Parlament

Iranische Abgeordnete im Bundestag: Signal des Neubeginns

Sechs Männer und eine Frau im schwarzer Verhüllung, stehen nebeneinander vor deutscher und EU-Fahne.

Iranische Abgeordnete Somayyeh Mahmoudi, Majid Kianpour, Botschafter Ali Majedi, Abgeordneter Hossein Amiri Khamkani (Vorsitzender der Iranisch-Deutschen Freundschaftsgruppe), Bundestagspräsident Norbert Lammert, Abgeordnete Ashgar Masoudi, Yayha Kamalipour (DBT/Melde)

Es war der erste Besuch einer Delegation der Iranisch-Deutschen Freundschaftsgruppe des iranischen Parlaments in der Bundesrepublik. Auf Einladung der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe des Bundestages waren vom 6. bis 10. März 2017 iranische Abgeordnete zu Gast in Deutschland. Dr. Rolf Mützenich, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik, unterstreicht als Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe die Bedeutung des Treffens, das erst nach der Beilegung des jahrelangen Nuklearstreits im Sommer 2015 möglich wurde.

Parlamentariergruppe bestand ohne Unterbrechung

Der Delegationsbesuch ist aus Sicht Mützenichs ein Signal des Neubeginns. „Beide Seiten konnten sich in den aktuellen Gesprächen vergewissern, dass sie weiterhin von den bisher miteinander gemachten vielfältigen Erfahrungen profitieren.“ Die Beziehungen zwischen beiden Ländern reichten schließlich über die sicherheitspolitische Eiszeit des Konflikts um die Nuklearfrage hinaus, erklärt der SPD-Abgeordnete.

Daher habe sich der Bundestag auch während der zurückliegenden Wahlperioden, trotz des Ausbleibens offizieller Besuche, entschlossen, eine Deutsch-Iranische Parlamentariergruppe einzurichten. „Dass die Gruppe ohne Unterbrechung bestand, war richtig“, sagt Mützenich. Daran könne man nun anknüpfen. Kooperationen und Kontakte habe es im Übrigen auf unterschiedlichen Ebenen immer gegeben.

„Wertvoller Gesprächskanal“

Die parlamentarische Zusammenarbeit sei – ergänzend zu den Kontakten auf Regierungsebene – für die Beziehungen zwischen beiden Ländern sehr wertvoll. „Als Abgeordnete repräsentieren wir die Gesellschaft in ihrer Vielfalt und können ein breiteres Spektrum an Themen bearbeiten“, so Mützenich. Die Parlamentariergruppen setzen sich aus Abgeordneten aller Fraktionen zusammen.

Zwar sei das iranische Parlament, die „Versammlung des Islamischen Rates“, nach europäischem Verständnis keine demokratische Institution und spiele im Verfassungsgefüge des Landes nur eine untergeordnete Rolle. Als deutsche Abgeordnete stehe man aber in der Tradition der außenpolitischen Beziehungen des Bundestages und lege großen Wert darauf, den parlamentarischen Gesprächskanal aufrecht zu erhalten. „Wir verschließen uns nicht, gehen auf die Themenvorschläge der Iraner ein, suchen nach Gemeinsamkeiten, nutzen unsere Kontakte aber auch, um unsere eigenen Interessen und Kritik vorzutragen“, so der Außenpolitiker Mützenich.

Dabei versuche man, den Gästen aus der Islamischen Republik einen Eindruck von der parlamentarischen Praxis hierzulande zu vermitteln. So kamen die Iraner im Bundestag mit Mitgliedern von Fachausschüssen zusammen, wurden von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert empfangen und konnten eine Plenardebatte von der Ehrentribüne aus verfolgen.

Raum für den Ausbau der Beziehungen

In den zurückliegenden Jahren hatten die internationalen Verhandlungen um das iranische Nuklearprogramm und die gegen Teheran verhängten Sanktionen den Austausch mit dem Iran erschwert. Seit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen den fünf Uno-Vetomächten sowie Deutschland und der EU einerseits und dem Iran andererseits im Juli 2015, in dem Teheran auf die militärische Nutzung der Kernenergie verzichtet und sich der Überwachung durch die internationale Atomenergiebehörde unterwirft, und infolgedessen die Sanktionen schrittweise aufgehoben werden sollen, gebe es wieder Raum für einen Ausbau der bilateralen Beziehungen, betont Mützenich.

Besuche, vor allem von iranischer Seite, kämen nun einfacher und öfter zustande. Andere Themen rückten ins Blickfeld. „Lange lag Mehltau auf sehr interessanten Kooperationsbereichen jenseits der sicherheitspolitischen Fragen“, so der SPD-Außenpolitiker. Die neue Offenheit wolle man nutzen, um die Zusammenarbeit in ihrer ganzen Breite wieder zum Leben erwecken – auch wenn die Beziehungen zu dem iranischen Regime weiterhin nicht unkompliziert seien.

Holocaust-Leugnung und Drohungen gegen Israel als „rote Linie“

Mützenich erinnert daran, dass es im Iran weit verbreitet sei, den Holocaust zu leugnen oder Israel zu drohen, sogar von offizieller Seite, auch wenn vielen Iranern diese Haltung wie überhaupt die Ideologie des Regimes peinlich sei. Man mache den iranischen Gesprächspartnern immer wieder klar, dass man ihnen eine derartige Geschichtsverdrehung nicht durchgehen lasse, und dass Deutschland für das Existenzrecht Israels einstehe. Dies sei als Teil deutscher Staatsräson nicht verhandelbar und müsse Basis der Beziehungen zum Iran sein, unterstrich der Bundestagspräsident bei seinem Treffen mit der Delegation.

