Aktuelle Stunde

Wie sexueller Miss­brauch effektiver bekämpft werden kann

Seit Ende Mai in Münster ein 27-Jähriger festgenommen wurde und mit ihm ein bundesweiter Ring von mindestens 18 Pädokriminellen aufgeflogen ist, tobt in der Öffentlichkeit eine Debatte über ein höheres Strafmaß für Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. Am Donnerstag, 18. Juni 2020, ging diese Debatte im Bundestag mit einer von CDU/CSU und SPD verlangten Aktuellen Stunde zur effektiven Bekämpfung von sexuellem Missbrauch in die nächste Runde, denn schon in der nächsten Sitzungswoche soll der Bundestag über einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium beraten. 

Ministerin: Minderschwere Fälle soll es nicht mehr geben 

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verwies darauf, dass nur bei 0,5 Prozent aller Verurteilungen wegen schweren Kindesmissbrauchs der jetzt schon mögliche Strafrahmen von zehn bis 15 Jahren ausgenutzt werde. Zu viele Strafen würden zudem zur Bewährung ausgesetzt. Lambrecht stellte klar: „Jeder sexuelle Missbrauch ist eine Straftat“, deshalb solle es auch künftig keine minderschweren Fälle von Kindesmissbrauch mehr geben.

Auch der Besitz von Kinderpornografie, hinter dem ein Verbrechen steht, soll nach dem Willen der Ministerin künftig als Verbrechen eingestuft werden. Sie kündigte darüber hinaus eine Fortbildungspflicht für Familienrichter an und warb eindringlich für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. 

AfD: Wir brauchen endlich härtere Strafen

Mariana Harder-Kühnel (AfD) kritisierte ebenfalls, dass zu viele Strafen bei Kindesmissbrauch zur Bewährung ausgesetzt würden, obwohl die Täter ein sehr hohes Rückfallrisiko hätten. Sie kritisierte Lambrecht dafür, noch in der vergangenen Woche gegen eine Strafrechtsverschärfung argumentiert zu haben. Sie müsse endlich zurücktreten, so die AfD-Abgeordnete.

„Es darf keine Entkriminalisierung von Pädokriminellen geben. Wir brauchen endlich härtere Strafen“, forderte sie. Nicht nur die Mindeststrafen müssten erhöht, auch das Strafmaß müsse öfter ausgeschöpft werden, betonte Harder-Kühnel.

CDU/CSU: Nicht nur eine Einstiegsstraftat

Thorsten Frei (CDU/CSU) betonte, der Besitz von Kinderpornografie sei nicht nur eine Einstiegsstraftat. Die Ermittlungsbehörden bräuchten endlich umfassende Befugnisse, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Zum Beispiel sei eine Online-Durchsuchung endlich nötig.

Es dürfe auch nicht sein, dass Pädokriminelle nach ein paar Jahren wieder ein sauberes Führungszeugnis bekommen, sagte Frei. Kritisch äußerte er sich zu dem Vorschlag Lambrechts, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. „Im Grundgesetz steht nichts, was uns hindern würde, alles Mögliche zu tun, um unsere Kinder besser zu schützen“, so Frei.

FDP: Mindeststrafmaß festsetzen

Katja Suding (FDP) nannte den Ruf nach härteren Strafen „emotional nachvollziehbar“, darüber müsse man jedoch „mit kühlem Kopf“ entscheiden. Schon jetzt sei eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung möglich. Geändert werde müsse jedoch das Strafmaß am unteren Rand.

Was bisher als „Vergehen“ eingestuft werde, müsse als Verbrechen eingestuft werden mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr, forderte Suding. Jedoch dürfe man sich auf einer Ausweitung des Strafmaßes nicht ausruhen, denn Kinder besser zu schützen, funktioniere nur mit einer besseren Prävention, also einer besseren Ausstattung von Behörden und Kindergärten mit Fachpersonal.

Linke: Über besseren Schutz für die Opfer reden

Norbert Müller (Die Linke) argumentierte ähnlich: „Wir reden viel zu selten über besseren Schutz für die Opfer.“ Dabei wisse man, dass harte Strafen die Täter nicht von ihren Strafen abhalten würden. „Was Täter ernsthaft erschrickt, ist die Sorge, erwischt zu werden.“ Deshalb brauche man einen anderen Ansatz, der unter anderem die Kinder selbst stärke.

„Wir brauchen Kinder, die ihre Rechte kennen und lernen, dass ihr Körper nur ihnen gehört“, sagte Müller. Eine bessere Sensibilisierung habe nichts mit Frühsexualisierung zu tun, sondern diene dem Schutz der Kinder. Er nannte es unverständlich, in dieser Debatte gegen die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz zu argumentieren.

Grüne: Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen

Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) nannte die ausschließliche Diskussion über das Strafmaß bezüglich der Frage, wie man Kinder besser schützen könne, verfehlt. Man müsse stattdessen über Kinderschutz reden und damit über die bisher mangelhafte Ausstattung von Jugendämtern und Ermittlungsbehörden, über fehlende Fachberatungsstellen.

Kinder effektiv zu schützen, sei eine komplexe Aufgabe, viel zu oft hapere es aber an einer soliden Finanzierung in diesem Bereich. Dörner forderte ebenfalls, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen und eine verpflichtende Fortbildung für Familienrichter einzuführen.

SPD: Die Prävention stärken

Dirk Wiese (SPD) sicherte Justizministerin Lambrecht Unterstützung für ihre Gesetzesinitiative zu. Er betonte aber auch, dass das Strafrecht nur die eine Seite der Medaille sei. „Wir brauchen eine Stärkung der Prävention in Kitas, Jugendämtern und bei Projekten.“ Denn das Strafrecht greife ja erst, wenn die Tat schon geschehen sei.

Es könne nicht sein, dass aus Nordrhein-Westfalen lautstarke Forderungen nach einem höheren Strafmaß kommen und gleichzeitig Meldungen über die Schließung von Jugendämtern. „Wir brauchen Kinderschutz mit Verfassungsrang“, betonte er. (che/18.06.2020)

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