+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Arbeit

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (Teilhabestärkungsgesetz) sowie weitere Anträge

Zeit: Montag, 19. April 2021, 12.30 Uhr bis 14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200 (Videokonferenz)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/27400) zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (Teilhabestärkungsgesetz, 19/27400) wird von Experten überwiegend positiv bewertet. Allerdings seien Nachbesserungen nötig, unter anderem bei den Regelungen zu Assistenzhunden, beim Budget für Ausbildung oder der Hilfe für Werkstätten während der Pandemie, lautete der Tenor in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Leitung von Dr. Matthias Bartke (SPD) am Montag, 19. April 2021.

Regierungsentwurf und Oppositionsanträge

Gegenstand der Anhörung war zum einen der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der durch zahlreiche Änderungen in den Sozialgesetzbüchern den Alltag von Menschen mit Behinderungen erleichtern will. Unter anderem soll sich die Betreuungssituation in den Jobcentern verbessern, Gewaltschutzkonzepte sollen Menschen, die in Einrichtungen leben, besser vor Übergriffen schützen. Menschen mit Behinderungen soll der Zutritt nicht wegen der Begleitung eines Assistenz- oder Blindenführhundes verweigert werden können.

Darüber hinaus standen Anträge der Oppositionsfraktionen zur Debatte: ein Antrag der AfD-Fraktion zu Teilhabeleistungen in Krankenhäusern (19/22929), zwei Anträge der FDP-Fraktion zur umfassenden Inklusion und zum Assistenzhundegesetz (19/24886; 19/14503); zwei Anträge der Fraktion Die Linke zur Selbstbestimmung und zu Assistenzhunden (19/27299; 19/27316) und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für einen Sozialstaat auf Augenhöhe (19/24437).

Gegen Unterscheidung von Assistenz- und Blindenführhunden

Gegen die Unterscheidung zwischen Assistenz- und Blindenführhunde sprachen sich die Vereine Associata-Assistenzhunde und die Allianz für Assistenzhunde Pfotenpiloten aus. Blindenführhunde sind ganz klar Assistenzhunde, die geplante Differenzierung würde nur Verwirrung stiften, sagte Roswitha Warda von den Pfotenpiloten. Um zu verhindern, dass sich einfache Hundehalter Zutritt zu Gebäuden verschafften, obwohl es sich nicht um Assistenzhunde-Teams handele, sollten bestehende Teams in ein Melderegister überführt werden, schlug Thomas Hansen von Associata vor.

Die stärkere Rolle der Jobcenter bei der Vermittlung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt wurde von Helga Seel von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation und von Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag begrüßt. Gleichzeitig betonten beide Expertinnen, dass es sich um eine sehr anspruchsvolle und komplexe Aufgabe handele, für die dann auch die nötigen personellen Ressourcen nötig seien.

„Gewaltschutzkonzepte ein sehr guter Ansatz“

Die Ausweitung des Budgets für Arbeit auf Menschen, die schon in einer Werkstatt arbeiten, wurde unter anderem von Kathrin Völker von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen begrüßt. Für einen besseren Zugang zu beruflicher Bildung sei es jedoch wichtig, auch einen nach Landesrecht geregelten, anerkannten (dualen) Ausbildungsgang absolvieren zu können oder Zugang zu anderen Tätigkeiten zur beruflichen Qualifizierung zu erhalten, betonte Völker.

Träger grundsätzlich zu verpflichten, Gewaltschutzkonzepte vorzulegen, sei ein sehr guter Ansatz. Man solle dies jedoch ergänzen durch eine bundesweite Beschwerdestelle und ein eigenes Qualitätsmerkmal im SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch), schlug Antje Welke von der Bundesvereinigung Lebenshilfe vor.

„Einige Fehler des Bundesteilhabegesetzes nicht behoben“

Grundsätzlichere Anmerkungen kamen von den Einzelsachverständigen Nancy Poser und Constantin Grosch, die zwar ebenfalls einige der geplanten Regelungen begrüßten. Zugleich kritisierten beide, dass einige Fehler des Bundesteilhabegesetzes damit nicht behoben würden.

