Parlament

Nationalsozialismus (1933 - 1945)

Tag von Potsdam: Reichskanzler Adolf Hitler begrüsst den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.- 21. März 1933, Foto.

Tag von Potsdam: Reichskanzler Adolf Hitler begrüsst den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.- 21. März 1933, Foto. (pa/Mary Evans Picture Library)

Der Parlamentarismus der Weimarer Republik war bereits vor dem 30. Januar 1933, dem Tag von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Hindenburg, unterhöhlt. Hitler hatte sich den konservativen Eliten, die der Republik ebenfalls ablehnend gegenüberstanden, nicht zuletzt dadurch empfohlen, anstelle des parlamentarischen Systems einen autoritären Führerstaat etablieren zu wollen. Wie die Kanzler der Präsidialkabinette vor ihm erwirkte Hitler am 1. Februar 1933 von Hindenburg die Auflösung des Reichstages und Ansetzung von Neuwahlen. Der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 lieferte den willkommenen Anlass für die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat“, mit der die in der Weimarer Verfassung verankerten individuellen Grundrechte „bis auf weiteres“ außer Kraft gesetzt wurden - und dies bis zum Ende des „Dritten Reiches“ blieben.

Ermächtigungsgesetz

Ungeachtet des Terrors und der ersten Verhaftungswelle von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern erzielte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 12,3 Prozent, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 18,3 Prozent sowie die Parteien der bürgerlichen Mitte, Zentrum und Bayerische Volkspartei (BVP), 13,9 Prozent der Stimmen, während die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) auf 43,9 Prozent bzw. 8 Prozent kamen und demzufolge zusammen eine rechte Regierung bildeten. Mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ beabsichtigte Hitler, sich von jeglicher Kontrolle durch das Parlament zu befreien, wofür er jedoch eine Zweidrittelmehrheit benötigte. Die 81 gewählten Abgeordneten der KPD nahmen an der Abstimmung nicht teil - sie waren entweder bereits verhaftet, lebten in der Illegalität oder emigriert. Während 94 Abgeordnete der SPD trotz Einschüchterung der Gesetzesvorlage nicht zustimmten, nahmen Zentrum, BVP, Deutsche Staatspartei (DStP), Christliche-sozialer Volksdienst (CSVD), Bauernpartei und Landbund das Ermächtigungsgesetz gemeinsam mit DNVP und NSDAP an. Der Regierung wurde das Recht eingeräumt, Gesetze ohne die Zustimmung des Parlaments zu erlassen, selbst dann, wenn diese nicht in Übereinstimmung mit der Reichsverfassung standen. Der Reichstag degradierte sich somit selbst von einem Legislativ- zu einem Akklamationsorgan.

Führerstaat

Am 31. März 1933 verabschiedete die Regierung bereits ohne Einbeziehung des Parlaments das Gesetz über die Gleichschaltung der Länder, deren Selbständigkeit aufgegeben und durch einen strikten Zentralismus ersetzt wurde. Zehn Monate später hob das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ die Länderparlamente auf. Dem folgte am 14. Februar 1934 die Auflösung des Reichsrates, der Ländervertretung auf Reichsebene. Im Sommer 1934 kam die Etablierung des „Führerstaates“ weiter entscheidend voran, als Hitler im Zuge des Röhm-Putsches Ende Juni und Anfang Juli unliebsame Machtkonkurrenten politisch kaltstellen oder ermorden ließ. Nach Hindenburgs Tod am 2. August 1934 wurde Hitler dank eines - ebenfalls ohne Einwilligung des Parlaments - verabschiedeten Gesetzes über die Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers zum „Führer und Reichskanzler“ ernannt. Zudem wurde er oberster Befehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich und nicht mehr auf die Weimarer Verfassung vereidigt wurde.

Reichstag als „Einparteienparlament“

Der Reichstag trat nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes nur noch 19 Mal zusammen. Den sieben von ihm verabschiedeten Gesetzen standen 986 Gesetze gegenüber, die durch die Regierung beschlossen wurden. Bereits zur Reichstagswahl vom 12.11.1933 blieb den Wählern nur noch ein Votum nach Einheitslisten, denen sie entweder uneingeschränkt zustimmen oder sie ablehnen konnten. Durch den Entzug der Mandate kommunistischer oder sozialdemokratischer Abgeordneter und den Übertritt bürgerlicher Mandatsträger zur NSDAP entwickelte sich der Reichstag schließlich zu einem Einparteienparlament, dessen Parlamentarier auf die Treue zum Führer eingeschworen waren. Der Bedeutungslosigkeit des Parlaments stand gegenüber, dass das Mandat mit Prestige und guter finanzieller Absicherung verbunden war, mit dem bewährte und verdiente Parteikader der NSDAP ausgestattet wurden. Welcher Stellenwert dem Parlament von den Nationalsozialisten zuerkannt wurde, lässt sich ebenfalls daran ablesen, dass das Reichstagsgebäude für die Plenarsitzungen nicht wieder instand gesetzt wurde. Stattdessen tagte man in der seit 1931 nicht mehr als Spielstätte genutzten Krolloper.

Das Ende parlamentarischer Arbeit

Den Vorsitz der einzigen Fraktion führte Wilhelm Frick, Reichswahlleiter der NSDAP und seit dem 30. Januar 1933 Reichsinnenminister im Kabinett Hitler. Ebenfalls sukzessive erfolgte die Abschaffung anderer Gremien des Reichstages. Zwar wurden, Artikel 35 der Weimarer Verfassung folgend, im Dezember 1933 noch Ausschüsse bestellt, diese jedoch nicht mehr einberufen. Nach den Reichstagswahlen vom 29. März 1936 und 10. April 1938 verzichtete man auch auf die Bestellung von Ausschüssen. Hitler legte jedoch großen Wert auf die Legalität scheinbarer plebiszitärer Zustimmung, die ihm einen feierlich-propagandistischen Rahmen für seine jeweiligen Regierungserklärungen bot. Auch wenn der erste „Großdeutsche Reichstag“ nach dem „Anschluss“ Österreichs weder eine neue Verfassung noch sonstige Gesetze mehr beschloss, war dieses Parlament nach Hitlers Worten die „Vertretung des deutschen Volkes, die es beanspruchen“ konnte, „als eine wahrhaft verfassungsgebende Körperschaft angesehen zu werden“. Auf der letzten Sitzung des Reichstages, am 26. April 1942, zeigten die Abgeordneten, dass sie von nun an auf ihre Rechte völlig verzichteten. Durch Erhebung von ihren Sitzen stimmten sie einem von Hans Heinrich Lammers entworfenen und von Hermann Göring verlesenem Reichstagsbeschluss zu, in dem es hieß: „Der Führer muß daher - ohne an bestehende Rechtsvorschriften gebunden zu sein - in seiner Eigenschaft als Führer der Nation […] jederzeit in der Lage sein, nötigenfalls jeden Deutschen […] mit allen ihm geeignet scheinenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten“.

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