Atomabkommen werden nicht gekündigt
Die Bundesregierung wird geltende Atomabkommen mit Indien und Brasilien nicht kündigen. Das beschloss der Bundestag am Donnerstag, 8. Mai 2014, in einer namentlichen Abstimmung. Er lehnte damit einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1336) ab, in dem diese nicht nur die Kündigung des Deutsch-Indischen sowie das Deutsch-Brasilianischen Atomabkommens zur Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie gefordert hatten, sondern auch, künftig keine Kreditförderungen für Atomprojekte mehr zu gewähren. Für den Antrag der Grünen stimmten 110 Abgeordnete, 465 lehnten ihn ab. Es gab zwei Enthaltungen.
Grüne: Anachronistisch und aus der Zeit gefallen
Nach Ansicht von Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) sind die in den 1970er-Jahren abgeschlossenen bilateralen Abkommen heute „anachronistisch und aus der Zeit gefallen“. Wer den Atomausstieg im eigenen Land ernst meine, „kann ihn im Ausland nicht mit Außenwirtschaftsförderung unterstützen“, kritisierte sie.
Eine solche Politik mache Deutschland national und international unglaubwürdig. Deutschland solle mit den betreffenden Ländern lieber im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz kooperieren anstatt im Bereich der Nukleartechnik. „Wer glaubt, dass sich der Atomausstieg in einem Abschaltplan erschöpft, der irrt“ betonte sie.
Linke: Abkommen dringend kündigen
Auch für Hubertus Zdebel (Die Linke) passen der „Atomausstieg in Deutschland und die weitere Atomförderung im Ausland“ nicht zusammen. Daher müssten die Abkommen „dringend“ gekündigt werden. „Wer im eigenen Land aus der Atomkraft aussteigt, sollte keine doppelten moralischen Standards ansetzen und den weiteren Ausbau von Atomkraftwerken im Ausland unterstützen.“
Grüne und Linke zeigten sich zudem enttäuscht über das Verhalten der SPD. Sie verwiesen darauf, dass die Sozialdemokraten in der vergangenen Legislaturperiode zwei Anträge mit gleichen Forderungen vorgelegt hätten, das Thema im Koalitionsvertrag aber nicht vorkomme. Kotting-Uhl übte direkt auch Kritik an Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD).
Einen Brief, den die Grünen-Fraktion ihr im März geschrieben habe mit der Bitte, das Deutsch-Indische Atomabkommen zu kündigen, bevor es am 15. Mai 2014 automatisch um zwei Jahre verlängert werde, sei unbeantwortet geblieben.
SPD: Antrag richtig und wichtig
Dr. Nina Scheer (SPD) warf den Grünen vor, die Sozialdemokraten mit ihrem Abstimmungsverhalten „vorführen“ zu wollen und den Antrag ohne vorherige Beratung in den Ausschüssen sofort zur Abstimmung zu bringen. Dies sei „nicht sachgerecht im Umgang mit diesen ernst zu nehmenden Fragestellungen“. Aus diesem Grund lehne sie den Antrag ab.
Sie stimmte den Grünen und der Linken zu, dass es keinen Widerspruch geben dürfe zwischen einer nationalen Atomausstiegspolitik und internationalem Verhalten. Der Antrag der Grünen sei daher „richtig und wichtig“. Sie verwies aber auch auf den „engen Zusammenhang zwischen der zivilen und der kriegerischen Nutzung von Atomkraft“.
Davon ausgehend sei in den vergangenen Jahren versäumt worden, genauer hinzuschauen, „ob es möglicherweise aus sicherheitspolitischen Grünen notwendig ist, an bestimmten Passagen in diesen Verträgen festzuhalten und sie entsprechend weiterzuentwickeln“. Nach Ansicht von Scheer, ist dies „ein schweres Versäumnis, das wir nachholen können und auch nachholen sollten.“
CDU/CSU: Grüner Dogmatismus
Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) warf den Grünen eine „Bevormundungspolitik“ vor. Wer im eigenen Land aus der Atomkraft aussteige, könne „noch lange nicht fordern, dass andere es auch tun“. So gebe es in Brasilien bisher keine flächendeckende Stromversorgung. Wenn Deutschland dem Land beispielsweise die Hermes-Bürgschaften entziehe, könne es seine Stromversorgung nicht mehr finanzieren.
Auch der CDU-Abgeordnete Philipp Lengsfeld erteilte dem „grünen Dogmatismus“ eine Absage und betonte, die Atomkraft sei für den Energiemix vieler Länder „essenziell“. Dies müsse man zur Kenntnis nehmen. Zudem müsse es in deutschem Interesse sein, „dass die indischen und brasilianischen Atomkraftwerke sicher sind“. Deutschland habe bei diesem Thema nun mal eine „große Expertise“, daher sei es wichtig, „anderen nicht das Feld zu überlassen“.
„Projekte laufen längst“
Lengsfeld äußerte zudem die Befürchtung, dass Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner Schaden nehmen würde, sollte es die Abkommen plötzlich aufkündigen.
Auf die Forderung der Grünen, Deutschland solle die bisherige Kooperation auf den Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz übertragen, entgegnete er: „Dagegen ist nichts einzuwenden, aber diese Projekte laufen längst.“ So habe die Bundesregierung im Jahr 2008 mit Brasilien ein Regierungsabkommen zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz abgeschlossen. (joh/08.05.2014)