Das betreffe unter anderem das volle Wunsch- und Wahlrecht beim Thema Wohnen, die Anrechnung von Einkommen und Vermögen und eine verpflichtende Barrierefreiheit auch für die Privatwirtschaft. „Mein Leben findet ja nicht in Behörden statt“, betonte Nancy Poser.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Die Bundesregierung plant mit ihrem Teilhabestärkungsgesetz (19/27400) zahlreiche Änderungen in den Sozialgesetzbüchern, die den Alltag von Menschen mit Behinderungen erleichtern sollen. Die Regelungen betreffen unter anderem die Betreuung von Rehabilitanden im SGB II und III (Zweites und Drittes Buch Sozialgesetzbuch), deren Betreuungssituation in den Jobcentern sich verbessern soll.

Bei der Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe nach SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) sollen die Kriterien für die Berechtigung zu Leistungen entsprechend dem Konzept der Arbeitsgruppe „Leistungsberechtigter Personenkreis“ durch Orientierung an den Begrifflichkeiten der UN-Behindertenrechtskonvention und der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) angepasst werden.

„Menschen mit Behinderungen vor Gewalt schützen“

Das SGB IX soll dahingehend ergänzt werden, dass die dort genannten Leistungserbringer Maßnahmen treffen sollen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen vor Gewalt geschützt werden. Mit dem Budget für Ausbildung sollen auch Menschen mit Behinderungen gefördert werden können, die sich schon im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder eines anderen Leistungsanbieters befinden.

Mit der Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) soll geregelt werden, dass Menschen mit Behinderungen der Zutritt nicht wegen einer Begleitung durch einen Assistenz- oder Blindenführhund verweigert werden darf. Dies soll sich bei den Duldungsverpflichteten nicht auf Träger öffentlicher Gewalt beschränken, sondern auch private natürliche und juristische Personen erfassen. Der Geltungsbereich des BGG wird damit ausgeweitet. Ferner sind Änderungen bei der Assistenzhundeausbildung geplant.

Antrag der AfD

Für eine bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen setzt sich die AfD-Fraktion in ihrem Antrag (19/22929) ein. Sie verweist darin auf die schwierige Situation eines Krankenhausaufenthaltes durch mögliche Kommunikationsbarrieren und nicht ausreichend geschultem beziehungsweise unter Zeitdruck arbeitendem Personal. Viele Betroffene und deren Angehörige hätten deshalb die Sorge, ob die im regulären Alltag erforderlichen Hilfestellungen im Krankenhaus erbracht werden könnten.

Die Fraktion fordert deshalb von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die soziale Assistenz für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Krankenhaus sowie in stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen als Leistungen der Eingliederungshilfe durch eine Regelung in den Sozialgesetzbüchern V, IX, XI und XII sicherstellt. Die Liste der Leistungen zur sozialen Teilhabe in Paragraf 113 des SGB IX solle um eine Ziffer 10 „Assistenz im Krankenhaus sowie in stationären Vorsorge-Rehabilitationseinrichtungen“ ergänzt werden.

Erster Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem ersten Antrag (19/24886) die umfassende gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen. Darin heißt es: „Menschenrechte sind für unsere Gesellschaft nicht verhandelbar und die UN-Behindertenrechtskonvention formuliert einen klaren Auftrag an die deutsche Politik: Die individuelle Betrachtung des Menschen und seiner Bedürfnisse und Ansprüche sollen im Mittelpunkt stehen.“

Barrierefreiheit und Teilhabe müssten zum Beispiel im baulichen Bereich endlich erreicht werden. Noch immer seien für Menschen mit Behinderungen zu viele Gebäude nicht erreichbar, es gebe zu wenig barrierefreien Wohnraum, kritisiert die Fraktion. Sie fordert unter anderem eine Überarbeitung des Behindertengleichstellungsgesetzes. Aber auch der Medienstaatsvertrag müsse so gestaltet werden, dass Barrieren in der Mediennutzung abgebaut werden.

