Der Bundestag hat den Weg für einen Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung und von steuerlichen Begünstigungen frei gemacht. Mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion sowie einer Mehrheit der Fraktion Die Linke verabschiedete das Parlament am Donnerstag, 22. Juni 2017, einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung des Grundgesetzes (18/12357). Für die Grundgesetz-Änderung, für die – wie auch noch im Bundesrat – eine Zweidrittelmehrheit erforderlich war, votierten in namentlicher Abstimmung 502 Abgeordnete; 82 mehr als die erforderlichen 420. Dagegen stimmten 57 Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; 20 Abgeordnete der Linksfraktion enthielten sich.
Zugleich votierte das Parlament gegen die Stimmen der Grünen-Fraktion für den Koalitionsentwurf „eines Gesetzes zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung“ (18/12358) in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (18/12846). Zwei Gesetzentwürfe des Bundesrates zum Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung (18/12100, 18/12101) wurden einstimmig für erledigt erklärt.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Danach sollen Parteien, die „zielgerichtet die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen und damit der Beseitigung der Ordnung Vorschub leisten wollen, von der sie profitieren“, nicht länger finanzielle Zuwendungen seitens des Staates erhalten. Im Falle des Ausschlusses entfallen auch die steuerlichen Privilegien für die Parteien und für Zuwendungen an diese Parteien. Über den Ausschluss von der staatlichen Finanzierung entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
In ihrer Vorlage zur Grundgesetzänderung verwies die Koalition darauf, dass das Gericht mit seinem Urteil vom 17. Januar 2017 (Aktenzeichen: 2 BvB 1 / 13) den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD zurückgewiesen und damit kein Parteiverbot ausgesprochen hat. Allerdings habe das Gericht festgestellt, „dass die Ziele der NPD und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und dass sie Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweisen“.
Kein NPD-Verbot wegen politischen Misserfolgs
Zudem sei die Programmatik der NPD auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet. Im Ergebnis sei die Partei „nur wegen ihres eigenen politischen Misserfolgs und der derzeit geringen politischen Einflussmöglichkeiten nicht verboten worden“, heißt es in der Vorlage.
In dem Urteil habe das Gericht zugleich darauf hingewiesen, dass es dem verfassungsändernden Gesetzgeber freistehe, neben dem Parteiverbot weitere, abgestufte Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Parteien mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung zu schaffen. In diesem Sinne solle eine „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Zielsetzung zukünftig alleinige Tatbestandsvoraussetzung für einen Ausschluss politischer Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung sein, ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ankommen würde“.
Finanzierungsausschluss auf sechs Jahre befristet
Mit dem zweiten Gesetzentwurf werden die gesetzlichen Regelungen der angestrebten Verfassungsrechtslage angepasst. Er sieht dazu Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und des Parteiengesetzes sowie des Einkommensteuergesetzes, der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, des Körperschaftsteuergesetzes, des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes sowie des Umsatzsteuergesetzes vor.
Unter anderem wird der Ausschlusses von der staatlichen Finanzierung damit grundsätzlich auf sechs Jahre befristet, kann aber auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung verlängert werden. Dabei soll das Verfassungsgericht über den Verlängerungsantrag in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung entscheiden können. Zudem soll sich die Feststellung auf Ausschluss von der staatlichen Finanzierung auch auf Ersatzparteien erstrecken.
CDU/CSU: Jeder Cent für die NPD ist ein Cent zu viel
In der Debatte sagte Stephan Harbarth (CDU/CSU), obwohl die NPD die Menschenwürde missachte, die freiheitliche, demokratische Grundordnung abschaffen wolle und eine Wesensverwandtschaft zur NSDAP aufweise, werde ihre Arbeit bis heute ganz wesentlich aus Steuergeldern finanziert. In den vergangenen Jahren seien dies mehr als 1,2 Millionen Euro pro Jahr gewesen.
Mit der Neuregelung lege man die Grundlage dafür, der NPD diese Finanzierung entziehen zu können. „Jeder Cent für die NPD ist ein Cent zu viel“, fügte Harbarth hinzu. Seine Fraktion erwarte, dass nach dem Inkrafttreten der Neuregelung zeitnah ein Verfahren zum Ausschluss der NPD aus der Parteienfinanzierung auf den Weg gebracht wird.
Enthaltung eines Teils der Linksfraktion
Ulla Jelpke (Die Linke) mahnte, die rechtlichen und politischen Fragen ernst zu nehmen, die sich aus dem Ausschluss einer nicht verbotenen Partei aus der staatlichen Parteienfinanzierung ergeben. In der Sachverständigen-Anhörung zu den Vorlagen sei darauf verwiesen worden, dass das Grundgesetz „keine Verfassungstreuepflicht der Parteien“ kenne und demokratiefeindliche Parteien deswegen nicht schlechter gestellt werden dürften.
Für einen Teil ihrer Fraktion sei dieses Argument so gewichtig, dass sich einige ihrer Abgeordneten bei der Abstimmung enthielten. Eine Mehrheit ihrer Fraktion nehme diese Argument ebenfalls sehr ernst, wolle ihm aber entgegenhalten, dass es auch keine Pflicht der Gesellschaft gebe, Parteien zu finanzieren, die eine „dermaßen faschistische Ideologie verbreiten“.
SPD: Keine Lex NPD
Gabriele Fograscher (SPD) bezeichnete es als „eine mehr als groteske Situation“, dass mit der NPD bis heute eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestufte Partei mit Steuermitteln finanziert werde. Es sei „unerträglich“, dass die NPD jährlich mehr als eine Million Euro erhalte, „um ihr menschenfeindlichen Gedankengut und ihre antisemitische und rassistische Hetze zu verbreiten“.
Fograscher betonte zugleich, dass es sich bei der Neuregelung jedoch nicht um eine „Lex NPD“ handele. Sie würden vielmehr für alle Parteien gelten, „die sich gegen unsere Verfassung und unsere Werte stellen“.
Grüne: Problem ist damit nicht gelöst
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) erwiderte dagegen, dass mit den Gesetzesbeschlüssen eine „Lex NPD“ geschaffen werde. Dabei sei die NPD zwar ein „Feind der Verfassung“, aber auf der anderen Seite auch ein „politischer Zwerg“. Diesen Zwerg „als Teil von Rechtsextremismus, Rechtsradikalität und Rechtsterrorismus“ suche sich die Mehrheit des Bundestages „aus dem Gesamtpaket“ heraus und wolle ihm „mal eben per Verfassungsänderung“ das Geld streichen und damit suggerieren, das Problem sei gelöst.
„Es ist damit aber nicht gelöst“, fügte Künast hinzu und warb dafür, in der nächsten Wahlperiode eine Kommission einzusetzen, die sich ausführlich mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts sowie etwa mit dem Rechtsextremismus im Internet befasst. (sto/22.06.2017)