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Ausschüsse

Öffentliche Anhörung zu dem Thema „Doppelbesteuerung von Renten“

Eine Hand tippt auf einem Taschenrechner, darunter eine Steuererklärung.

Die Sachverständigen bewerteten drei Anträge zum Thema Rentenbesteuerung. (picture alliance/Hans Wiedl/dpa-Zentralbild/ZB)

Zeit: Mittwoch, 29. Januar 2020, 14 Uhr bis 16.15 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101

Im Zuge der laufenden Umstellung von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Rentenbesteuerung kann es zu Doppelbesteuerungen kommen. Ursprünglich mussten die Rentenbeiträge aus dem bereits versteuerten Einkommen abgeführt werden, während später die Rentenbezüge steuerfrei waren. Die Versteuerung war also vorgelagert. Beamtenpensionen dagegen mussten voll versteuert werden. Dies bewertete das Bundesverfassungsgericht 2002 als unzulässige Ungleichbehandlung. Daraufhin entschied der Gesetzgeber, ab 2005 schrittweise auf eine nachgelagerte Versteuerung umzustellen. Schrittweise bis 2025 sollten immer größere Anteile der Rentenbeiträge von der Steuer absetzbar sein, gleichzeitig immer größere Teile der Rente als steuerpflichtiges Einkommen gelten. Wer ab 2040 in Rente geht, muss dann die gesamte Rente versteuern.

Allerdings schließen diese langen Fristen nicht aus, dass zunehmend Rentner Steuern für Teile ihrer Altersbezüge leisten müssen, für die sie schon als Beitragszahler an den Fiskus gezahlt haben. Die Oppositionsfraktionen Die Linke (19/10282), AfD (19/10629) und Bündnis 90/Die Grünen (19/16494) haben deshalb Anträge eingebracht, um mit verschiedenen Maßnahmen solche Doppelbesteuerungen abzuwenden. Am Mittwoch, 29. Januar 2020, nahmen Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Bettina Stark-Watzinger (FDP) dazu Stellung.

Doppelbesteuerungen bei freiwillig versicherten Selbstständigen

Dabei herrschte Einigkeit, dass Arbeitnehmern, die jetzt in Rente gehen oder schon im Ruhestand sind, noch keine Doppelbesteuerung droht, da die Hälfte ihrer Rentenbeiträge vom Arbeitgeber geleistet wurde und schon immer steuerfrei war. Je näher der Renteneintritt dem Jahr 2040 komme, umso größer werde das Risiko. Schon heute aber kommt es den Experten zufolge bei freiwillig versicherten Selbstständigen zu Doppelbesteuerungen, da es für sie keinen steuerfreien Arbeitgeberbeitrag gab.

Erste Fälle liegen inzwischen beim Bundesfinanzhof. Dessen Vorsitzende Richterin Prof. Dr. Jutta Förster sagte den Abgeordneten, dass es etwa um den Jahreswechsel 2020/2021 zu einer Entscheidung kommen könnte. Angesichts dessen warfen Koalitionsabgeordnete die Frage auf, ob man vor politischen Entscheidungen nicht die juristische Klärung des jetzigen Zustandes abwarten solle. Dem hielt Förster entgegen, wenn in dieser Anhörung der Eindruck entstanden sei, dass es Doppelbesteuerung gibt, dann solle die Politik auch unabhängig von den Gerichten aktiv werden.

„Höchstrichterliche Entscheidungen abwarten“

Dagegen riet der Amberger Rechtsprofessor Dr. Thomas Dommermuth, erste höchstrichterliche Entscheidungen abzuwarten. Denn bisher sei gar nicht geklärt, wann eine Doppelbesteuerung vorliegt. Selbst bei einem Renteneintritt 2040 wird es nach seiner Einschätzung nicht so viele Fälle von Doppelbesteuerung geben wie teilweise befürchtet.

Auch der Passauer Juraprofessor Dr. Rainer Wernsmann verwies auf eine Reihe noch nicht höchstrichterlich geklärter Fragen.

