Ermäßigte Speisen-Steuer könnte teuer werden
Schon aus verwaltungstechnischen Gründen bewertet das Bundesministerium der Finanzen (BMF) abgesenkte Steuersätze „außerordentlich kritisch“. Das machte BMF-Staatssekretär Johannes Geismann am Montag, 1. Dezember 2014, vor dem von Kersten Steinke (Die Linke) geleiteten Petitionsausschuss deutlich. Auf die der Sitzung zugrunde liegende Petition eingehend, die sich für einen einheitlichen abgesenkten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für alle Speisen ausspricht, sagte Geismann, nach Schätzungen des Ministeriums wäre damit ein Steuerausfall von vier Milliarden Euro jährlich verbunden.
„Das beste Konjunkturprogramm“
Die Petentin Charlotte Buhl hatte zuvor für ihre Initiative geworben. „Wenn Sie mehr Arbeitsplätze und mehr Aufschwung im Tourismus und dem Gastgewerbe haben wollen, ist das beste Konjunkturprogramm“, sagte die Gastronomin.
Ihrer Ansicht nach würden von einer einheitlichen siebenprozentigen Besteuerung nicht nur die vielen kleinen und oft familiengeführten Gastwirtschaftsunternehmen profitieren, „sondern die gesamte Gesellschaft“.
„Hoher Preisdruck für Kantinen und Caterer“
Buhl verwies zudem auch auf Kantinenbetriebe und Caterer, die unter einem hohen Preisdruck stünden. Es sei schwierig, ein gesundes und frisches Essen für drei Euro bei einem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent anzubieten. Das gelte für Kindergärten und Schulen wie auch für Seniorenheime. „Zählen Haustiere, deren Futter mit sieben Prozent besteuert wird, mehr als junge und alte Menschen?“, fragte die Petentin.
Dem Argument der fehlenden Steuereinnahmen hielt sie entgegen, dass verschiedenen Studien zufolge 70.000 bis 90.000 neue Arbeitsplätze in der Branche entstehen könnten. „Und zwar nicht nur für Fachkräfte“, fügte sie hinzu. Damit würden viele staatliche Transferleistungen wegfallen.
„Eine Entscheidung des Gesetzgebers“
Die Vermutung, die Gastronomen würden sich die Steuerersparnis in die eigene Tasche stecken, wies sie als „Zerrbild der Realität“ zurück. Der „Investitionsschub“ nach Schaffung des ermäßigten Steuersatzes 2010 für die Hotelleriebetriebe sei ein positives Beispiel, befand Buhl.
Grundsätzlich sei die Schaffung ermäßigten Steuersätze eine Entscheidung des Gesetzgebers, sagte Finanzstaatssekretär Geismann. „Europarechtliche Probleme sehe ich da nicht“, fügte er hinzu. Ein Steuerausfall von vier Milliarden Euro jährlich sei aber nicht gerade ein Betrag, „über den man einfach so hinwegsehen kann“.
Abgrenzungsprobleme durch ermäßigte Steuersätze
Was die Verpflegung in verschiedensten Sozialeinrichtungen angeht, so gebe es dort in vielen Fällen schon die Möglichkeit ermäßigter Steuersätze, sagte er. Etwa wenn in Schulen oder Kindergärten der Träger selber das Essen ausgebe. Oder auch, wenn Einrichtungen im Rahmen ihrer Gemeinnützigkeit – nicht jedoch, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen – Speisen anbieten würden.
Geismann machte deutlich, dass ermäßigte Steuersätze immer Abgrenzungsprobleme mit sich brächten und schon daher vom BMF kritisch bewertet würden. Den Einwand, eine Ausweitung des siebenprozentigen Steuersatzes auf alle gastronomischen Produkte würde diese Abgrenzungsprobleme lösen, ließ der Staatssekretär nicht gelten. „Ich bin mir sicher, dass es dann sofort neue Ideen gäbe, wo jemand ein Produkt durch eine Essenbeigabe nur noch mit sieben Prozent versteuern möchte.“
Investitionen der Hotellerie durch Steuerabsenkung
Auf Nachfrage sagte der BMF-Vertreter, die Steuerausfälle durch die abgesenkte Steuer für die Hotellerie lägen bei einer Milliarde Euro jährlich. Über die Höhe der in diesem Zusammenhang getätigten Investitionen könne er jedoch keinen Angaben machen.
Die Petentin Charlotte Buhl verwies hingegen auf die Befragung von 5.000 Hotelbetreibern durch den Branchenverband Dehoga. Diese hätte ergeben, dass in den Jahren 2010 und 2011 allein die befragten Hotels Investitionen in Höhe von rund 900 Millionen Euro pro Jahr getätigt hätten. (hau/01.12.2014)