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5. Untersuchungsausschuss

Gabriel: Regierung war Treiber bei den neuen EU-Abgaswerten

Autoabgase an einem Auspuff

Der Abgas-Untersuchungsausschuss setzte seine Zeugenvernehmungen fort. (dpa)

Die Bundesregierung war nach Darstellung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Treiber und nicht Bremser bei der Festlegung neuer europäischer Abgasgrenzwerte. Nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals bei Volkswagen Mitte September 2015 sei er für eine möglichst schnelle Verabschiedung der Grenzwerte für das für Herbst 2017 geplante Testverfahren auf der Straße gewesen, sagte Gabriel am Donnerstag, 15. Dezember 2016, im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die Werte sollten „ehrgeizig, real und umsetzbar“ sein.

„Kein Nachgeben im Sinne der Autoindustrie“

Die europäischen Staaten hatten sich Ende Oktober 2015 auf neue Grenzwerte für die Straßentests (RDE/Real Driving Emissions) verständigt. Dreh- und Angelpunkt waren die sogenannten Konformitätsfaktoren, die besagen, um wie viel der Labor-Grenzwert auf der Straße überschritten werden darf. Die drei Ressorts Wirtschaft, Umwelt und Verkehr einigten sich auf einen Faktor von 1,95 für die erste Stufe. Am Ende stand in Brüssel ein Faktor von 2,1.

Gabriel wertete dies dennoch als Erfolg, weil insbesondere Italien, Tschechien und andere osteuropäische Länder deutlich höhere Werte durchsetzen wollten. Laut Gabriel einigten sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident François Hollande auf 2,1, vor allem, um den italienischen Vorschlag abzuwehren. Der europäische Automobilverband ACEA wollte einen Faktor von über 3,0. „Ein Nachgeben im Sinne der Autoindustrie hat es somit nicht gegeben“, betonte Gabriel.

„Vertrauen in VW war infrage gestellt“

Der Wirtschaftsminister bestritt, vor dem Auffliegen des VW-Skandals etwas von illegalen Abschalteinrichtungen gehört zu haben, mittels derer die Werte auf dem Prüfstand manipuliert werden können. Er habe die Meldungen als alarmierend befunden und bei einem Unternehmen mit der Reputation von VW nicht für möglich gehalten. Gabriel sprach von einer „Zäsur“. Das Vertrauen in VW sei infrage gestellt gewesen, aber auch der Ruf der deutschen Autoindustrie und der Marke „Made in Germany“.

Er habe von VW eine rasche und lückenlose Aufklärung gefordert. Die hauptsächliche Ressortzuständigkeit beim Verkehrsministerium stellte Gabriel nicht infrage. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte im September 2015 eine Untersuchungskommission eingerichtet, an der andere Ressorts nicht beteiligt waren. Details der Ergebnisse erfuhr das Wirtschaftsministerium erst mit der Veröffentlichung im April 2016. Gabriel hat nach eigener Aussage keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bericht geschönt oder gekürzt wurde.

Gabriel stellt sich hinter die Dieseltechnologie

Gabriel war in einer Doppelrolle als Wirtschaftsminister und ehemaliger Umweltminister Zeuge im Untersuchungsausschuss. In letzterer Funktion initiierte sein Haus Felduntersuchungen, um das Auseinanderklaffen der Emissionen im Labor und auf der Straße unter die Lupe zu nehmen. Im Konzept sei als Option enthalten gewesen, einem möglichen Verdacht auf Abschalteinrichtungen nachzugehen. Warum das nicht getestet worden sei, wisse er nicht. Die Feldüberwachungen lagen nach Gabriels Amtszeit als Umweltminister.

Gabriel stellte sich generell hinter die Dieseltechnologie. Man sei nicht klug beraten, eine Weiterentwicklung des Diesels nicht für möglich zu halten und dessen Beitrag zum Klimaschutz zu unterschätzen. Der Minister wandte sich dagegen, Daten für ein Ende von Verbrennungsmotoren zu nennen, wie es der Bundesrat getan hat. Gleichwohl müsse die Elektromobilität vorangebracht werden. Es werde der Tag kommen, an dem die chinesische Regierung Städte für Verbrennungsmotoren sperre.

Altmaier: Kenntnis erlangt durch Botschaftsbericht

Nach Gabriel war Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) im Ausschuss geladen. Auch Altmaier hat von illegalen Abschalteinrichtungen erst durch einen Botschaftsbericht aus Washington zum Fall VW am 18./19. September 2015 erfahren, wie er aussagte.