„Beweispflicht überfordert die Steuerpflichtigen“

Die ehemalige Vizepräsidentin des Bundesfinanzhofs Silvia Schuster wies auf ein Problem für Rentner hin, die meinen, einer Doppelbesteuerung zu unterliegen. Denn in solchen Fällen habe der Steuerpflichtige die Feststellungslast, müsse also vor Gericht beweisen, dass er unzulässig besteuert wird.

Dass diese Beweispflicht die Steuerpflichtigen überfordere, berichtete Uwe Rauhöft vom Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine. Es sei unrealistisch, dass sie über einen so langen Zeitraum alle Dokumente vorlegen können. Schon die nachgelagerte Besteuerung als solche überfordere viele Rentner. Das gelte besonders für Hinterbliebene, die plötzlich steuerpflichtig werden und oft schon sehr alt seien.

„Finanzverwaltungen könnten Plausibilitätsprüfungen machen“

Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler berichtete, sein Verein bekomme zur Frage der Doppelbesteuerung laufend Anfragen. Derzeit sehe seine Organisation sie aber nur in wenigen Fällen von Selbstständigen gegeben.

Die Steuerexpertin Gesa Bruno-Latocha von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nannte es „sehr unglücklich, dass man jeden einzelnen Rentner zwingt, vor Gericht zu gehen“, wenn er meint, einer Doppelbesteuerung zu unterliegen. Die Finanzverwaltungen könnten auch von sich aus eine Plausibilitätsprüfung machen, was in den meisten Fällen zu einer Klärung führen würde.

„Rentenversteuerung auf das Jahr 2070 verschieben“

AfD und Die Linke schlagen in ihren Anträgen vor, die volle Rentenversteuerung auf das Jahr 2070 zu verschieben, da dann Doppelbesteuerungen ausgeschlossen seien. Dagegen wandte Dr. Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung ein, dass schon der jetzige Übergangszeitraum sehr lang sei. Die gerade diskutierten Probleme zeigten, dass man „ein Gesetz nicht auf vierzig Jahre im Voraus machen kann“.

Mehrere Sachverständige schlugen vor, schon jetzt und nicht erst 2025 die Rentenbeiträge voll steuerfrei zu stellen. Wenn man dann auch die volle Steuerpflicht für Rentner langsamer einführe, könne in vielen Fällen die Doppelversteuerung vermieden werden, sagte Dr. Tobias Hentze vom Institut der Deutschen Wirtschaft.

Antrag der Linken

Die Linke fordert in ihrem Antrag mit dem Titel „Rentenbesteuerung vereinfachen und Doppelbesteuerung vermeiden“ (19/10282), dass die Bundesregierung steuerpolitische Änderungen vornimmt, um zu verhindern, das auch Rentner mit Altersbezügen unterhalb der Armutsschwelle Steuern bezahlen müssen. So solle sie den steuerlichen Grundfreibetrag auf mindestens 12.600 Euro anheben. Die im Rahmen der sogenannten nachgelagerten Besteuerung abschmelzenden Rentenfreibeträge und Altersentlastungsbeträge sollten weniger stark abgeschmolzen werden, so dass Renten erst ab dem Jahr 2070 voll steuerpflichtig werden. Zudem solle das Rentenniveau schrittweise auf 53 Prozent des Lohnniveaus angehoben werden.

In der Begründung verweist die Fraktion auf Angaben des Bundesfinanzministeriums, wonach Neurentnerinnen und Neurentner auf gesetzliche Renten ab dem zweiten Halbjahr 2018 Einkommensteuer zahlen müssen, wenn sie monatlich mehr als 1.170 Euro brutto Rente beziehen (von der noch Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeitrag bezahlt werden müssen) und keine weiteren Einkünfte haben. Angesichts einer in der EU geltenden Armutsschwelle von 1.096 Euro netto pro Monat würden damit erstmals auch alleinlebende Neurentnerinnen und Neurentner mit einer Rente unterhalb der Armutsschwelle steuerpflichtig, erklärt die Fraktion. Grund sei der Übergang zur sogenannten nachgelagerten Besteuerung. Damit würden schrittweise die während des Arbeitslebens geleisteten Rentenbeiträge steuerfrei gestellt. Im Gegenzug würden aber die im Alter ausgezahlten Renten immer stärker der Besteuerung unterworfen.

