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Ausschüsse

Teils heftige Kritik an ge­plan­ten Maß­nah­men gegen Steuervermeidung

Die Sachverständigen bewerteten das Regierungsvorhaben zur Abwehr von Steuervermeidung.

Die Sachverständigen bewerteten das Regierungsvorhaben zur Abwehr von Steuervermeidung. (picture alliance/Klaus Ohlenschläger | Klaus Ohlenschläger)

Zeit: Montag, 17. Mai 2021, 14 Uhr bis 15.30 Uhr
Ort: Berlin

Für Unternehmen soll es schwerer werden, Steuern zu vermeiden, indem sie Geschäfte über sogenannte Steueroasen abwickeln. Dies ist Ziel eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung (19/28901), mit dem sie einem Beschluss auf EU-Ebene nachkommt. Bei einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss unter Leitung von Katja Hessel (FDP) bestand am Montag, 17. Mai 2021, Einigkeit unter den Sachverständigen über dieses Ziel, an den einzelnen Maßnahmen allerdings gab es teils heftige Kritik.

„Nachweispflichten in der Praxis kaum zu erfüllen“

Gleich eine Reihe von Sachverständigen wies darauf hin, dass es auch legitime Geschäfte mit sogenannten Steueroasen gebe, die nichts mit Steuervermeidung zu tun hätten. Dr. Arne Schnitger von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers führte als Beispiele Reise und Touristik sowie Schiff- und Luftfahrt auf. Hier tätige Unternehmen könnten Geschäftsbeziehungen zu Ländern auf der Schwarzen Liste der Europäischen Union, auf die sich der Gesetzentwurf bezieht, nicht ohne Weiteres aufgeben.

Schnitger kritisierte darüber hinaus im Gesetzentwurf vorgesehene Nachweispflichten, die in der Praxis kaum zu erfüllen seien, und forderte Änderungen, um „das Gesetz anwendbar zu machen“.

„Wettbewerbsnachteil für das Exportland Deutschland“

Deutlich kritischer noch äußerten sich acht Wirtschaftsdachverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der EU-Rat habe in seinem Beschluss vier mögliche Maßnahmen gegen Steueroasen genannt, von denen jedes Mitgliedsland eines umsetzen müsse. Die Bundesregierung wolle nun aber alle vier Maßnahmen umsetzen.

Diese „überschießende“ Regulierung stelle für das „Exportland Deutschland“ einen Wettbewerbsnachteil dar, monierte Dr. Monika Wünnemann vom Bundesverband der Deutschen Industrie, die für die acht Verbände an der Anhörung teilnahm. Wenn Deutschland zu sehr vorpresche, könne dies zu Standortverlagerungen führen, warnte sie. Die Wirtschaftsverbände sehen einige der geplanten Regelungen zudem als verfassungswidrige Eingriffe in die unternehmerische Handlungsfreiheit und das Eigentumsrecht.

Kompliment an den Gesetzgeber

Ein „Kompliment an den Gesetzgeber“ machte dagegen Florian Köbler von der Deutschen Steuergewerkschaft. Der Entwurf sei „sehr zielgenau gegen Steuervermeidung“. Dass Deutschland damit in der EU eine „Vorreiterrolle“ habe, bewertete er positiv.

Allerdings befand Köbler die Fristen von bis zu vier Jahren zur Anwendung der Vorschriften für zu lang. Außerdem bedauerte er, dass das Gesetz nur auf die Steueroasen Anwendung finden soll, die in einer „Schwarzen Liste“ der EU aufgeführt sind. „Wir wissen, dass es eine Reihe weiterer Steueroasen gibt“, sagte Köbler, „auch in der EU“.

„Legitime Geschäftstätigkeiten nicht erwürgen“

Auch Prof. Dr. Andreas Musil von der Universität Potsdam nannte es bedauerlich, dass die erfassten Territorien auf der „Schwarzen Liste“ nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Mitgliedstaaten darstellten. Dies sei aber hinzunehmen vor dem Hintergrund, dass der Gesetzentwurf auf einem abgestimmten Verhalten der EU-Mitgliedstaaten beruht, was die Wirksamkeit der Maßnahmen erhöhe.

Auch zur rechtlichen Absicherung innerhalb der EU sei es richtig, sich auf die „Schwarze Liste“ zu beschränken. Dass die einzelnen Maßnahmen stufenweise, mit unterschiedlichen Fristen, greifen sollen, nannte Musil richtig, um legitime Geschäftstätigkeiten „nicht zu erwürgen“.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit„

Prof. Dr. Deborah Schanz von der Ludwig-Maximilians-Universität München nannte es “nicht unproblematisch„, dass der Regierungsentwurf “weit über die von der EU aufgestellten Mindestanforderungen„ hinausgehe. Das Verbot, in den aufgeführten Ländern getätigte Betriebsausgaben und Werbungskosten steuerlich abzuziehen, “kommt einem Geschäftsverbot gleich„, monierte Schanz. Sie glaube, dass dies nicht verfassungsgemäß ist.

