Afghanistan-Mandat der Bundeswehr verlängert
Die Bundeswehr wird ein weiteres Jahr im Rahmen des Isaf-Einsatzes in Afghanistan bleiben. In namentlicher Abstimmung verabschiedete der Bundestag einen von der Bundesregierung vorgelegten Antrag (17/4402), der eine Mandatsverlängerung bis zum 31. Januar 2012 vorsieht. 420 von 579 Abgeordneten stimmten dafür, 116 dagegen, 43 enthielten sich. Neben den Koalitionsfraktionen stimmte auch eine überwiegende Mehrheit der SPD-Fraktion dem Regierungsantrag zu. Während sich die Grünen mehrheitlich enthielten, lehnte die Linksfraktion den Antrag ab. Das Parlament folgte damit einer Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses (17/4561). Entschließungsanträge der SPD-Fraktion (17/4563), der Linksfraktion (17/4564) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/4585) fanden keine Mehrheit.
Streit um konkreten Abzugstermin
Hauptstreitpunkt während der Debatte war die in der Begründung des Mandates enthaltene Aussage, wonach der Beginn eines Teilabzuges der Bundeswehr Ende 2011 abhängig von der aktuellen Lage sei.
Während Redner von Unions- und FDP-Fraktion diese Einschränkung unabdingbar nannten, sprachen sich SPD und Grüne für die konkrete Benennung eines Abzugstermins aus. Die Linksfraktion forderte hingegen einen sofortigen Abzug deutscher Truppen.
FDP: Fortschritte erkennbar
Wer sich in Afghanistan umschaue, könne durchaus Fortschritte erkennen, sagte die Vorsitzende der FDP-Fraktion, Birgit Homburger. Das gelte für den Aufbau afghanischer Armee- und Polizeikräfte ebenso wie für den zivilen Wiederaufbau. Fortschritte seien auch in dem Mandat zu erkennen.
Der 2010 erarbeitete Fahrplan habe das Ziel, bis 2014 die Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung zu übergeben. „Dieser Fahrplan ist ein großer Erfolg“, sagte Homburger. Die Bundeswehr sei schon jetzt bei der Ausbildung der Armee- und Polizeikräfte „weiter als geplant“.
Für das Jahr 2011 sei im Rahmen des Fahrplans die Übergabe der Verantwortung „in kleinen Bereichen“ geplant. „Das Ziel bleibt aber, dass 2014 die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung für alle Provinzen übernehmen“, machte Homburger deutlich.
SPD: Reale Chance auf eine Trendwende in Afghanistan
Die übergroße Mehrheit seiner Fraktion werde der Mandatsverlängerung zustimmen, erklärte Sigmar Gabriel (SPD). Schließlich würden die im Mandat der Vereinten Nationen aufgeführten Gründe für den Einsatz immer noch gelten sagte er. Ein sofortiger Abbruch des Einsatzes würde nicht nur die Chance auf eine friedliche Zukunft Afghanistans gefährden, sondern „auch die Menschen in Deutschland größeren Gefahren aussetzen“.
Gabriel zeigte sich erfreut, dass der von der SPD schon lange geforderte Strategiewechsel 2010 erfolgt sei. „Wir haben jetzt eine reale Chance auf eine Trendwende in Afghanistan“, sagte er. Kritik übte er an der Bundesregierung, die nicht in der Lage sei, für 2011 den Beginn des Truppenabzuges festzuschreiben.
Der amerikanische Präsident Obama habe erst in dieser Woche bekräftig, dass ab Juli 2011 der Rückzug amerikanischer Truppen beginnen werde. Das sei richtig, denn: „Wer 2011 nicht anfängt, wird 2014 nicht draußen sein“, betonte Gabriel.
CDU/CSU: Vorrang für eine verantwortliche Übergabe
„Eine verantwortliche Übergabe der Zuständigkeiten hat Vorrang vor einem konkreten Zeitplan“, entgegnete der Unionsabgeordnete Dr. Andreas Schockenhoff. Es dürfe kein Sicherheitsvakuum entstehen, forderte er. In Gesprächen vor Ort habe er immer wieder die Bitte vernommen, Afghanistan nicht zu verlassen, bevor das Land nicht nachhaltig stabilisiert sei.
Ohne militärische Absicherung, so Schockenhoff, sei schließlich auch keine Verbesserung der zivilen Lage möglich. Er begrüßte es, dass in den vergangenen Monaten die internationalen Isaf-Kräfte (International Security Assistance Force) die Aufständischen zusehens in die Defensive gedrängt hätten.
Da auch der Aufbau der nationalen Sicherheitskräfte gut vorankomme, hoffe er, dass die Truppenpräsenz ab Ende 2011 reduziert werden kann. „Dafür werden wir alles tun.“
Linke: Deutschland potenzielle Adresse für Terrorakte
Knapp 80 Prozent der Deutschen seien laut Umfragen für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, sagte der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Dr. Gregor Gysi. Diese Ansicht habe seine Partei schon immer gehabt, machte er deutlich. Es sei eben falsch, Terror mit Krieg bekämpfen zu wollen.
Als Ergebnis dieses Handelns sei Deutschland selber eine „potenzielle Adresse für Terrorakte geworden“, sagte er. Bis Ende 2010 seien zudem 25 Milliarden Euro für den Krieg ausgegeben worden. „Stellen Sie sich doch einmal vor, wie viel besser Afghanistan dastehen würde, hätte man nur die Hälfte davon in den zivilen Aufbau des Landes gesteckt.“
Gysi warf der Bundesregierung vor, die Öffentlichkeit zu täuschen. Zu sagen, der Abzug beginne Ende 2011, wenn die Lage es erlaube, bedeutet laut Gysi nämlich: „Es beginnt kein Abzug.“
Grüne: Sie laufen der Entwicklung hinterher
Die Bundesregierung habe sich mit ihrem Mandatstext für den Titel „König des Konjunktivs“ beworben, kritisierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin. Wenn Präsident Obama einen konkreten Abzugstermin nennen könne, sei nicht ersichtlich, warum das die Bundesregierung nicht tue.
„Was können die Nato-Partner, was Sie nicht können?“, fragte Trittin. Es gebe offensichtlich in der Bundesregierung keinen Aufbau- und auch keinen Abzugsplan. „Sie laufen irgendwie der Entwicklung hinterher“, lautete seine Einschätzung.
Seine Fraktion erwarte, dass sowohl die zivilen Aufbauhelfer, die Polizeiausbilder und auch die Soldaten Klarheit über die Perspektive erhalten. „Wir erwarten auch, dass Sie den Menschen sagen, dass dies keine Perspektive ist, die mit dem Abzug und der Beendigung der militärischen Kampfhandlung 2014 endet“, sagte er. Stattdessen müsse es eine „internationale zivile Präsens“ auch über 2014 hinaus geben. (hau)