Klare Mehrheit für drei Monate Sommerferien
Die Fragestellung war dann doch zu eindeutig. „Wer möchte im kommenden Jahr drei Monate Sommerferien?“, wollte der Besucherführer des Bundestages wissen. 20 Arme schnellten in die Höhe. Nur ein Mädchen der vierten Klasse der Justus-von-Liebig-Grundschule in Berlin-Friedrichshain stimmte gegen die Ferienausdehnung. Ein klarer Fall also. Manchmal aber, so erläutert der Besucherführer den Schülern, die im Rahmen des Kindertages im Bundestag am Montag, 26. November 2012, den Weg in das Reichstagsgebäude gefunden hatten, ist die Mehrheit für den Sitzungsleiter nicht so einfach zu erkennen. Dann gibt es den Hammelsprung, der durch die drei großen Ja-, Nein-, und Enthaltung-Türen, vor denen die Klasse stand stattfindet.
Namentliche Abstimmungen
Was der Sinn einer Wahl ist, war den Viertklässlern durchaus bekannt. In „geheimer Wahl“, wurden schließlich die beiden Klassensprecherinnen Henrike und Elena gewählt. „Wir haben den Namen auf einen Zettel geschrieben“, erläutert ein Schüler das Prozedere. Im Bundestag aber gibt es auch noch namentliche Abstimmungen, „wenn beispielsweise Soldaten ins Ausland geschieht werden sollen“, erläuterte der Besucherführer.
Jeder Abgeordnete muss dann mit seiner persönlichen Stimmkarte mit Ja, Nein oder Enthaltung stimmen, sagte der Experte und zeigte den verblüfften Schülern die Ja-Stimmkarte der Bundeskanzlerin. Aufkommende Fragen, ob er die denn „geklaut“ habe, begegnete er mit der Feststellung, dass die Karte aus der vergangenen Legislaturperiode sei. „Die hat mir Angela Merkel geschenkt“, versicherte er.
Zyklus des Lebens
Apropos Angela Merkel. Wo genau die Bundeskanzlerin arbeitet bekamen die Kinder auf der nächsten Etappe der Besuchstour gezeigt. Es ging in die Abgeordnetenlobby, von der man einen wunderbaren Blick auf Angela Merkels Arbeitsplatz, das Kanzleramt, hat. In der Abgeordnetenlobby selbst hat die Künstlerin Katharina Sieverding eine Gedenkstätte für verfolgte und ermordete Reichstagsabgeordnete geschaffen.
Kunst spielt auch im Andachtsraum eine große Rolle, den die Schüler als nächstes besuchten. Der Künstler Günther Uecker hat hier den siebenteiligen „Zyklus des Lebens“ dargestellt. „Wenn eure Eltern in den Raum kämen, würden sie sagen: ein typischer Uecker“, meinte der Besucherführer.
Graffitis der russischen Soldaten
Während der Zwischenetappe bei den restaurieren Graffitis der russischen Soldaten, die 1945 den Reichstag eingenommen hatten, erzählte der Bundestagsexperte von einem Erlebnis bei einer Führung mit einer Schulklasse aus Moskau.
„Die Schüler waren ganz begeistert und meinten, das sieht aus wie bei uns an der Schule“, sagte er. Graffitis gebe es auch in ihrer Schule, entgegneten die Berliner Schüler. „Aber in Deutsch“, erläuterte ein Neunjähriger den Unterschied.
Kalle Bierkant, der Kellerkönig
Anschließend ging es in vertraute Gefilde. Den Kellergang des Reichstagsgebäudes kannten die Schüler schon – aus der DVD-Serie Politibongo. Hier nämlich ist Kalle Bierkant, der Kellerkönig, zuhause. Die im Auftrag des Kinderkanals von ARD und ZDF produzierte Serie diente an der Schule übrigens auch zur Vorbereitung auf den Bundestagsbesuch, wie die Klassenlehrerin bestätigt. „Das ist schon sehr hilfreich“, sagte sie.
Vom Keller ging es später wieder nach oben: erst auf die Besuchertribünen des Plenarsaals und schließlich auch in die Reichstagskuppel. Dank des klaren Wetters hatten die Schüler von dort einen wunderbaren Blick.
„Ich sehe mein Haus“
„Ich sehe mein Haus“, erklärte dann auch ein Zehnjähriger durchaus lautstark und mit Überzeugung in der Stimme, während er auf das Häusermeer am Horizont zeigte. Nicht nur für ihn hatte sich der Ausflug in den Bundestag durchaus gelohnt.
In diesem Jahr bietet sich Schulklassen noch einmal die Chance, das deutsche Parlament zu besichtigen. Am Montag, 17. Dezember, ist nämlich wieder Kindertag im Bundestag – der letzte in diesem Jahr. (hau/26.11.2012)