Schwesig: Ohne Engagement kein gesellschaftliches Leben
Immer mehr Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich – oder sind bereit, bürgerschaftlich aktiv zu werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Zweite Engagementbericht, den das Bundeskabinett nun verabschiedet hat. „Wir haben in den letzten Monaten viel über die gesellschaftlichen Herausforderungen diskutiert, die unter anderem durch Zuwanderung oder den demografischen Wandel entstehen. Der Bericht macht wiederum deutlich, wie stark die Kräfte sind, die unser Land zusammenhalten und stärken“, sagte Manuela Schwesig (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, am Mittwoch, 29. März 2017, bei der Vorstellung des Berichts im Rahmen der Regierungsbefragung des Bundestages.
44 Prozent der Menschen ehrenamtlich aktiv
So engagierten sich – je nach Definition des Begriffes – bereits 44 Prozent der Menschen in Deutschland ehrenamtlich. Zehn Prozent mehr als noch vor fünfzehn Jahren. Zudem seien laut Bericht 50 Prozent derjenigen, die sich noch nicht engagieren, prinzipiell dazu bereit.
Eine weitere zentrale Erkenntnis aus dem Bericht, für den sich eine Sachverständigenkommission angesichts des demografischen Wandels schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen des bürgerschaftlichen Engagements auf die lokale Entwicklung beschäftigt hat: 80 Prozent des Engagements findet auf lokaler Ebene statt. „Ohne dieses bürgerschaftliche Engagement gäbe es kein gesellschaftliches Leben in den Dörfern und Städte“, betonte Schwesig.
Verlässliche Förderung für Menschen im Ehrenamt
Der Bericht zeige aber auch, dass Engagement in seinen vielfältigen Formen in der Gesellschaft unterschiedlich verankert sei. „Die Rahmenbedingungen dafür sind in der Stadt andere als in ländlichen Regionen“, stellte die Ministerin fest. Insofern liefere die neueste Bestandsaufnahme zur Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements auch „wertvolle Informationen“ über Strukturveränderungen. Der demografische Wandel wirke sich in Städten anders aus als auf dem Land. Die Bundesregierung sehe sich in ihrer Politik „gestärkt“, sagte Schwesig, den „eingeschlagene Weg weiter zu gehen“. Ziel sei es in erster Linie, Menschen im Ehrenamt zu stärken, etwa durch die Unterstützung von Initiativen und Verbänden.
Konkret verwies die Ministerin auf die Bundesprogramme „Mehrgenerationenhaus“ und „Demokratie leben!“, mit denen die Bundesregierung generationenübergreifendes Wohnen sowie zivilgesellschaftliche Initiativen fördert. „Wir wollen weg von der “Projektitis„, bekräftigte Schwesig. Die Bundesregierung wolle “verlässliche Strukturförderung„ statt “schneller, punktueller Unterstützung„.
Opposition kritisiert späte Verabschiedung des Berichts
Dr. Rosemarie Hein, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, erinnerte daran, dass der Bundestag 2009 die Bundesregierung beauftragt habe, einmal pro Legislaturperiode einen Engagementbericht vorzulegen. Der aktuelle Bericht käme spät. “Die Legislaturperiode ist fast zu Ende„, monierte Hein. “Der Bericht der Sachverständigenkommission liegt doch bereits seit August letzten Jahres vor. Warum hat die Bundesregierung ihre Stellungnahme dazu erst jetzt beschlossen?„, wollte die Abgeordnete wissen.
Manuela Schwesig verwies darauf, dass der gleichzeitig beauftragte Siebte Altenbericht, mit einem teils ähnlichen thematischen Schwerpunkt verspätet fertiggestellt geworden sei. “Wir wollten aber die Ergebnisse dieses Berichtes abwarten, bevor wir die Stellungnahme herausgeben.„ Zudem bat die Ministerin um Verständnis: Die eingehende Prüfung des rund 600 Seiten starken Engagementberichts habe eben auch entsprechend Zeit benötigt.
Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission
Auch Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement von Bündnis 90/Die Grünen äußerte ebenfalls ihr Missfallen darüber, wie spät es das Thema Engagement “ins Plenum geschafft„ habe. Erst auf mehrmaliges Nachfragen des Unterausschusses für Bürgerschaftliches Engagement hin könne der Bericht nun im Bundestag debattiert werden. “Wir haben in der Wahlperiode aber nur noch sechs Monate Zeit. Welche konkreten Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission werden Sie aufgreifen, um zu Potte zu kommen?„, hakte die Abgeordnete nach.
Schwesig verwies noch einmal auf die bereits erwähnten Bundesprogramme zur Förderung des Ehrenamts und betonte: “Die Bundesregierung hat nicht erst die Ergebnisse des Berichts abgewartet, um aktiv zu werden. Das wäre fahrlässig gewesen.„
Menschen und Strukturen für Engagement vor Ort unterstützen
Willi Brase (SPD), Mitglied im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement, griff eine der zentralen Ergebnisse der Untersuchung auf und fragte: “Der Bericht betont die lokale Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements. Was können wir denn tun, um die Infrastruktur noch besser zu fördern?„
Der Bericht zeige, antwortete Schwesig, dass das Ehrenamt “je nach Voraussetzung„ wirke. Das bedeute, dass die Politik lokal ansetzen und Engagement vor Ort fördern müsse. Allerdings unterstrich die Ministerin, gebe es nicht den einen richtigen Ansatz. Mit ihren Programmen verfolge die Bundesregierung deswegen mehrere Ansätze – mal stünde die Förderung von Strukturen in Dörfern und Städten in ländlichen Regionen im Fokus, mal die Förderung von Strukturen in Großstädten. Ein weiteres Programm setze auf die Förderung von Menschen.
Ehrenamt und Vergütungsansprüche zu trennen
Ingrid Pahlmann (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wollte von der Ministerin wissen, ob der Zweite Engagementbericht auch Hinweise gebe, wie man die “Anerkennungskultur„ stärken und das Engagement der Menschen noch besser wertschätzen könne.
Schwesig unterstrich in ihrer Antwort den Zusammenhang von Strukturen und Ehrenamt: “Da, wo Menschen gute Teilhabechancen haben, ist auch das bürgerschaftliche Engagement ausgeprägter.„ Zudem habe die Sachverständigenkommission in ihrem Bericht betont, dass die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements ein wichtiger Faktor sei. Die Kommission empfehle deshalb, Ehrenamt und Vergütung zu trennen. “Wir sind hier aber in einem Spannungsverhältnis„, räumte Schwesig mit Blick auf die Diskussion um die Übungsleiterpauschale ein.
Keine Förderung für “dunkles Engagement„
Petra Crone (SPD), Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, fragte, welche Aussagen der Bericht hinsichtlich des “dunklen Engagements„ mache, also zu Initiativen, die sich gegen die demokratische Gesellschaft richten.
“Hier spricht die Kommission eine klare Sprache„, betonte Schwesig. “Die Politik muss sicherstellen, dass Engagement, das sich gegen das Miteinander richtet, keinerlei staatliche Förderung erhält.„ (sas/29.03.2017)