Späte Debatte zum Petitionsbericht sorgt für Unmut
15.191 Petitionen gingen beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages im Jahr 2011 ein. Das sagte die Ausschussvorsitzende Kersten Steinke (Die Linke) während der Debatte zum Jahresbericht des Petitionsausschusses 2011 (17/9900) am Donnerstag, 27. September 2012. „Der Ausschuss war auch in diesem Jahr Anlaufpunkt für viele Menschen, die sich Hilfe erhofften.“ Beleg dafür sei auch, dass sich etwa 1,1 Millionen Bürger auf der Internetseite des Ausschusses angemeldet hätten, um Petitionen einzureichen, zu diskutieren oder mitzuzeichnen.
Den stärksten Zuspruch, so die Ausschussvorsitzende, habe die Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung mit 74.000 Mitzeichnungen erhalten. Die Demokratie könne durch die Möglichkeit der Veröffentlichung von Petitionen im Internet gestärkt werden, so Steinke. Gleichzeitig aber würden aber auch Einzelpetitionen und persönliche Bitten „nicht vernachlässigt“. Kritik übte die Linken-Abgeordnete am Termin der Aufsetzung der Debatte. Der späte Beginn um 19 Uhr „zeigt die mangelnde Würdigung unserer Arbeit“.
„Die Bürger haben Vertrauen in unsere Arbeit“
Günter Baumann (CDU/CSU) schloss sich der Kritik insofern an, als dass er es als Novum bezeichnete, dass neben dem Petitionsbericht auch der Endbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zum Thema „Elektronische Petitionen und die Modernisierung des Petitionswesens in Europa“ (17/8319) in einer gemeinsamen Debatte diskutiert werden müsse.
Grundsätzlich aber gelte es festzustellen, dass der Petitionsausschuss erfolgreich sei. „Die Bürger haben Vertrauen in unsere Arbeit“, urteilte Baumann. Schließlich habe der Ausschuss bei 43 Prozent der Petitionen „dem Bürger helfen können, in welcher Form auch immer“. Auf den TAB-Bericht eingehend, machte Baumann deutlich, dass die Unionsfraktion die darin aufgestellte Forderung, die öffentliche Petition von der Ausnahme zur Regel zu machen, nicht unterstütze.
„Es gibt keinen Grund, unsere Arbeit zu verstecken“
Kein Verständnis für den späten Beginn der Debatte hatte auch Klaus Hagemann (SPD). „Es gibt keinen Grund, unsere Arbeit zu verstecken“, sagt er. Auch dass kein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) anwesend sei, müsse gerügt werden, befand er. Schließlich beziehe sich fast ein Viertel der Eingabe auf den Aufgabenbereich des BMAS.
Der Koalition warf Hagemann vor, entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag, wo von einer Weiterentwicklung des Petitionswesens die Rede sei, nichts in diese Richtung getan zu haben. 2005 habe Rot-Grün den Modellversuch der elektronischen Petitionen auf den Weg gebracht, so der SPD-Politiker. „Nach dieser Innovation folgte nichts mehr.“
Enttäuscht zeigte er sich auch darüber, dass die Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung aufgrund des Widerstandes der Koalition nicht auf die Tagesordnung einer öffentlichen Sitzung gesetzt wurde, obwohl angesichts des deutlich übertroffenen Quorums an Mitzeichnungen ein Rechtsanspruch darauf bestehe.
„Fleißigster Ausschuss des Bundestages“
Das Lob des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert, „der Petitionsausschuss sei der fleißigste Ausschuss des Bundestages“, habe ihn sehr gefreut, sagte Dr. Peter Röhlinger (FDP). „Über den Petitionsausschuss kommuniziert der Bundestag mit den Bürgern“, betonte er. Es sei zudem der erfreuliche Trend zu verzeichnen, dass in den letzten Jahren immer mehr Bürger aus allen Schichten der Bevölkerung erreicht werden.
Röhlinger sieht daher in dem Ausschuss eine „Chance für die Demokratie, erst recht in Zeiten, in denen die Bürger sich immer seltener an Wahlen beteiligen“. Mit Blick auf die Diskussion um eine fehlende Akzeptanz der Arbeit im Rest des Bundestages, übte Röhlinger Selbstkritik. Es sei dem Ausschuss nicht gelungen festzuschreiben, wann der vorhandene Stau bei den Petitionen aufgelöst werden kann.
Kritik an unverständlichen Hierarchien
Erheblichen Verbesserungsbedarf bei den öffentlichen Petitionen erkannte Sabine Stüber (Die Linke). Die Menschen wollten ihre Anliegen selbst vorbringen, würden aber durch bürokratische Hürden und unverständliche Hierarchien daran gehindert, bemängelte sie. Zugleich kritisierte sie, dass trotz großer Unterstützung für die Petition mit der Forderung nach einer Finanzmarktransaktionssteuer das Anliegen im Ausschuss nicht vorankomme.
Es sei „unerhört“, dass der Petitionsbericht so spät debattiert werde, sagte Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen). Dabei ist der Petitionsausschuss seiner Ansicht nach einer der spannendsten überhaupt. Das habe mit dem kollegialen Miteinander und dem „breiten Spektrum an Themen, von der Atombombe bis zur Zahnplombe“ zu tun.
Der Grünen-Abgeordnete dankte allen Petenten: „Sie zeigen, wie lebendig die parlamentarische Demokratie sein kann.“ Zugleich machte er deutlich, dass seine Fraktion – anders als die Unionsfraktion – hinter der Forderung aus dem TAB-Bericht stehe, die öffentliche Petition von der Ausnahme zur Regel zu machen. Er hoffe hier auf ein Umdenken bei der Union, wie es auch bei den ursprünglich abgelehnten Online-Petitionen der Fall gewesen sei, betonte Strengmann-Kuhn. (hau/27.09.2012)