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Parlament

Polizistin aus dem Pott: Irene Mihalic

Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen)

Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) (© DBT/Melde)

Sie ist der Blickfänger, wenn man das Bundestagsbüro von Irene Mihalic betritt: Eine Schaufensterpuppe in grüner Polizeiuniform. „Das ist meine alte“, sagt die 37-Jährige: „In Nordrhein-Westfalen trägt die Polizei längst blaue Uniformen. Aber die hier habe ich aufbewahrt.“ Bis vor Kurzem habe sie noch zuhause im Schrank gehangen. „Als ich in den Bundestag kam, habe ich aber beschlossen, dass sie hier einen Platz bekommen soll – als Erinnerung daran, woher ich komme.“ 

„Es gibt Abwehrreflexe auf beiden Seiten“

Irene Mihalic ist seit Dezember 2013 Sprecherin für innere Sicherheit von Bündnis 90/Die Grünen – und von Beruf Polizistin. Damit ist die gebürtige Waldbrölerin, die seit 2004 mit ihrem Mann in Gelsenkirchen lebt, eine echte Ausnahmeerscheinung in der grünen Partei, der man traditionell ein gespanntes Verhältnis zu Polizei und Militär nachsagt. In ihrer Fraktion ist die junge Frau mit den halblangen, fast schwarzen Haaren die erste und einzige Polizistin.

„Aber ich bin nicht die einzige in der Partei“, stellt Mihalic klar und erinnert an die Gründung von „PolizeiGrün“, einem Verein, in dem sich grüne und grünennahe Polizeiangehörige 2013 bundesweit zusammengeschlossen haben. Aber sie gibt zu, dass für viele Grüne aus der Gründergeneration noch heute die Polizei ein Feindbild ist. „Da gibt es Abwehrreflexe – auf beiden Seiten: Für viele Polizisten sind die Grünen noch immer die Steinwerfer von damals. Und nicht wenige in meiner Partei erinnern sich an ihre Zusammenstöße mit der Polizei bei Demos gegen Atomkraftwerke und Castortransporte.“

In Vermittlermission unterwegs im Bundestag

Diese Fronten aufzuweichen, sei eines ihrer zentralen Anliegen als Bundestagsabgeordnete, betont Mihalic: „Ich glaube, dass ich durch meine Doppelrolle einerseits Verständnis für grüne Positionen bei der Polizei wecken, andererseits meinen Kollegen die Sicht der Sicherheitsbehörden vermitteln kann.“

Für sie war Polizistin zu sein stets ein Traumjob: Bereits als 17-Jährige startet sie in die Ausbildung in der Polizeischule Linnich, schließt danach ein Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin an der Fachhochschule ab. „Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich schon als kleines Mädchen ein großes Gerechtigkeitsempfinden hatte“, sagt Mihalic. Als Polizeianwärterin habe sie sich „noch naiv“ vorgestellt, für „Sicherheit und Ordnung zu sorgen“ und „Verbrecher zu jagen“. Wie im Fernsehen.

Im Fernsehen auf Streife

Später arbeitet Mihalic jedoch vor allem als Autobahnpolizistin in Köln. Bei ihrer Verfolgung von Rasern und anderen Verkehrssündern schauen ihr aber dennoch Zuschauer über die Schulter: Mihalic und ihr damaliger Partner sind zwei von mehreren Ordnungshütern, die die Kabel-Eins-Reportagesendung „Achtung Kontrolle“ bei ihren täglichen Einsätzen begleitet.

Doch es sind andere Ereignisse, die ihren Blick auf den Beruf verändern: Mihalic hat gerade ihre Ausbildung begonnen, als Neonazis am 26. Mai 1993 in Solingen einen Brandanschlag auf ein Haus verüben, in dem zwei Familien türkischer Herkunft lebten. Fünf Menschen sterben. Nach den rechtsextremen Attacken auf Asylbewerberheime und Wohnhäuser in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Mölln ist dieser Angriff ein erneuter Schock für die junge Frau, die selbst einen Migrationshintergrund hat.

