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Parlament

Kontrollgremium rügt die Schnüffelpraxis des BND

Sieben Männer und eine Frau stehen vor Mikrofonen

Hans-Christian Ströbele (v.l), Clemens Binninger, Burkhard Lischka, André Hahn, Gabriele Fograscher, Armin Schuster, Uli Grötsch und Stephan Mayer (DBT/Melde)

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat nach Feststellungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) „teilweise über Jahre“ Institutionen und Personen in befreundeten Staaten, in einigen Fällen sogar im Ausland tätige Deutsche, ausgespäht und damit deutschen Interessen massiv geschadet. Erschwerend komme hinzu, dass dieser Sachverhalt dem Kanzleramt seit Oktober 2013 bekannt gewesen, dem Parlament aber weitere zwei Jahre lang verschwiegen worden sei, heißt es in einer Erklärung, die das PKGr in einer Sondersitzung in Anwesenheit von Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch, 16. Dezember 2015, verabschiedete.

BND hat selber Selektoren entwickelt

Dass die amerikanische National Security Agency (NSA) in der gemeinsam mit dem BND betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling Suchmerkmale eingespeist hatte, die zur Ausspähung europäischer Ziele geeignet waren, kam im vergangenen April ans Licht. Dass auch der deutsche Geheimdienst selber solche Selektoren entwickelt und eingesetzt hatte, weiß die Öffentlichkeit erst seit einigen Wochen.

Beim BND war dieser Sachverhalt im Spätsommer 2013 aufgefallen, als im Nachgang zu den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden der Bestand der zur „strategischen Fernmeldeaufklärung“ genutzten Suchmerkmale überprüft wurde. Dabei fanden sich an die 40.000 NSA- und weitere 3300 BND-Selektoren, die als politisch fragwürdig deaktiviert und in zwei gesonderten Verzeichnissen registriert wurden.

„Nicht auftragskonform und rechtlich unzulässig“ 

Mitte Oktober, einige Tage, nachdem in Medienberichten erstmals von der Existenz einer „Ablehnungsliste“ BND-eigener Selektoren die Rede gewesen war, hatte das PKGr eine „Taskforce“ eingesetzt, um dieses Verzeichnis unter die Lupe zu nehmen. Die Ermittler legten am Mittwoch einen vorläufigen Bericht vor. Demnach bewerten sie etwa ein Drittel der in der Liste erfassten, weil auf EU- oder Nato-Staaten bezogenen Suchmerkmale als „mit großer Wahrscheinlichkeit rechts- und auftragskonform“. Das Verzeichnis enthalte eine weitere Gruppe von Selektoren, die nicht auf den ersten Blick als politisch bedenklich oder unbedenklich einzuschätzen seien. In diesen Fällen sei eine einwandfreie Begründung „vorstellbar“.

Darüber hinaus indes habe der BND „eine Vielzahl von Zielen aufgeklärt, die nicht auftragskonform und rechtlich unzulässig“ gewesen seien. Betroffen waren Regierungen befreundeter Länder, EU-Institutionen sowie nichtstaatliche Organisationen. „Eine sorgfältige Abwägung des nachrichtendienstlichen Mehrwerts gegenüber der politischen Sensibilität der Ziele war hier nicht erkennbar.“ In Gegenteil seien die fraglichen Selektoren jahrelang im Einsatz gewesen, ohne dass relevante Erkenntnisse angefallen seien.

Im Ausland tätige Staatsbürger ausspioniert

Besonders gravierend sei, dass unter den ausgespähten Zielen auch im Ausland tätige deutsche Staatsbürger waren, für die der Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes gilt. Allerdings argumentiert der BND, dass Deutsche, die im Ausland in internationalen Institutionen oder Unternehmen beschäftigt sind, sich darauf nicht berufen können. Für diese „Funktionsträgertheorie“ sei indes weder in der einschlägigen Rechtsprechung noch in der juristischen Fachlitertatur eine Begründung zu finden, monieren die Verfasser des Berichts.

Ende Oktober 2013, wenige Tage, nachdem die Kanzlerin ihre Überzeugung geäußert hatte, „Ausspähen unter Freunden“ gehe gar nicht, teilte der BND-Präsident dem Kanzleramt mit, dass auch deutsche Geheimdienstler genau dies jahrelang getrieben hatten. Die Regierung habe es aber unterlassen, das PKGr davon zu informieren, wie es bei „Vorkommnissen von besonderer Bedeutung“ ihre gesetzliche Pflicht gewesen wäre. Auch in den zahlreichen Erörterungen der Enthüllungen Snowdens in den Jahren 2013 und 2014 sei im Gremium nie von BND-eigenen Selektoren die Rede gewesen. Erst im Oktober 2015 habe, wie die Öffentlichkeit, auch das Parlament davon erfahren.

Neufassung des BND-Gesetzes

„Bisher dachte ich, die Bundesregierung kann es sich nicht leisten, klar die Unwahrheit zu sagen. Dass man falsch informiert und belogen wird, habe ich nicht für möglich gehalten“, empörte sich der Grüne Hans-Christian Ströbele, der zwar der Taskforce angehört, aber als einziger Abgeordneter  im PKGr gegen den Bericht gestimmt hatte. Er sei „viel zurückhaltend“ fomuliert, enthalte zu wenige konkrete Informationen. Das Gremium verstehe sich „zu sehr“ als Stütze von Regierung und BND.

Dass „die eine oder andere Formulierung noch schärfer“ hätte ausfallen können, räumte der Vorsitzende des Gremiuns, André Hahn (Die Linke) ein. Für die SPD sprach Burkhard Lischka von „unhaltbaren Zuständen, die dringend geregelt werden müssen“. Es dürfe „keinen Freifahrtschein für den BND“ mehr geben. Der Christdemokrat Clemens Binninger (CDU/CSU) hob hervor, dass die Taskforce in nur zwei Monaten „ein mehr als beachtenswertes Ergebnis abgeliefert“ habe. Wie Lischka, verlangte auch er eine Neufassung des BND-Gesetzes. (wid/17.12.2015)

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