Antrag der AfD

Die AfD fordert in ihrem Antrag mit dem Titel „Abschaffung der Renten-Doppelsbesteuerung“ (19/10629) einen Gesetzentwurf von der Bundesregierung, mit dem eine „Zweifachbesteuerung“ von Renten und ähnlichen Leistungen der Altersversorgung vermieden wird. Die AfD schreibt, die gesetzlichen Renten und Basisrenten befänden sich im Übergang zur sogenannten nachgelagerten Besteuerung, die stufenweise eingeführt werde. Bei der nachgelagerten Rentenbesteuerung seien die Rentenversicherungsbeiträge steuerlich abzugsfähig. Andererseits würden die Rentenbezüge voll versteuert. Derzeit werde die Einkommensbesteuerung von der Beitragszahlungsphase in die Rentenzahlungsphase verschoben. Dabei ergebe sich ein Steuerstundungseffekt.

Es gebe Anhaltspunkte dafür, so die Fraktion, dass es zu einer nicht unerheblichen Zweifachbesteuerung komme, sodass auch der Anteil der Renten einer Besteuerung unterwerfen werde, der aus Beiträgen stamme, die bereits versteuert worden seien, heißt es in dem Antrag. Dies entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Im Alterseinkünftegesetz werde von einer zu kurzen Übergangsphase ausgegangen. Die steuerliche Behandlung der Einzahl- und Auszahlphase sei nicht hinreichend abgestimmt. „Legt man für einen Eckrentner eine Beitragszeit von 45 Jahren zugrunde, so dürfte, ausgehend von einer vollen steuerlichen Abzugsfähigkeit der Beiträge ab 2025, eine volle Rentenbesteuerung erst ab einem Rentenbeginn im Jahr 2070 vorgenommen werden. Der Gesetzgeber hat die Übergangsphase jedoch um 30 Jahre verkürzt“, kritisiert die AfD-Fraktion.

Antrag der Grünen

Die Grünen treten in ihrem Antrag mit dem Titel „Besteuerung von Alterseinkünften vereinfachen und an den Bedürfnissen der Rentnerinnen und Rentner ausrichten“ (19/16494) dafür ein, die Betroffenen möglichst früh über die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zu informieren. Die Rentenversicherung solle dazu den Rentenbescheid und die Rentenanpassungsmitteilung nutzen. Hintergrund des Antrags sind die Regelungen zur nachgelagerten Besteuerung der gesetzlichen Rente. Die gesetzgeberische Ausgestaltung sei zwar grundsätzlich richtig gewesen, es bestehe „trotzdem politischer Handlungs- und Nachbesserungsbedarf, weil das Verfahren für die Betroffenen zu aufwändig und intransparent ist und teilweise zu übermäßigen Belastungen führt“, schreiben die Grünen.

Auch die Problematik „der Forderung von mehrjährigen Steuernachzahlungen“ solle die Bundesregierung angehen. Dazu sollen die Finanzämter nach Vorstellung der Grünen schneller als bisher Steuererklärungen anfordern und mögliche Nachzahlungen feststellen. Dafür sei zu prüfen, ob und wie die automatisiert erstellten Datenmeldungen der Zentralen Stelle für Altersvermögen (ZfA) durch die Landesfinanzbehörden automatisiert ausgewertet und Schreiben an die Steuerpflichtigen automatisiert und damit schneller verschickt werden können. Auch solle die Rentenbesteuerung einfacher werden, indem geprüft wird, ob der angestrebte Datenaustausch von Rentenversicherung und Finanzämtern im Rahmen der Grundrente genutzt und so weiterentwickelt werden kann, dass eine Quellenbesteuerung möglich wird. (pst/29.01.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V.
  • Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine e. V.
  • Deutsche Rentenversicherung Bund
  • Prof. Dr. Thomas Dommermuth, Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden
  • Prof. Dr. Jutta Förster, Vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
  • Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.
  • Silvia Schuster, ehemalige Vizepräsidentin des Bundesfinanzhofs
  • Stiftung Marktwirtschaft
  • Prof. Dr. Rainer Wernsmann, Universität Passau

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