Ihre Eltern kamen in den 1960er-Jahren aus Kroatien und Ungarn ins Bergische Land, wo Mihalic und ihre zwei älteren Geschwister aufwuchsen. „Dieser Rassismus hat mich sehr beschäftigt. Für mich war es unvorstellbar, dass jemand aufgrund seiner Herkunft solchen Anfeindungen ausgesetzt ist.“ 

„Für alle Menschen einstehen, nicht nur für eine Gruppe“

In der Polizeischule trifft sie Kollegen, die die Gewalt gegen Migranten aus nächster Nähe erlebt haben. „Auf dem Gelände der Polizeischule war auch eine Einsatzhundertschaft stationiert, die unter anderem in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen dabei war“, erinnert sich die Politikerin.

„Abends in der Kantine haben sie uns Neulingen erzählt, wie es war, als der rechtsextreme Mob auf die Bewohner los ist – und wie machtlos man sich auch als Polizist fühlen kann.“ Für Mihalic ein Weckruf: „Mir ist klar geworden, dass man als Polizistin den Rechtsstaat repräsentiert. Wenn wir nicht deutlich machen, dass wir für alle Menschen, nicht nur eine Gruppe, einstehen – ja wer soll es denn dann tun?“

Kampf um ein Landschaftsschutzgebiet

2006 wird Mihalic als Reaktion auf die aus ihrer Sicht misslungene Klimapolitik der damaligen Großen Koalition Mitglied bei den Grünen: „Ich dachte: Jetzt musst du aktiv werden. Nur auf dem Sofa sitzen und schlau daherreden, das geht nicht.“ Ein Jahr später übernimmt sie bereits Verantwortung im Kreisvorstand der Grünen in Gelsenkirchen, zieht 2009 in den Rat der Ruhrgebietsgroßstadt ein.

Besonders gegen die Pläne des BP-Konzerns, der in Gelsenkirchen-Scholven eine Raffinerie betreibt, das Firmengelände in ein Landschaftsschutzgebiet hinein zu erweitern, macht sie sich stark.

Polizei oder Politik?

Doch Politik und Polizeiarbeit lassen zunehmend schwerer zeitlich vereinbaren. Seit 2010 engagiert sich Mihalic neben Job und Mandat auch im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen Grünen. „Ich hatte wirklich verständnisvolle Vorgesetzte, die mein Engagement unterstützt haben. Aber irgendwann war der Punkt gekommen, sich zu entscheiden: Polizei oder Politik“, sagt Mihalic im Rückblick über ihre Entscheidung 2013 für den Bundestag zu kandidieren.

„Ich liebe den Polizeiberuf, doch die Politik macht mich zufriedener. Obwohl ich bislang nur in der Opposition war, habe ich doch das Gefühl, hundertprozentig für das eintreten zu können, was mir wichtig ist.“

Kein Schlussstrich unter die NSU-Aufarbeitung

Als innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist es vor allem ein Thema, das sie sich auf die Fahnen geschrieben hat: die weitere Aufarbeitung des NSU-Terrors. „Neuere Veröffentlichungen belegen, dass die Rolle des Verfassungsschutzes noch immer nicht so umfassend beleuchtet worden ist, wie es nötig gewesen wäre“, kritisiert Mihalic. Weder Bund noch Länder dürften einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung ziehen. Deshalb will sie das Thema zurück auf die Tagesordnung im Innenausschuss bringen und wirbt für eine Anhörung nach der Sommerpause.

Doch vorher steht für die begeisterte Motorradbeifahrerin eine Reise in die Vergangenheit ein: Nach mehr als 20 Jahren will sie mit ihrem Mann nach Kroatien fahren, die Heimat ihres Vaters. „Vor allem freue ich mich auf Brač. Auf dieser Insel hatten meine Großeltern früher ein Haus; meine Geschwister und ich haben dort viele Sommer unserer Kindheit verbracht“, erzählt Mihalic. „Wir waren insgesamt elf Enkel und haben die Insel unsicher gemacht.“ (sas/14.07.2014)

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