Zweiter Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem zweiten Antrag (19/14503) ein Assistenzhundegesetz, um die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. In dem Antrag kritisiert die Fraktion, dass derzeit die rechtlichen Voraussetzungen dafür fehlten, dass Krankenkassen die Kosten für Assistenzhunde übernehmen. Derzeit würden lediglich Blindenführhunde als speziell ausgebildete Assistenzhunde unter bestimmten Umständen für blinde Menschen auf Antrag bewilligt.

Neben Blindenführhunden gebe es im Zusammenhang mit anderen tiergestützten Therapien zur Linderung von seelischen oder psychischen Beeinträchtigungen andere Arten von Servicehunden. So gebe es zum Beispiel Diabetikerwarnhunde oder auch Begleithunde, die bei einer Einschränkung durch eine posttraumatische Belastungsstörung eingesetzt werden, schreiben die Liberalen. Ein Assistenzhundegesetz solle die Anerkennung von Assistenzhunden als Teilhabeleistung im SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) regeln, sofern keine gleich wirksamen anderen Therapiemethoden zur Verfügung stehen, fordert die Fraktion.

Erster Antrag der Linken

Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem ersten Antrag (19/27299), die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen deutlich zu verbessern. Sie begründet ihre Initiative unter anderem damit, dass das Bundesteilhabegesetz (BTHG) für die Koalitionsfraktionen von Beginn an unter Kostenvorbehalt gestanden habe. Neu geschaffene Teilhabeleistungen sollten nicht zu höheren Kosten führen, entsprechend sei der leistungsberechtigte Personenkreis nicht ausgeweitet worden.

Die Fraktion fordert, das gesamte Teilhaberecht zu überarbeiten, die Teilhabeleistungen menschenrechtskonform auszugestalten und die Leistungen bedarfsdeckend und solidarisch zu finanzieren. Voraussetzung dafür müssten unter anderem eine flächendeckende, inklusiv ausgestaltete barrierefreie Infrastruktur und bundesweit einheitliche Kriterien für die Ansprüche und Bedarfe der Leistungsberechtigten sein. Anspruch auf Leistungen sollten alle Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten, unabhängig von Art und Ursache der Behinderung.

Zweiter Antrag der Linken

Ein gesetzliches Recht auf einen Assistenzhund für Menschen mit Behinderungen fordert die Fraktion Die Linke in ihrem zweiten Antrag (19/27316). Sie verweist darin auf den Umstand, dass Assistenzhunde im Gegensatz zu Blinden-Führhunden bis heute noch nicht als unmittelbare Hilfsmittel eingestuft worden seien. Die hohen Ausbildungskosten für Assistenzhunde, oft zwischen 25.000 Euro und 30.000 Euro, übernehme die gesetzliche Krankenversicherung in der Regel nicht.

Konkret fordert die Fraktion unter anderem, die Nutzung von Assistenzhunden als Teilhabeleistung im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festzuschreiben sowie in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen. Ausbildung, laufende Kosten und Betreuung von anerkannten Assistenzhundeteams sollten von den Sozialleistungsträgern im Rahmen des SGB IX vollständig finanziert werden. Assistenzhunde sollten außerdem im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden können. Menschen mit Assistenzhunden müssten Zugang zu allen öffentlichen Institutionen, privaten und öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sowie in Einzelhandel und Kultureinrichtungen erhalten.

Antrag der Grünen

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag (19/24437) einen besseren Zugang zu Teilhabeleistungen. Sie verlangt unter anderem, im Bundesteilhabegesetz und in den Sozialgesetzbüchern IX und XII ein uneingeschränktes Wunsch- und Wahlrecht bezüglich der Form und des Ortes der Leistungserbringung zu verankern. Der Bund solle ferner eine Strategie für eine bessere und niedrigschwellige Beratung entwickeln.

Der Zugang zu Teilhabeleistungen solle unbürokratischer und barrierefrei geregelt werden, indem unter anderem die Möglichkeit einer vorläufigen Leistungsgewährung geprüft wird und im Zivilrecht eine rechtliche Assistenz einführt wird, die die Entscheidungsfindung unterstützt und dadurch die rechtliche Betreuung überflüssig macht. (che/19.04.2021)

Marginalspalte