Im Übrigen sei Zeitpunkt der Gesetzgebung ungünstig, da der Staatenverbund OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) kurz vor der Einigung über eine weltweite Mindeststeuer stehe.

“Entwurf unnötig kompliziert„

Dies sah Prof. Dr. Lorenz J. Jarass von der Hochschule RheinMain Wiesbaden anders. “Es braucht nationales Vorgehen, um zu international harmonisiertem Vorgehen zu kommen„, wandte er ein. Allerdings befand Jarass, der Entwurf sei “unnötig kompliziert und ermöglicht Umgehungen„.

Alle Erträge aus Steueroasen sollten ausnahmslos der vollen deutschen Besteuerung unterliegen, und Zahlungen an Steueroasen sollten ausnahmslos nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können. Durch viele Ausnahme- und Sonderregelungen werde das Gesetz zu einem “Bürokratiemonster„.

“Liste deutlich ausweiten„

Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit gab zu bedenken, dass die in der “Schwarzen Liste„ der EU aufgeführten Länder nach Schätzungen des Tax Justice Network für weniger als zwei Prozent der globalen Steuerverluste durch Steuervermeidung verantwortlich seien.

Damit werde das neue Gesetz “weitgehend wirkungslos„. Trautvetter plädierte daher für eine deutliche Ausweitung der Liste.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/28901) enthaltenen Abwehrmechanismen sollen es Personen und Unternehmen erschweren, durch Geschäftsbeziehungen zu Staaten und Gebieten, die auf der EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete geführt werden, in Deutschland Steuern zu vermeiden. Zu den vorgesehenen Maßnahmen gehört etwa die Versagung von steuerlichen Vorteilen oder Abzügen.

Der Gesetzentwurf basiert auf den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur sogenannten Schwarzen Liste sowie den verhandelten Maßnahmen der Gruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung). Die Umsetzung der Maßnahmen in nationales Recht dient laut Entwurf einem koordinierten Vorgehen der Mitgliedstaaten.

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat gibt in seiner Stellungnahme (19/29643) zu bedenken, dass die gewählte Definition in Bezug auf nicht hinreichende Transparenz in Steuersachen zu unpräzise formuliert sein könnte. Er bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob bezogen auf den Begriff der Intransparenz in Steuersachen eine Bestimmung gefunden werden kann, die der “Vermeidung von Willkür aufgrund einer konturenlosen Definition„ entgegenwirkt. Er bedauert zudem, dass der Gesetzentwurf über die von der EU aufgestellten Mindestanforderungen hinausgeht. Kritisch sieht er unter anderem die gesteigerten Mitwirkungspflichten und den entsprechende Mehraufwand für betroffene Unternehmen.

Der Bundesrat bittet daher, die Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit der Ausgestaltung der Regelungen vor allem auch mit Blick auf die gesteigerten Mitwirkungspflichten zu überprüfen. Auch solle darauf hingewirkt werden, dass die von der EU aufgestellten Mindestanforderungen, insbesondere im Hinblick auf die angestrebte Entbürokratisierung, nicht überschritten werden. Die Regierung sagt in ihrer Gegenäußerung eine Prüfung der Vorschläge zu.

Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag (19/29264) Datenschutz und Menschenrechte im Kampf gegen Steueroasen stärken. Sie fordert, den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen (AIA) nur dann auf neue Staaten auszuweiten, wenn der Deutsche Bundestag dem zustimmt. Der Bundestag müsse es als gewährleistet sehen, dass Datensicherheit, Datenschutz und Menschenrechte bei der Übermittlung und Verarbeitung der auszutauschenden Finanzinformationen eingehalten werden. Die Einhaltung dieser Kriterien solle alle fünf Jahre für alle Länder, mit denen AIA-Daten von Deutschland geteilt werden, geprüft werden.

Zudem fordern die Abgeordneten, sich für stärkere Kontrollmechanismen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten der OECD einzusetzen. Die Bundesregierung solle sicherstellen, dass für die AIA-Abwicklung nur Firmen eingesetzt werden, die nicht durch gesetzliche Regelungen ihre Informationen gegenüber einem Staat offenlegen müssen. Schließlich müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass in Deutschland ansässige Privatpersonen und Unternehmen, deren AIA-Daten Opfer von Datendiebstahl geworden sind, unmittelbar darüber informiert werden. (ab/17.05.2021)

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