Parlament

OSZE-PV be­fasst sich mit ge­schlech­ter­spe­zi­fi­scher Ge­walt und Gleich­stel­lung

Wie lassen sich Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter und der besseren Einbindung von Frauen erzielen, und wie kann geschlechterspezifische Gewalt wirksam bekämpft werden? In der zweiten Plenarsitzung der 27. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung (PV) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Dienstag, 10. Juli 2018, unter Leitung des Präsidenten George Tsereteli aus Georgien stellte die Sonderbeauftragte der OSZE für Gender-Fragen, Dr. Hedy Fry aus Kanada, den jährlichen Gleichstellungsbericht vor.

„Gesetzgebung gegen geschlechterspezifische Gewalt verbessern“

Hedy Fry legte in ihren Ausführungen zu dem Bericht den Schwerpunkt auf das Thema geschlechterspezifische Gewalt und forderte die OSZE-Mitgliedstaaten auf, ihre Gesetzgebung auf diesem Gebiet zu verbessern und zu systematisieren. „Wir müssen einen Rechtsrahmen schaffen, in dem sich jeder sicher fühlen kann.“ Hashtag-Kampagnen wie „MeToo“ hätten Erschreckendes zutage gefördert und den Boden bereitet für mehr öffentliche Aufmerksamkeit. 

Insbesondere in Konfliktregionen seien Frauen von geschlechterbasierter Gewalt betroffen, und in erster Linie gegen Frauen richte sich dort diese Form der Gewalt. Insgesamt seien aber auch andere Personengruppen, in anderen Kontexten, Opfer sexueller Gewalt: Minderjährige, Männer, religiöse Minderheiten, in der Öffentlichkeit ebenso wie in der Privatsphäre. Die Parlamentarier sollten mit gutem Beispiel vorangehen und ihr professionelles Umfeld an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz, in den nationalen Parlamenten und darüber hinaus für das Problem sensibilisieren.

„Raus aus der Opferrolle“

„Wir als Parlamentarier müssen für diejenigen das Wort ergreifen, die sich nicht äußern können, die keine Stimme, keinen Zugang zu sozialen Medien haben“, warb Fry. Auch die Männer seien dabei einzubeziehen. Es gehe nicht um eine Kampagne „Frauen gegen Männer“, sondern darum, dass alle gleichermaßen teilhaben können. „Wir alle wollen gleichen Zugang haben zum sozialen und wirtschaftlichen Leben.“

Der allzu geringe Anteil von Frauen in vielen Berufsfeldern solle aber nicht nur angeprangert werden. Es müsse vielmehr hervorgehoben werden, was für ein Gewinn die angemessene Beteiligung von Frauen bedeute, egal in welchem Berufsfeld. „Wir Frauen wollen raus aus der Opferrolle, wir wollen Teil der Lösung sein“, sagte Fry. Die Gesellschaften und Volkswirtschaften der OSZE-Länder müssten die Ressourcen aller Bürger mobilisieren, und dazu gehörten noch viel mehr Frauen.

„Politische Parteien gefordert“

Gerade für den Bereich der internationalen Konfliktbeilegung, in friedenserhaltenden Missionen, gelte: Wenn Frauen dabei sind, werden Konflikte meist dauerhaft gelöst, so Fry. Neben den wirtschaftlichen Möglichkeiten sei es auch eine politische Frage, ob man mehr Frauen dazu bewegen könne, sich für das Parlament zur Wahl zu stellen, entgegnete Fry auf  eine Nachfrage aus dem Plenum. Hier seien vor allem die politischen Parteien gefordert, mehr Kandidatinnen ins Rennen zu schicken.

Fry forderte außerdem die Mitgliedsländer außerdem auf, genügend aussagekräftige Daten zu erheben. „Wir Parlamentarier brauchen für unsere Gesetzgebung präzise Daten als Grundlage für die Verbesserung der Gesetzgebung. Und diese Gesetzgebung wird eine Verbesserung für alle bedeuten“, sagte Fry. Die Daten zeigten, welche Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft immer noch bestehen.

„Mehr in Bildung investieren“

Die isländische Delegation wies auf den um einen Paragrafen gegen sexuelle Belästigung erweiterten Verhaltenskodex des isländischen Parlaments hin. Aus der finnischen Delegation kam der Hinweis, wie weitaus schwieriger als im öffentlichen Bereich die Lage der Frauen im privaten Bereich sei. Obwohl sexuelle Gewalt eine der stärksten Verletzungen der Persönlichkeitsrechte darstelle, würden Täter hier kaum zur Rechenschaft gezogen.  Um bei der Gleichstellung voranzukommen, müssten die OSZE-Mitgliedsländer mehr in Bildung investieren. Fehlende Gleichheit sei eine der Hauptursachen für Gewalt gegen Frauen. Außerdem brauche man mehr männliche Fürsprecher des Wandels. 

Dass die Lage für Frauen sich besonders in Krisenregionen verschlechtert, das unterstrich die ukrainische Delegation. Nach einer Aussprache mit mehreren Wortmeldungen und der  Abstimmung über einige Änderungsanträge nahmen die Delegierten den Bericht der Sonderbeauftragten an.

Lob für die Gastgeber

Im zweiten Teil der Sitzung begannen die Abgeordneten mit der Generaldebatte. Die Rednerliste umfasste 47 Wortmeldungen. Zahlreiche Wortmeldungen nahmen Bezug auf den Tagungsort Berlin und den gastgebenden Deutschen Bundestag. Sowohl Berlin als auch das Reichstagsgebäude seien heute ein Symbol der Einheit Europas, nach Jahrzehnten der Teilung und nach der Zeit der Weltkriege.

Die Gastgeber, die deutschen Organisatoren, die deutsche Delegation, insbesondere die SPD-Bundestagsabgeordnete und deutsche Delegationsleiterin Doris Barnett erhielten viel Lob für ihr Engagement, die Gastfreundschaft und die professionelle Durchführung der Jahresversammlung.

Abschließende Plenarsitzung am 11. Juli

Die Generaldebatte wird am Mittwoch, 11. Juli, ab 9 Uhr fortgesetzt. Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.

Zur 27. Jahrestagung der OSZE-PV sind vom 7. bis 11. Juli 2018 etwa 300 Parlamentarier aus Nordamerika, Europa und Asien im Berliner Reichstagsgebäude zusammengekommen. Die Tagung steht unter dem Motto: „Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen: Die Rolle der Parlamente“. Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble hatte als Gastgeber die Plenarsitzung am 8. Juli eröffnet. Bei der Jahrestagung werden auch unter anderem der Präsident und die Vize-Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung gewählt.

Neben drei Plenartagungen umfasste die Jahresversammlung der OSZE-PV jeweils vier Sitzungen des Allgemeinen Ausschusses für politische Angelegenheiten und Sicherheit, des Allgemeinen Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wissenschaft, Technologie und Umwelt und des Allgemeinen Ausschusses für Demokratie, Menschenrechte und humanitäre Fragen.

Berliner Erklärung soll verabschiedet werden

Die Jahrestagung soll mit der Verabschiedung einer Berliner Erklärung zu Ende gehen. Dieses politische Dokument wird Empfehlungen an nationale Regierungen, Parlamente und die internationale Gemeinschaft in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft, Umwelt und Menschenrechte enthalten.

Weitere Informationen und Unterlagen zur Tagung können direkt von der Internetseite der OSZE-PV abgerufen werden (https://www.oscepa.org/). (ll/11.07.2018)


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