Geschichte

Vor 65 Jahren: Erste Live-Übertragung einer Bundestagssitzung

Marie-Elisabeth Lüders

Marie-Elisabeth Lüders (FDP) eröffnete als Alterspräsidentin die erste Sitzung des zweiten Deutschen Bundestages am 6. Oktober 1953. (Bundesarchiv)

Als Dr. Dr. h.c. Marie-Elisabeth Lüders (FDP) am Dienstag, 6. Oktober 1953, als Alterspräsidentin die konstituierende Sitzung des zweiten Deutschen Bundestages eröffnet, können Interessierte das parlamentarische Geschehen zum ersten Mal nicht nur an den Rundfunkgeräten, sondern auch vor den Fernsehgeräten live verfolgen. Zum ersten Mal wird eine Bundestagssitzung live im deutschen Fernsehen übertragen.

Nicht nur die Besucher im Plenarsaal, sondern auch die Zuschauer vor den damals rund 17.000 angemeldeten Fernsehgeräten in Deutschland im heimischen Wohnzimmer oder in den öffentlichen Fernsehstuben können live dabei zusehen, wie die gerade gewählten Abgeordneten zur ihrer ersten Sitzung der neuen Legislaturperiode zusammenkommen. Einstimmig wählt der neue Bundestag den Abgeordneten D. Dr. Hermann Ehlers (CDU/CSU) erneut zum Bundestagspräsidenten.

Rundfunkübertragungen aus dem Parlament seit 1949

Nach einem spannenden Wahlkampf war das Interesse an der Wahl groß gewesen. Knapp 86 Prozent der Wahlberechtigten hatten am 6. September 1953 ihre Stimme abgegeben. Mit 45,2 Prozent und einem Stimmenzuwachs von 14,2 Prozent wurde die CDU/CSU abermals stärkste Fraktion. Vier weitere Fraktionen ziehen in den zweiten Deutschen Bundestag ein: SPD (28,8 Prozent Stimmenanteil), FDP (9,5 Prozent), Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) (5,9 Prozent) und Deutsche Partei (DP) (3,3 Prozent).

Der Rundfunk übertrug bereits in der ersten Wahlperiode die Eröffnungssitzung des Bundestages am 7. September 1949 und bei großen Debatten live. Vor der konstituierenden Sitzung des ersten Bundestages war das Bundeshaus in Bonn eigens für Hörfunkübertragungen verkabelt worden. Die Radiosendung „Die Woche im Bundestag“ des NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) brachte regelmäßig Ausschnitte aus den Debatten. Bild- und Tonaufnahmen aus Bundestagssitzungen kannte man bis dahin nur aus den Wochenschauen im Kino „Welt im Bild“ und „Neue Deutsche Wochenschau“.  

Hoher Aufwand für Live-Übertragungen

Das Fernsehen hatte gerade erst Weihnachten 1952 seinen regelmäßigen Sendebetrieb aufgenommen und konnte damals nur von einigen Gerätebesitzern im Einzugsbereich von Sendestationen in Hamburg, Hannover, Berlin und Köln empfangen werden. Live-Übertragungen im Fernsehen waren noch mit einem hohen Aufwand verbunden. Auch die seit dem 26. Dezember 1952 ausgestrahlte Tagesschau verwendete noch bis März 1955 das Filmmaterial der „Neuen Deutschen Wochenschau“, und sogar bis Ende der 1950er-Jahre wurden Filmbeiträge „aus dem Off“ betextet.

Bis Mitte der fünfziger Jahre sind Rundfunk- und Fernsehübertragungen bei großen Debatten der Bundesrepublik selbstverständlich. Das ändert sich im Jahr 1954 mit dem Streit um die sogenannten Pariser Verträge und die Westintegration der Bundesrepublik. Die hitzigen Debatten im Plenum sind für manch unerfahrenen Fernsehzuschauer nur schwer zu ertragen, und eine wachsende Mehrheit der Bundestagsabgeordneten macht bald Fernsehen und Radio für die schwindende Akzeptanz der Politik in der Bevölkerung verantwortlich. 

Ablehnende Haltung Eugen Gerstenmaiers

Auch der neue Bundestagspräsident Prof. D. Dr. Eugen Gerstenmaier (1954 bis 1969) hat anders als sein Vorgänger im Amt des Bundestagspräsidenten, Hermann Ehlers (1950 bis 1954), eine eher ablehnende und restriktive Einstellung zu Fernsehübertragungen aus dem Plenarsaal.

1957 wird das Fernsehen zunächst mit dem Hinweis auf den laufenden Wahlkampf nicht mehr zugelassen. Im Januar 1958 beschließt der Ältestenrat sogar, TV-Übertragungen aus Arbeitssitzungen des Parlaments künftig ganz auszuschließen. Erst 1963 darf die Regierungserklärung Prof. Dr. Ludwig Erhards dann wieder vom Westdeutschen Rundfunk übertragen werden. 

Übertragungen ab 1966 wieder generell erlaubt 

Ab 1966 sind Sendungen aus dem Plenarsaal wieder generell erlaubt. Ende 1968 installiert der WDR eine eigene Standkamera im Plenarsaal. Und 1979 erteilt der Bundestag auch die offizielle Genehmigung, aus dem Plenarsaal farbig zu übertragen.

Heute können alle Plenardebatten im Livestream auf Smartphones, Tablets oder im Internet unter www.bundestag.de verfolgt werden. Auch öffentliche Ausschusssitzungen und Anhörungen werden zum großen Teil live übertragen. (klz/28.09.2018)

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