Respektiere Iran das Existenzrecht Israels und erfülle die Verpflichtungen des Nuklearabkommens, dann eröffneten sich allerdings eine Fülle an Möglichkeiten der Zusammenarbeit, sagt Mützenich.

Iraner wollen breite Kooperation mit Deutschland

Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technik, Handel, Wirtschaft, Energie sowie Tourismus und Verkehr – um die Zusammenarbeit mit Deutschland in all diesen Bereichen auszubauen, hatten die Iraner entsprechende Fachpolitiker nach Berlin entsandt. Dabei könne man an reichlich Vorhandenes anknüpfen und es weiterentwickeln, sagt Mützenich und verweist auf die seit Langem engen Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Teheran wolle mit deutscher Hilfe seine wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, werbe um Investitionen und Know-how. So beabsichtige man, sich künftig nicht mehr nur auf die Förderung fossiler Rohstoffe und die Nutzung der Kernkraft zu konzentrieren, sondern sich auch an der Entwicklung alternativer Energieerzeugung zu beteiligen. Dabei könne das Land auf ein großes Reservoir an jungen, gut ausgebildeten Arbeitskräften zurückgreifen.

Künftig wollen sich die Iraner zudem noch stärker auf die geografische Position des Landes zwischen Europa und Asien besinnen, um sich als wirtschafts- und verkehrsgeografischer Schnittpunkt ins Spiel zu bringen. Auch die Möglichkeiten des Tourismus, der in der iranischen Volkswirtschaft eine immer wichtigere Rolle einnimmt, sollen verbessert werden.

„Man sieht in Deutschland einen ehrlichen Makler“

Um diese Themen zu vertiefen, kam man unter anderem mit den Bundestagsausschüssen für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie für Tourismus zusammen und hatte Termine im Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auf dem Programm standen außerdem Besuche beim Auswärtigen Amt, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, dem Deutschen Archäologischen Institut und dem Goethe-Institut sowie beim Netzwerk der Deutschen Außenhandelskammern.

Die Bundesrepublik werde von den Iranern als verlässlicher Anknüpfungspunkt gesehen, um wieder mit der Welt in Kontakt zu kommen, sagt Mützenich. „Deutschland werden Interessen unterstellt, die nicht allein zulasten des Irans gehen. Man sieht in Deutschland einen ehrlichen Makler.“

„Wesentliches Interesse an stabilem Iran“

Als deutsche Seite habe man gegenüber den Gästen die unbefriedigende Menschenrechtslage im Iran sowie drängende außen- und sicherheitspolitische Fragen angesprochen. Ein Aspekt rücke dabei angesichts von Kriegen, Bürgerkriegen, IS-Terror und Flüchtlingsströmen in den Vordergrund: Der Iran sei inmitten einer von Konflikten durchzogenen Region und trotz Repressionen gegen Oppositionelle und Minderheiten im eigenen Staat als stabiles Land zu bezeichnen. Ein Land, das immerhin nicht vor dem Zusammenbruch stehe – in diesem Kontext ein Wert an sich. „Wir haben ein wesentliches Interesse an einem stabilen Iran“, betont der Vorsitzende der Parlamentariergruppe. Das Land besitze für die Region des Mittleren Ostens eine Ankerfunktion.

Vor allem im Zusammenhang mit den aktuellen Krisenherden wie dem Bürgerkrieg in Syrien und den Flüchtlingsströmen in und aus der Region habe man die Iraner an ihre Verantwortung und ihre Gestaltungsmöglichkeiten im Nahen und Mittleren Osten erinnert. „Deutschland würde sehr davon profitieren, wenn sich Teheran stabilitätsfördernd in den Syrienkonflikt einbringt. Wir haben ein großes Interesse an der Bekämpfung der Fluchtursachen und der Lösung der Konflikte – und das muss auch Teheran haben“, mahnt Mützenich. Hunderttausende Flüchtlinge aus Afghanistan und aus Syrien befänden sich schließlich auch in dem Golfstaat, und der IS-Terror habe gezeigt, dass er vor Grenzen nicht haltmache.

„Zahlreiche Kooperationen können wiederbelebt werden“

Während aber Deutschland sich im Irak und in Syrien in Form humanitärer Hilfe engagiere, sei der Iran weiterhin in die Konflikte rund um Syrien involviert, indem es beispielsweise die schiitische Hisbollah-Organisation im Libanon finanziere, deren Kämpfer auf Seiten des Assad-Regimes in den syrischen Bürgerkrieg eingriffen.

Trotz und gerade wegen der regionalen Konflikte und der Rolle Irans darin müsse man mit Teheran im Gespräch bleiben – und dabei Streitpunkte offen ansprechen. Das Interesse, die Beziehungen aufrechtzuerhalten, ja auszubauen, sei beiderseitig vorhanden. Zahlreiche Kooperationen könnten wiederbelebt werden, viele neue Projekte seien umsetzungsreif. Mützenich wirbt dafür, dass sich die Regierungen beider Länder die aktuellen Schwerpunkte der Parlamentarier als Bereiche von wechselseitigem Interesse zu eigen machen. (ll 14.03.2017)

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