Mit dem Auseinanderfallen der Emissionen im Labor und auf der Straße war Altmaier nach eigener Aussage in seiner Zeit als Umweltminister nur einmal befasst. Bei seinem Amtsantritt bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) habe Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch darauf hingewiesen. Resch habe dazu aber keine Unterlagen oder Beweise geliefert. Auch habe die DUH das Thema in der Folge seiner Ministerzeit nicht mehr angesprochen.

„Deutsche Zusagen zum Klimaschutz nicht gefährdet“

Die deutschen Zusagen zum Klimaschutz sind nach Überzeugung von Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) auch bei einem sinkenden Anteil von Dieselfahrzeugen am Fahrzeugbestand nicht gefährdet. Das sei aber Meinung ihres Hauses, schränkte Hendricks als Zeugin im Ausschuss ein. Dieselmotoren sind gegenüber Benzinern beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid im Vorteil, haben aber das Problem hoher Emissionen von Stickoxiden, die zu Atemwegserkrankungen führen können.

Zuvor hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärt, man dürfe den Beitrag der Dieseltechnologie zum Klimaschutz nicht unterschätzen. Der Dieselanteil unter den 45 Millionen Pkw lag Anfang 2016 bei 32,2 Prozent. Bei den Neuzulassungen ist er höher. 2015 betrug er laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes 48 Prozent und im November dieses Jahres 44,9 Prozent.

„Missbräuchliche Nutzung von Abschalteinrichtungen“

Wie zuvor Gabriel und Kanzleramtschef Peter Altmaier hatte auch Hendricks vor dem Bekanntwerden des VW-Skandals keine Kenntnis von illegalen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung. Laut EU-Verordnung ist eine solche Software verboten, allerdings als Ausnahme etwa zum Motorschutz erlaubt.

Die vom Verkehrsministerium eingesetzte Untersuchungskommission fand heraus, dass einige Hersteller bereits bei normalen Temperaturen von unter zehn Grad Celsius die Abgasnachbehandlung abriegeln. In einem Fall erfolgte dies schon bei 17 Grad. „Das halte ich für eine missbräuchliche Nutzung von Abschalteinrichtungen für den Motorschutz“, sagte Hendricks. Justiziabel sei dies aber nicht. Die Ministerin sprach sich dafür aus, in die Verordnung den Terminus „Stand der Technik“ als einklagbaren Sachverhalt einzubauen.

„Umweltministerium war nicht eingebunden“ 

In die Arbeit der Kommission war das Umweltministerium wie auch das Wirtschaftsressort nicht eingebunden, obwohl Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth den Wunsch geäußert hatte. Auch das Umweltbundesamt hätte seinen Sachverstand einbringen können, sagte Hendricks. Das Verkehrsministerium habe aber anders entschieden. Auch sei man zwischendurch nicht unterrichtet worden. „Wenn man nicht informiert wird, kann man auch keine Verantwortung übernehmen“, betonte die SPD-Politikerin.

Abgestimmt hatten sich drei Ressorts hingegen für die europäischen Verhandlungen über die Grenzwerte für die ab Herbst 2017 geplanten RDE-Straßentests. Dabei ging es im Kern darum, um wieviel der Labor-Grenzwert auf der Straße überschritten werden darf. Das Umweltministerium unterstützte zunächst den strengen Vorschlag der EU-Kommission eines Faktors von 1,6 in der ersten Stufe und 1,2 zwei Jahre später. Die drei Ministerien verständigten sich auf 1,95, schließlich einigte man sich in der EU Ende Oktober 2015 auf die Werte 2,1 und 1,5. Das halte sie für verantwortbar, sagte Hendricks. „Das Ergebnis ist deutlich besser als alles, was wir bis jetzt haben“, betonte sie.

Zweifel über die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung

Am Abend befragte der Ausschuss noch Stephan Redmann, einen Referenten aus dem Verkehrsministerium, der auch Mitglied der Untersuchungskommission war. Redmann berichtete, dass bei einigen Modellen abseits von VW Zweifel bestanden, ob eine Abschalteinrichtung zulässig war oder nicht. Diese Hersteller waren zu freiwilligen Rückrufen bewegt worden. Betroffen waren rund 630.000 Autos.

Redmann verteidigte das Vorgehen, dass mit den Unternehmen vor der Veröffentlichung des Berichts gesprochen wurde, um Missverständnisse auszuräumen. Auf die Schlussfolgerungen der Kommission habe dies keinen Einfluss gehabt. Die öffentliche Befragung des Beamten wurde mehrfach wegen Unstimmigkeiten über Verfahrensfragen im Ausschuss unterbrochen. (stu/16.12.2016)

Liste der geladenen Zeugen

  • Sigmar Gabriel, Bundesminister
  • Peter Altmaier, Bundesminister
  • Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin
  • Stephan Redmann
  • Torsten Meier
  • Dirk Bremer

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