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Ausschüsse

Öffentliche Anhörung zum Thema „Wasserstoffstrategie“

Zeit: Montag, 26. Oktober 2020, 14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.600

Die im Juni von der Bundesregierung ausgegebene Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) hat prinzipiell die Zustimmung von Experten gefunden. Allerdings verbanden sie damit bei einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag, 26. Oktober 2020, eine Reihe von Forderungen nach Präzisierungen und Ergänzungen. Auch tue Eile not. In der Sitzung unter der Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) ging es neben der Unterrichtung der Bundesregierung zu ihrem Strategiepapier (19/20363) um Anträge der FDP-Fraktion mit Forderungen nach einer Wasserstoffunion (19/20020) und einer Klassifizierung von Wasserstoff (19/20021) sowie einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/18733), in dem eine grüne Strategie gefordert wird.

„Wasserstoff wird eine globale Schlüsseltechnologie“

Dr. Jörg Bergmann (Open Grid Europe) unterstrich die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende. Wasserstoff werde sich zu einer globalen Schlüsseltechnologie entwickeln, die maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands haben werde.

Von der groß angelegten Erzeugung über den Transport bis zur breiten Verwendung in allen Sektoren seien jetzt Schritte notwendig, um Wasserstoff in Deutschland zur einer Erfolgsgeschichte zu machen. Der Transport in größeren Mengen über Leitungen sei zumindest innerhalb Europas die wirtschaftlichste Variante. Er schlug den Aufbau einer Pipeline-Infrastruktur auf Basis bestehender Gasnetze mit einer Gesamtlänge von 1.200 Kilometern bis 2030 vor.

„Elementarer Baustein für die Dekarbonisierung“

Dr. Daniel Teichmann (Hydrogenious LOHC Technologies) unterstrich, Wasserstoff stelle nach mehrheitlicher Überzeugung der Fachwelt einen elementaren Baustein für die Dekarbonisierung des Energiesystems dar. Er erläuterte die LOHC-Technologie (Liquid Organic Hydrogen Carrier), bei der Wasserstoff an ein flüssiges Trägermaterial „angedockt“ und innerhalb der bestehenden Infrastruktur transportiert werde. Der Transport erfolge über Hochsee- und Binnenschiffe, Schiene und Straße.

LOHC ermögliche erstmalig den sicheren und kosteneffizienten Transport sowie Import von kostengünstigem, grünem Wasserstoff. Der Import aus Regionen, in denen Wasserstoff günstig produziert werden könne, werde essenziell sei.

„Elektrolyse von der EEG-Umlage befreien“

Prof. Dr. Armin Schnettler (Siemens Energy) mahnte zum Tempo bei der NWS-Umsetzung. Die eigentliche Arbeit beginne jetzt. Noch seien deutsche Unternehmen Technologieführer im Bereich Wasserstoff.

Dieser Vorsprung müsse erhalten und ausgebaut werden. Zu den größten Prioritäten zählte er die Befreiung für Elektrolyse von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Umlage).

„Wasserstoff in Gasnetze beimischen“

Kerstin Andreae (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) beschrieb als Zielbild, es sei für die umfassende Dekarbonisierung aller Sektoren zwingend erforderlich, dass bis zum Jahre 2050 die Gasversorgung vollständig auf klimaneutrale und dabei möglichst weitgehend auf erneuerbare Gase umgestellt werde.

Im Bereich Wärme regte sie die Beimischung von Wasserstoff in Gasnetze an. Um die notwendigen Mengen zu generieren, sei ein sofortiger Einstieg in die Erzeugung erforderlich. Es sei an der Politik, die Rahmenbedingungen zeitnah zu gestalten, um die notwendigen Prozesse und Entwicklungen anzustoßen und zu beschleunigen.

„Aus- und Weiterbildung werden vernachlässigt“

Daniela Jansen von der IG Metall beschwor die Schlüsselrolle der Wasserstofftechnologie im weltweiten Rennen um eine ressourcenschonende und klimaneutrale Produktion. Ein Schwerpunkt liege bei der Stahlindustrie. Sie forderte eine größere Aufmerksamkeit für das Thema Beschäftigung.

Mit dem Einsatz von Wasserstoff würden in vielen Branchen neue Technologien und Anwendungsfelder zum Einsatz kommen, für die bisher vielfach noch nicht die notwendigen Qualifikationen bei den Beschäftigten vorhanden seien. Die NWS setze auf Forschung und Entwicklung, vernachlässige aber bisher die Aus- und Weiterbildung.

„Klärungsbedarf und inhaltliche Lücken“

Der Unternehmer Lars Baumgürtel (Voigt und Schweitzer) begrüßte zwar die NWS, machte jedoch aus der Sicht des energieintensiven Mittelstands für den anstehenden Markthochlauf Klärungsbedarf und inhaltliche Lücken aus.

Sein Appell an die Abgeordneten: Sie sollten aus den sogenannten „Hidden Champions“ besonders im energieintensiven Mittelstand keine „Forgotten Champions“ machen und den, wie er ausführte, wichtigsten Industriebereich in Deutschland in die weitere Entwicklung der Wasserstoffstrategie mit einbinden. Im Bereich der Prozesswärme gebe es ein großes Potenzial, von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen.

„Robustes Zertifizierungssystem aufbauen“

Dr. Felix C. Matthes vom Öko-Institut mahnte eine schnellere Konkretisierung der NWS an. Bisher bewegten sich die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen noch auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau. Zu den besonders vordringlichen Maßnahmen zählte er den Aufbau eines robusten Zertifizierungssystems für klimaneutralen Wasserstoff im Rahmen der Europäischen Union und auch deutlich darüber hinaus. Dies sei die Voraussetzung für viele Strategien und Umsetzungsmechanismen.

