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Wirtschaft

Vorläufige Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern

Zeit: Montag, 7. Juni 2021, 12.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 400

Das Vorhaben der Bundesregierung, den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK e.V.) in eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit gesetzlicher Mitgliedschaft umzuwandeln, wird von Sachverständigen unterschiedlich bewertet. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie unter der Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) am Montag, 7. Juni 2021, deutlich.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/27452, 19/28409) sieht eine gesetzliche Mitgliedschaft aller Industrie- und Handelskammertage (IHK) in der Bundeskammer vor. Die Neuordnung der Struktur der Kammervertretung auf Bundesebene erfolgt laut Regierung „um die Wahrnehmung des Gesamtinteresses aller gesetzlichen Mitglieder der IHKs sicherzustellen, unter Beibehaltung der bewährten Aufgabenverteilung zwischen IHKs und Dachorganisation“.

„Keine Alternative zu dem Gesetzentwurf“

Aus Sicht von DIHK-Präsident Peter Adrian gibt es keine Alternative zu dem Gesetzentwurf. Damit reagiere die Bundesregierung auf die Herausforderung, die IHKs als Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft rechtssicher aufzustellen, damit diese sich für die Anliegen der Unternehmerinnen und Unternehmer einsetzen können.

Der Rechtsanwalt Dr. Olaf Konzak nannte das Vorhaben „angemessen, verfassungspolitisch sinnvoll und auch verfassungsrechtlich geboten“. Es sei vergleichbar mit den Regelungen zur Bundesärztekammer oder der Bundesrechtsanwaltskammer. Wie bei Körperschaften des öffentlichen Rechts üblich, gebe es auch eine Rechtsaufsicht. „Befremdlich“ nannte es Konzak, dass in Paragraf 11 des Entwurfes möglicherweise die Tür für eine Fachaufsicht geöffnet werde, die der Unabhängigkeit der Kammer zuwiderlaufen würde.

„Gute Erfahrung mit Rechtsaufsicht auf Landesebene“

Eine gesamtstaatliche Repräsentation der gewerblichen Wirtschaft sei soziopolitisch geboten, befand Prof. Martin Nettesheim vom Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Völkerrecht an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Sie könne nur gelingen, wenn eine flächendeckende Mitgliedschaft der Unternehmen sichergestellt und so die verfassungsrechtlich gebotene Vollständigkeit der Interessenwahrnehmung garantiert ist. Eine gesetzliche Regelung, die es in das Belieben einer IHK stellte, ob sie dem DIHK angehören wollen, könnte dies nicht gewährleisten.

Eine Gefahr, dass durch die gesetzliche Neuregelung der DIHK zu einer Stimme des Bundeswirtschaftsministeriums wird, ist nach Ansicht der Präsidentin der IHK Köln, Dr. Nicole Grünewald, nicht gegeben. „Wir haben auf Landesebene eine sehr gute Erfahrung mit der Rechtsaufsicht gemacht“, sagte sie. So werde die Handlungsfähigkeit der ehrenamtlichen IHK gestärkt.

„Keine Zwangsmitgliedschaft“

Anne-Kathrin Kuhlemann, Vorstandsvorsitzende der Befood AG, betonte die große Bedeutung der IHK als Interessenvertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es müsse das Bewusstsein dafür steigen, das die IHK-Mitgliedschaft nicht eine lästige Zwangsmitgliedschaft ist, sondern eine Chance, sich zu engagieren und sich einzubringen, sagte sie.

Kai Boeddinghaus, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern, kritisierte hingegen, dass mit dem Gesetzentwurf die dringend benötigte Reform der DIHK abgewürgt werde. Stattdessen gebe es nun eine überhastete Rettungsaktion für eine IHK-Organisation mit dem DIHK e.V. an der Spitze, „die sich durch ihren jahrelangen Rechtsbruch an den Abgrund manövriert hat“. Die strukturellen Veränderungen würden zukünftig dazu führen, dass die regionalen IHK zu Erfüllungsgehilfen des neuen mächtigen DIHK werden, sagte Boeddinghaus.

„Keine Ausweitung des Aufgabenkatalogs der IHKs“

Kritik kam auch von Gewerkschaftsvertretern. Mit dem Gesetzentwurf werde die Position des DIHK als Vertretung von Unternehmensinteressen der gewerblichen Wirtschaft einseitig gestärkt, kritisierte Silvia Grigun vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Abzulehnen sei insbesondere jegliche Ausweitung des Aufgabenkatalogs der IHKs in den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen sowie den allgemeinpolitischen Bereich hinein, da diese Öffnung weder erforderlich noch angemessen sei und verfassungsrechtlich erhebliche Bedenken bestünden.

