermögliche, erhebliche Hygienemängel zu veröffentlichen. Der von Minister Schmidt dazu angekündigte und in dem vorgelegten Bericht auch erwähnte Gesetzentwurf zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzes liege dem Bundestag aber noch immer nicht vor. Ohnehin sei der Bericht ein Scheinriese, sagte die Grünen-Abgeordnete. “Je näher man ihm kommt, desto kleiner und mickriger wird er.„
Beleg dafür sei auch die Aufklärungskampagne zu Energydrinks, die im Bericht gelobt werde. “Die entsprechende Website ist aber seit Anfang August offline„, sagte Maisch. Positiv bewertete sie, dass künftig etwas für die Transparenz bei veganen und vegetarischen Produkten gemacht werden soll. “Ich würde jetzt aber spontan nicht darauf wetten, dass der Minister es umsetzt„, fügte sie hinzu.
CDU/CSU: Eigene Ernährung praktisch sehen
Freude am Kochen und am gemeinsamen Essen sei wichtig für eine gesunde und ausgewogene Ernährung, sagte Katharina Landgraf.
Zwar brauche man auch Wissen, um zu erkennen, wo versteckte Salz-, Fett- und Zuckerfallen lauern. “Viel wichtiger ist es aber, die eigene Ernährung ganz praktisch zu sehen und einfach loszulegen„, sagte die Unionsabgeordnete.
Ernährungspolitischer Bericht
Der Ernährungspolitische Bericht 2016 legt die bundespolitischen Grundlagen, Ziele und Maßnahmen in den Bereichen Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz für den Zeitraum 2013 bis 2017 fest. Er wird im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft weiterberaten.
Der Bericht befasst sich mit den Themen Ernährungssicherung der Menschen in Deutschland, Europa und in der Welt, Lebensmittelsicherheit, Schutz vor Irreführung der Verbraucher, Nachhaltigkeit im Konsum, Ernährungsbildung und -information sowie Ernährungsprävention zur Förderung eines gesunden und ausgewogenen Lebensstils.
Antrag der Linken
Ebenfalls in erster Lesung beraten und an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen wurden zudem zwei Anträge der Opposition zu verschiedenen Aspekten der Lebensmittelwirtschaft.
Für eine “demokratische Informationskultur„ setzt sich die Fraktion Die Linke ein. In einem Antrag (18/4214) fordern die Abgeordneten die Bundesregierung dazu auf, eine sichere Rechtsgrundlage für die bundesweit einheitliche Einführung des “Hygiene-Smileys“ oder eines vergleichbaren Symbols zur Kennzeichnung von Kontrollergebnissen der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den Betrieben zu schaffen. Durch die grafische Darstellung eines mehr oder weniger freundlichen Gesichtsausdrucks sollen Verbraucher auf einen Blick und nachvollziehbar über die Hygienebedingungen in einem Lebensmittelbetrieb informiert werden.
Antrag der Grünen
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert einen gesetzlichen Informationsanspruch der Verbraucher gegenüber Unternehmen mit Blick auf Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und beworbener Eigenschaften von Lebensmitteln. In einem Antrag zur Rechtssicherheit und Transparenz bei Lebensmittelkontrollen (18/9558) wird die Bundesregierung aufgefordert, eine unmissverständliche und verbraucherfreundliche Unterrichtung der Öffentlichkeit durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) zu ermöglichen.
Darüber hinaus wird eine sichere Rechtsgrundlage für eine bundeseinheitliche Hygienekennzeichnung für Gaststätten und Lebensmittel verarbeitende Betriebe in Form eines Hygienebarometers oder Smileys verlangt. Amtliche Kontrollergebnisse der Behörden sollen zudem im Internet der Öffentlichkeit zu Verfügung gestellt werden.
Antrag zu vegetarischen und veganen Produkten abgelehnt
Gegen die Stimmen der Opposition lehnte der Bundestag einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/9057) ab, mehr Transparenz bei vegetarischen und veganen Produkten zu schaffen. Zu der Vorlage hat der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft eine Beschlussempfehlung (18/9880) vorgelegt. Nach Meinung der Grünen-Abgeordneten sollte in Zukunft etwa erkennbar sein, „wenn Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs in Lebensmitteln enthalten sind oder bei deren Herstellung eingesetzt wurden“.
Außerdem sollten Werbung und Produktaufmachungen unterbunden werden, die kleinbäuerliche und artgerechte Tierhaltung vorgaukeln, obwohl die beworbenen Produkte aus der Massentierhaltung stammen. Darüber hinaus sollte sich Deutschland auf EU-Ebene für mehr Klarheit und Verlässlichkeit bei der Kennzeichnung veganer und vegetarischer Produkte einsetzen. (hau/nal/16.12.2016)