Zudem sei für eine größere Rolle der einheimischen Wasserstoffproduktion ein massiv beschleunigter Ausbau der regenerativen Stromerzeugung zwingend erforderlich. Wasserstoff könne nur so grün sein wie die Stromerzeugung grün sei.

„Regulatorischen Rahmen anpassen“

Prof. Dr. Mario Ragwitz (Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie) legte dar, Wasserelektrolyse werde in Deutschland zu einer entscheidenden industriepolitischen Komponente werden – nicht nur für die Erzeugung des hierzulande benötigten Wasserstoffs, sondern auch als Flexibilitätsoption im Stromnetz und als Technologie für den internationalen Exportmarkt.

Von zentraler Bedeutung seien eine Anpassung des regulatorischen Rahmens für Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom, die Förderung von Demonstrationsobjekten und der Aufbau der notwendigen Infrastruktur. Regulatorische Hemmnisse für Brennstoffzellenfahrzeuge und Wasserstofftankstellen müssten abgebaut werden.

Wasserstoffstrategie der Bundesregierung

Die Bundesregierung will Wasserstoff zu einem zentralen Bestandteil der Dekarbonisierungsstrategie machen. Dazu müsse die gesamte Wertschöpfungskette von Technologien bis hin zu Aspekten der Qualitätsinfrastruktur in den Blick genommen werden, schreibt sie in ihrer NWS (19/20363. Wasserstoff soll wettbewerbsfähig gemacht werden. Auf Dauer gehe es darum, sich auf Wasserstoff zu konzentrieren, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde – nur dies sei nachhaltig. Gleichzeitig gehe sie davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren ein globaler und europäischer Wasserstoffmarkt herausbilden wird, auf dem auch CO2-neutraler Wasserstoff gehandelt werden wird. Daher werde auch in Deutschland dieser „blaue“ oder „türkise“ Wasserstoff eine Rolle spielen und übergangsweise genutzt werden.

Ziel der Strategie ist den Angaben zufolge darüber hinaus, die volkswirtschaftlichen Chancen der Technologie zu nutzen. Gemeinsam mit der Wirtschaft solle ein echter Markthochlauf realisiert werden – die Strategie schaffe den Rahmen für private Investitionen in die Erzeugung, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff. In dem Dokument legt die Bundesregierung Stand, Handlungsfelder und Zukunftsmärkte dar, und sie entwirft politische Leitlinien sowie einen Aktionsplan. In Letzterem geht es beispielsweise um Maßnahmen, um Erzeugungsanlagen zur Technologiedemonstration im industriellen Maßstab aufzubauen. Thematisiert werden auch Möglichkeiten, grünen Wasserstoff als Alternative zu konventionellen Kraftstoffen im Verkehrssektor zu etablieren.

FDP will „Europäische Wasserstoffunion“

Die FDP-Fraktion fordert eine „Europäische Wasserstoffunion“. Die Bundesregierung müsse das Thema während der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 vorantreiben, erklären die Abgeordneten in ihrem ersten Antrag (19/20020). Dem Bundestag müsse endlich die ausstehende nationale Wasserstoffstrategie vorgelegt werden. Außerdem seien unkomplizierte Förderungen für die Technologie und für Anwendungsbereiche gefragt, und Wasserstoff müsse als Stütze der Versorgungssicherheit anerkannt werden.

Mit dem Antrag wollen die Abgeordneten den Druck auf die Bundesregierung bei dem Thema erhöhen. Diese schaffe es seit Monaten nicht, ihre für das vergangene Jahr angekündigte Strategie zum Wasserstoff vorzulegen, heißt es zur Begründung.

FDP fordert „bunte Wasserstoffstrategie“

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem zweiten Antrag (19/20021), in der nationalen Wasserstoffstrategie neben „grünem“ Wasserstoff auch „blauen“ und „türkisen“ Wasserstoff als CO2-neutral zu klassifizieren. Diese stünden aufgrund der benötigten Menge und unterschiedlichen zeitlichen Realisierbarkeit nicht in Konkurrenz zueinander, schreiben die Abgeordneten. Insbesondere „blauer“ Wasserstoff müsse der „Wegbereiter für die zukünftige Produktion und Nutzung grünen Wasserstoffs im großen Maßstab sein“, heißt es weiter.

Auch soll sich die Bundesregierung bilateral und auf der europäischen Ebene für weitere internationale Partnerschaften zum Import von CO2-neutralem Wasserstoff einsetzen und Technologieoffenheit sicherstellen. Die Abgeordneten schlagen vor, zur Finanzierung des zügigen Ausbaus der Infrastruktur bisher nicht abgerufene Mittel aus dem Energie- und Klimafonds zu nutzen.

„Grüne Wasserstoffstrategie“ gefordert

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich für eine „Grüne Wasserstoffstrategie“ ein. Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag (19/18733), der Produktion und Verwendung von sogenannten grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien im Sinne des Klimaschutzes in Deutschland eine wirtschaftliche Perspektive zu geben. Strom aus erneuerbaren Energien, der bei Netzengpässen bisher nicht produziert werde, solle den Betreibern von Wasserstoffanlagen und anderen Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollten im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien Investoren Sicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen für den gesamten Zeitraum bis mindestens 2030 erhalten. Hürden für den Ausbau von Windkraftanlagen müssten fallen.

„Grüner Wasserstoff“ und die intelligente Verknüpfung von Sektoren würden in der Energiewelt von morgen eine wichtige Rolle spielen, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß. Gerade die Folgen der Corona-Krise verlangten nach einem weitsichtigen Investitions- und Konjunkturprogramm, das akutes Krisenmanagement mit einer cleveren Neuausrichtung der heimischen Industrie verbindet. (fla/pez/eis/26.10.2020)

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