Aus Sicht von Thomas Ressel, Ressortleiter Bildungs- und Qualifizierungspolitik beim IG Metall Vorstand, sind Auswirkungen auf das bewährte Zusammenwirken der Sozialpartner in der beruflichen Bildung zu erwarten. Der künftigen Bundeskammer dürften keine ordnungspolitischen Kompetenzen zugebilligt werden, verlangte er. Aus- und Fortbildungsberufe würden auf Antrag der Sozialpartner, beispielsweise durch Gesamtmetall und IG Metall, in einem Sachverständigenverfahren mit betrieblichen Experten entwickelt. Damit werde das Ziel verfolgt, die Inhalte von Berufsprofilen passgenau für zukünftige berufliche Anforderungen in der Arbeitswelt zu gestalten, machte Ressel deutlich.

Dr. Eike Hamer von Valtier, Vorstand im Mittelstandsinstitut Niedersachsen, sagte, die Aufgabenstellung des DIHT sei rein private Lobbyarbeit sowie private Dienstleistung und Organisation und habe mit hoheitlichen Funktionen oder Aufgaben nichts zu tun. Es bestehe deshalb aufgrund der Aufgaben des DIHT kein Grund, vom privaten Verein in eine öffentliche Körperschaft zu wechseln. Kritik übte er auch an der Zwangsmitgliedschaft für Unternehmen in den IHKs, die seiner Aussage nach fast ausschließlich wider den Interessen ihrer Mitglieder handeln würden.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Die Bundesregierung will die Kammerstruktur in Deutschland neu regeln. Mit ihrem Gesetzentwurf (19/27452) will sie bei der Vertretung auf Bundesebene die Wahrnehmung des Gesamtinteresses aller gesetzlichen Mitglieder der Industrie- und Handelskammern (IHK) sicherstellen. Die Aufgabenverteilung zwischen IHKs und Dachorganisation solle davon unberührt bleiben, heißt es. Zudem geht es um Klarstellungen, was den Aufgabenbereich der IHKs bei Stellungnahmen betrifft.

Konkret sieht der Entwurf vor, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) als Dachverband in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umzuwandeln. Für alle IHKs soll es eine gesetzliche Mitgliedschaft in der Bundeskammer geben. Bis zum Vollzug der Umwandlung soll der DIHK e. V. für eine Übergangsphase von bis zu zwei Jahren die Aufgaben der Bundeskammer wahrnehmen, für alle IHKs besteht den Angaben zufolge eine Pflichtmitgliedschaften im DIHK e. V. während der Übergangsphase.

„Gemeinsame und effektive Aufgabenerfüllung“

„Die öffentlich-rechtliche Organisationsform auch auf Bundesebene gewährleistet die Möglichkeiten der gemeinsamen und effektiven Aufgabenerfüllung der IHKs, ohne dabei die bewährte regionale Aufgabenerfüllung zu beeinträchtigen“, heißt es zur Begründung. Bei den Klarstellungen geht es darum, dass Fragen der Arbeitsmarktpolitik und der Sozialpolitik grundsätzlich vom Aufgabenbereich bei Stellungnahmen erfasst sind. „Das gilt nicht im grundrechtlich geschützten Aufgabenbereich der Sozialpartner.“

Der Gesetzentwurf führt laut Regierung zu erhöhten Personalkosten im zweiten Halbjahr 2021 und in den Folgejahren. Für das zweite Halbjahr 2021 rechnet die Regierung mit Zusatzkosten von mehr als 70.000 Euro.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Die Bundesregierung reagiert mit den geplanten Änderungen auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches eine IHK verpflichtet hatte, aufgrund „wiederholt kompetenzüberschreitender Äußerungen der Vertreter des DIHK e.V.“ aus diesem auszutreten. Mit dem Austritt dieser IHK sei die Vollständigkeit für die Tätigkeit des DIHK e.V. auf Bundesebene nicht mehr gegeben, erklärt sie und verweist auf weitere anhängige Gerichtsverfahren zum Austritt einer Kammer aus dem DIHK e.V.. „Folgen künftig weitere Kündigungen von IHKs, ist die Vertretung des Gesamtinteresses der IHKs auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene durch den DIHK e.V. nicht mehr möglich und auch die Finanzierung der Aufgaben des DIHK e.V. ist nicht mehr gewährleistet.“

Die Bundesregierung hat Änderungsvorschläge des Bundesrates in dessen Stellungnahme weitgehend abgelehnt (19/28409). Einen Aspekt rund um die Rechte und Pflichten der Bundeskammer bezüglich der Rechnungslegung will sie prüfen.

Antrag der Grünen

Gegenstand der Beratungen im Ausschuss war auch ein Antrag der Grünen zum Thema (19/28473). Die Grünen treten für mehr Transparenz und Demokratie in den Industrie- und Handelskammern ein. Gremienbeschlüsse, Tagesordnungen und Protokolle von Vollversammlung und Ausschüssen, Haushaltszahlen und Gehälter der Geschäftsführung müssten durchgängig veröffentlicht werden, schreiben die Abgeordneten. Darüber hinaus sollten die Kompetenzen von Kammern und dem künftigen Dachverband klar abgegrenzt werden. Reformen sollten auf einem breiten Beteiligungsprozess fußen.

Die Fraktion begründet ihren Antrag mit dem Reformbedarf bei Kammern. Dieser werde durch einen aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht ausreichend abgedeckt. (hau/pez/08.06.2021)

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