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05.11.2018 Finanzen — Anhörung — hib 838/2018

Kritik an geplanter Familienförderung

Berlin: (hib/HLE) Die von der Bundesregierung geplante Entlastung der Familien ist von mehreren Experten in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses als unzureichend kritisiert worden. So erklärte der Bund der Steuerzahler, die Pläne der Bundesregierung würden „hinter den Erwartungen vieler Familien zurückbleiben“. Die Bundessteuerberaterkammer wies auf den hohen Anteil von Alleinerziehenden in Deutschland hin. Die Freibeträge für Alleinerziehende und Freibeträge für Erziehungs- und Ausbildungsbedarf seien seit mehreren Jahren nicht mehr angehoben worden und würden im Zeitablauf inflationsbedingt an Wert verlieren. Eine Anpassung müsse geprüft werden.

Grundlage der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Albrecht Glaser (AfD) geleiteten öffentlichen Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/4723), der eine Entlastung um jährlich knapp zehn Milliarden Euro vorsieht. Zu den einzelnen Maßnahmen gehört eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro monatlich ab 1. Juli 2019. Allein dies führe zu Mehrausgaben von rund 3,3 Milliarden Euro, erwartet die Bundesregierung. Die Erhöhung des Kindergeldes führt im Gegenzug allerdings zu einer Anrechnung bei den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Außerdem werden die steuerlichen Kinderfreibeträge ab 1. Januar 2019 von derzeit 7.428 um 192 auf 7.620 Euro angehoben. Zum 1. Januar 2020 steigt der Kinderfreibetrag weiter um 192 Euro auf dann 7.812 Euro. Zur Sicherstellung der Freistellung des steuerlichen Existenzminimums wird der Grundfreibetrag (derzeit 9.000 Euro) erhöht. 2019 erfolgt eine Erhöhung um 168 Euro, 2020 um 240 Euro. Diese beiden Erhöhungen führen zu Steuermindereinnahmen von über drei Milliarden Euro (volle Jahreswirkung). Um den Effekt der „kalten Progression“ auszugleichen, werden außerdem die Eckwerte des Einkommenstarifs verschoben, wodurch es zu einer Entlastung der Steuerzahler kommt, was 2019 zu Mindereinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro und 2020 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro führen soll (jeweils volle Jahreswirkung).

Der Bund der Steuerzahler monierte, bei dem Paket handele es sich nicht um politisch motivierte Entlastungen, sondern um das „verfassungsrechtlich notwendige Pflichtprogramm“. Es werde nur ein bisschen mehr getan als getan werden müsse. Wie schon die Bundessteuerberaterkammer kritisierte auch der Steuerzahlerbund, dass der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf seit 2010 unverändert bei 1.320 Euro pro Kind und Elternteil liege. Zudem verlangte die Organisation eine deutliche Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums. Insbesondere Bezieher des Mindestlohns sollten keine oder nur eine geringe Steuer entrichten müssen. Der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine regte an, die Erhöhung des Kindergeldes um ein halbes Jahr auf den 1. Januar 2019 vorzuziehen. Nach Angaben des deutschen Kinderschutzbundes ist die Kinderarmut drastisch angestiegen. Erforderlich sei daher die Einführung einer Kindergrundsicherung von 619 Euro im Monat.

Auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter kritisierte, „dass die geplanten Verbesserungen nicht alle Familien erreiche werden. Insbesondere Alleinerziehende werden wenig profitieren.“ Die Erhöhung der Steuerfreibeträge komme bei Alleinerziehenden mit oft kleinen Erwerbseinkommen kaum an. „Die Erhöhung des Kinderfreibetrags verstärkt insgesamt die bereits bestehende soziale Schieflage im System der Familienförderung, das Besserverdienende über den Kinderfreibetrag überproportional gegenüber denjenigen unterstützt, die lediglich das Kindergeld erhalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete den Grundfreibetrag als zu niedrig und wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass schon die gesetzliche Pfändungsfreigrenze bei 1.140 Euro im Monat liege und damit höher als die geplanten Anhebungen. Kritisiert wurde auch, dass Höherverdienende durch die Nutzung des Kinderfreibetrages stärker entlastet würden als Steuerzahler mit niedrigerem Einkommen, denen Kindergeld gezahlt werde. Jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein, verlangte der DGB.

Dagegen bescheinigte Professor Achim Truger (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) dem Maßnahmenpaket “insgesamt spürbare Entlastungen„. Nach seinen Berechnungen erhält ein Single mit einem Bruttojahreseinkommen von 45.000 Euro eine jährliche Entlastung (inklusive Solidaritätszuschlag) von 207 Euro oder 0,46 Prozent des Bruttoeinkommens. Für ein Ehepaar mit gleichem Einkommen würde die Entlastung 241 Euro (0,53 Prozent des Bruttoeinkommens) betragen und für ein Ehepaar mit zwei Kindern sogar 470 Euro (1,04 Prozent). Professor Frank Hechtner (Technische Universität Kaiserslautern) sprach von “wahrnehmbaren Entlastungen der Einkommensteuerpflichtigen„. Abseits dieser positiven Maßnahmen stelle sich aber die Frage, inwieweit sich in dieser Legislaturperiode weitere Spielräume für eine Entlastung der Steuerpflichtigen bieten würden.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag begrüßte die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen sowie die Maßnahmen gegen die Effekte der alten Progression. “Bessere wäre es aus Sicht der Unternehmen allerdings, eine automatische Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflationsentwicklung einzuführen„, so die Organisation.

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