Das Parlamentsfernsehen sendet seit 1995
Am 26. April 1995 übertrug der Deutsche Bundestag zum ersten Mal eine Plenarsitzung mit sieben automatischen Kameras. Statt wie bisher nur das Bild eines einzigen, starr auf das Rednerpult ausgerichteten Objektivs auf die Bildschirme zu bringen, wurden jetzt bewegte Bilder aus unterschiedlichen Blickwinkeln geliefert – mit Schwenks auf Regierungs- und Bundesratsbank sowie Zwischenrufer.
Diskussion über einen Parlamentskanal
Zunächst aber waren die parlamentseigenen Bilder über den Hauskanal des Bundestages (damals noch in der früheren Bundeshauptstadt Bonn) weiterhin nur in den Büros der Abgeordneten und Bundestagsmitarbeiter, in Redaktionen und Bundesbehörden zu empfangen.
Die ausführliche Diskussion über einen Parlamentskanal hatte bereits Mitte der achtziger Jahre begonnen. Nach Beratungen der Ad-hoc-Kommission Parlamentsreform befasste sich in der zehnten Wahlperiode (1983 bis 1987) auch der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung eingehend mit der Frage.
Unbearbeitet, ungekürzt, bundesweit
Immer mehr Volksvertreter sprachen sich für die Einführung eines Parlamentskanals aus, in dem alle Plenardebatten und gegebenenfalls sonstige öffentliche Sitzungen unbearbeitet, ungekürzt und bundesweit übertragen werden sollten.
Der damalige Bundestagspräsident Dr. Philipp Jenninger (1984 bis1988) unterstützte diese Forderung. In einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ am 30. Mai 1987 bekräftigte er, er wolle den Bürgern der Bundesrepublik die Möglichkeit verschaffen, unabhängig von den Sendezeiten der Fernsehanstalten Bundestagsdebatten so lange zu verfolgen, wie sie es wünschen.
Standkamera seit 1987
Seit 1987 dokumentierte der Bundestag das Plenargeschehen mit einer eigenen Standkamera im Plenarsaal. Das sogenannte elektronische Protokoll wurde im Hauskanal als Service des Bundestages für Abgeordnete, Ministerien und die Presse übertragen. 1990 wurde das Angebot um Videotext, aus dem sich beispielsweise die Redner zum aktuellen Tagesordnungspunkt entnehmen ließen, erweitert.
Nicht immer war das Fernsehen ein gern gesehener Gast in den Plenardebatten des Bundestages gewesen. In den ersten Jahren war der Rundfunk im Bundestag bei großen Debatten selbstverständlich live dabei: erst das Radio, ab 1953 auch das Fernsehen. Von Mitte der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre war das Fernsehen im Plenum weniger beliebt. Anders als sein Vorgänger im Amt des Bundestagspräsidenten, Dr. Hermann Ehlers (1950 bis 1954), hatte Prof. Dr. Dr. Eugen Gerstenmaier (1954 bis 1969) eine eher ablehnende und restriktive Einstellung zu Fernsehübertragungen aus dem Plenarsaal.
Ausbau des bundestagseigenen Fernsehens
Im Jahr 1957 wurde das Fernsehen zunächst mit dem Hinweis auf den laufenden Wahlkampf nicht mehr zugelassen. Im Jahr darauf beschloss der Ältestenrat gar, TV-Übertragungen aus Arbeitssitzungen des Parlaments künftig ganz auszuschließen. Ab 1966 waren Sendungen aus dem Plenarsaal wieder generell erlaubt und Ende 1968 installierte der Westdeutsche Rundfunk eine eigene Standkamera im Plenarsaal. 1979 erteilte der Bundestag die Genehmigung, aus dem Plenarsaal farbig zu übertragen.
In der zwölften Wahlperiode (1990 bis 1994) befasste sich auch die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat mit Fragen des Parlamentsfernsehens. Nach ausführlichen Diskussionen im Ältestenrat und Gesprächen auf vielen Ebenen sprach sich der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung in seiner Sitzung vom 19. Juni 1991 für den Ausbau des bundestagseigenen Fernsehens aus, wie es dann zuerst in Bonn 1995 und später aufgrund einer weiteren Entscheidung vom 30. November 1995 (13. Wahlperiode) auch in Berlin verwirklicht wurde.
Kameras im Plenarsaal und in Ausschusssälen
Erst mit Beginn der 14. Wahlperiode, im Herbst 1998, erfüllte sich der Wunsch vieler Abgeordneter nach einem bundesweit empfangbaren Parlamentskanal. Via Web-TV konnten zum ersten Mal auch private Haushalte das parlamentarische Fernsehen empfangen. Mit dem Fernsehen über Internet unter www.bundestag.de hatte jeder Bürger die Möglichkeit Plenardebatten live, unkommentiert und in voller Länge zu verfolgen oder zu einem späteren Zeitpunkt abzurufen.
Seit 1999 sendet das Parlamentsfernsehen aus Berlin. Im Plenarsaal im Reichstagsgebäude hat der Deutsche Bundestag Kameras installiert, die das Parlamentsgeschehen verfolgen. Zudem sind mehrere Sitzungssäle, davon drei im Paul-Löbe-Haus, mit Kameratechnik ausgestattet. Aus ihnen können zum Beispiel öffentliche Anhörungen der Ausschüsse übertragen werden.
Das Übertragungsangebot heute
Heute werden alle Plenardebatten sowie eine Vielzahl öffentlicher Ausschusssitzungen und Anhörungen live, unkommentiert und in voller Länge übertragen. Sämtliche Live-Übertragungen sowie das vollständige Videoangebot seit Beginn der 17. Wahlperiode im Oktober 2009 bietet die Mediathek. Unter www.bundestag.de/mediathek können Plenar- und Ausschusssitzungen, Sonderveranstaltungen, Interviews und Reportagen zu jedem beliebigen Zeitpunkt angesehen oder heruntergeladen werden.
Seit 1. Februar 2021 werden in Sitzungswochen des Bundestages alle Übertragungen des Parlamentsfernsehens auf www.bundestag.de live untertitelt. Zudem werden die Plenardebatten am Donnerstag- und Freitagvormittag (Kernzeit) sowie ausgewählte Veranstaltungen in Gebärdensprache (DGS) und mit Untertiteln live übertragen. Die DGS-Videos mit Untertiteln stehen anschließend unter www.bundestag.de/gebaerdensprache zur Verfügung. Internetfähige Fernseher können das Angebot der Mediathek mithilfe einer Smart TV-App benutzerfreundlich abrufen. Die TV-App „Deutscher Bundestag“ steht in zahlreichen App-Stores zum Download bereit.