Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan abgelehnt
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen fordern einen sofortigen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan. Beide Fraktionen scheiterten jedoch mit entsprechenden Anträgen (18/6869, 18/6774) am Freitag, 16. Dezember 2016, an der Großen Koalition. Der Bundestag folgte mit seinem Votum einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses (18/7974).
Linke: Lage in Afghanistan nicht sicher
Die Linke-Innenpolitikerin Ulla Jelpke nannte die Abschiebung von 34 afghanischen Flüchtlingen an diesem Mittwoch, 14. Dezember, eine „menschenrechtliche Grausamkeit“ und „unerträglich“. Dass der Bundestag nur einen Tag später die Verlängerung eines Bundeswehreinsatzes in Afghanistan beschlossen habe, sei ein Beweis dafür, dass „die Lage keineswegs sicher“ sei.
Jelpke sagte, die Abschiebung „in Kriegsländer geht gar nicht“, ihre Fraktion fordere deshalb einen sofortigen Abschiebestopp. Die Abschiebungen seien „selbst in der AfD umstritten“, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) aber wolle „die Rechtspopulisten rechts überholen“. Dies sei „ein Skandal“. Dass die Anerkennungsquote bei afghanischen Flüchtlingen in diesem Jahr nur noch bei knapp 50 Prozent liege, während es 2015 noch 77,6 Prozent gewesen seien, sei ein Beleg dafür, dass das Bundesamt für Migration „mit politischen Vorgaben belegt“ sei.
Grüne: Abschiebungen sind „Verantwortungslosigkeit“
Auch Luise Amtsberg kritisierte für die Grünen die Abschiebungen scharf. Die Union propagiere einen „Popanz“ eines sicheren Afghanistans. Das Auswärtige Amt warne vor Reisen in das Land, dort drohten Entführungen, Terror und Gewaltakte. Das Einzige, was sicher in Afghanistan sei, sei „das Risiko“ - dorthin abzuschieben sei eine „Verantwortungslosigkeit“, mit der ein Exempel statuiert werden soll. Dies sei „Symbolpolitik aus wahlkampftaktischen Überlegungen ohne Rücksicht auf Verluste“.
Dass sich die Bundesbeauftragten für Integration und Menschenrechte von den Abschiebungen im Nachhinein distanziert hätten, mache fassungslos, so Amtsberg. Sie erwarte, dass diese Beauftragten künftig handelten, „bevor der Flieger in der Luft“ ist.
CDU/CSU unterstützt Abschiebungen
Die Große Koalition verteidigte dagegen das Vorgehen. Der Unions-Innenexperte Stephan Mayer sagte, er sei dankbar, dass die beiden Anträge vorgelegt worden seien, weil so die Gelegenheit bestehe, manches zurechtzurücken, was vollkommen falsch dargestellt worden sei. Abschiebungen seien die „konsequente Durchführung des Asyl- und Flüchtlingsrechts“. Es sei nötig, dass unterschiedliche Personengruppen unterschiedlich behandelt werden: Wer ausreisepflichtig sei, müsse das Land verlassen, während man gegenüber Menschen, die verfolgt werden und schutzbedürftig sind, „immer offen und aufgeschlossen“ sein müsse.
Derzeit hielten sich rund 250.000 afghanische Flüchtlinge in Deutschland auf, davon seien 12.500 ausreisepflichtig. Allein in diesem Jahr hätten mehr als 3.200 Afghanen Deutschland freiwillig verlassen, Deutschland unterstütze die freiwillige Heimreise massiv. Unter den am 14. Dezember Abgeschobenen seien Straftäter gewesen, die wegen Totschlag, Vergewaltigung, Raub und Diebstahl verurteilt seien und er, so Mayer, halte es für „gut, dass die mittlerweile außer Landes sind“. Man unterstütze daher den Innenminister, der weitere Sammelabschiebungen angekündigt habe, ausdrücklich.
SPD hält Verfahren für problematisch
Deutlich kritischer fiel das Statement des SPD-Abgeordneten Prof. Dr. Lars Castellucci aus: Er habe Zweifel, ob man mit dem Vorgehen der politischen Verantwortung, Menschen zu schützen, gerecht geworden sei - und hätte die Abschiebungen, hätten sie in seiner Verantwortung gelegen, „nicht veranlasst“.
Angesichts zweifelhafter Einzelfälle und der Tatsache, dass ein Flüchtling in letzter Minute durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Flugzeug geholt worden sei, komme er zu dem Schluss, dass die Verfahren der Abschiebung „so nicht in Ordnung“ seien; man habe „Sorgfaltsprobleme“. Grundsätzlich seien auch Straftaten „kein Grund, jemanden in Bombenhagel, Terror und Folterdrohungen zurückzuschicken“.
Oppositionsforderungen an den Innenminister
In ihren abgelehnten Anträgen hatten Die Linke und die Grünen gefordert, Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) zu beauftragen, gegenüber den Ländern sein Einverständnis für eine Aufenthaltsgewährung für Afghanen zu erklären und sich für entsprechende Regelungen einzusetzen.
Ferner sollte der Ressortchef den Vorlagen zufolge unter anderem dafür sorgen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Afghanen keine Widerrufe von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen oder eines subsidiären Schutzes vornimmt. (suk/16.12.2016)