Pflegeversorgung sorgt weiterhin für Streit
Der Deutsche Bundestag hat am Freitag, 14. September 2018, über den im Regierungsentwurf für den Haushalt 2019 (19/3400) enthaltenen Etat des Bundesministeriums für Gesundheit (Einzelplan 15) von Bundesminister Jens Spahn (CDU) beraten.
Koalition: Bessere Gesundheitsversorgung
In der überwiegend sachlich geführten Debatte spielten die von der Bundesregierung zuletzt auf den Weg gebrachten Reformgesetze eine tragende Rolle. Im Einzelnen ging es um eine bessere Pflegeversorgung, eine effektivere Vergabe von Facharztterminen, die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie um den Ausbau der Telemedizin, um vor allem die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen zu unterstützen.
Redner der Opposition hielten der Koalition zugute, wichtige Problemfelder erkannt und einige richtige Schritte unternommen zu haben. Jedoch seien die geplanten Veränderungen oftmals unzureichend und inkonsequent. Vor allem in der Pflege mangele es nach wie vor an Geld und Personal. Die Lage seit kritisch, hieß es. Sprecher von Union und SPD wiesen darauf hin, dass der Gesundheitsetat die neuen Weichenstellungen gut abbilde. Mit den Reformen werde die Gesundheitsversorgung nochmals deutlich verbessert.
Minister will Verbesserungen im Alltag
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ging in seiner Einbringungsrede auf drei große Gesetzesvorhaben ein, die bereits vor der Sommerpause in Gang gesetzt wurden. So werde künftig jede zusätzliche Pflegestelle im Krankenhaus voll gegenfinanziert. In der Altenpflege seien 13.000 neue Stellen vorgesehen. Zudem werde dort eine flächendeckende tarifliche Vergütung angestrebt. Spahn räumte ein, dass die Besetzung von Pflegestellen weiterhin schwierig sei, weil es auf dem Markt an Fachpersonal mangele, aber „jede Reise beginnt einmal mit einem ersten Schritt“. Spahn sagte, in der Pflege sei viel Vertrauen verloren gegangen.
Der Minister ging auch auf die geplante Abschmelzung hoher Rücklagen bei den gesetzlichen Krankenkassen ein. Geld horten sei nicht Aufgabe der Kassen, betonte er. Es gehe vielmehr um eine mögliche Entlastung der Versicherten. Zudem würden künftig über die Vergütungsregeln für Ärzte konkrete Anreize gesetzt, um für Patienten schneller Facharzttermine zu gewährleisten. Auch solle es sich für Mediziner lohnen, auf dem Land zu praktizieren. Kurz erwähnte der CDU-Politiker die geplanten Änderungen in der Organspendenpraxis sowie eine effektivere Arzneimittelkontrolle. Spahn betonte, bei all dem gehe es nicht darum, „Luftschlösser“ zu bauen, sondern konkrete Verbesserungen im Alltag zu erreichen.
AfD kritisiert Intransparenz des Etats
Detlev Spangenberg (AfD) kritisierte konkret einzelne Ausgabenpunkte im Gesundheitsetat und bemängelte eine teilweise Intransparenz. Die vorgesehenen Beträge für die freiwillige private Pflegevorsorge seien gemessen an der Zielsetzung viel zu klein, dies sei ein „Mikroschritt“ und insgesamt inakzeptabel. Bei den Mitteln für das internationale Gesundheitswesen stimme das Verhältnis zwischen diesen Ausgaben und jenen für die deutsche Bevölkerung nicht. Inzwischen habe er immerhin erfahren, dass die für das Ausland bestimmten Gelder als Hilfe zur Selbsthilfe vorgesehen und an Eigenleistungen geknüpft seien. „Das hat mich beruhigt.“
Kritisch sieht Spangenberg weiterhin die aus seiner Sicht zu üppigen Gesundheitsleistungen für Migranten, zumal unklar sei, wofür das Geld jeweils genau eingesetzt werde. Er forderte, die Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu hinterfragen. Es könne nicht darum gehen, dass Flüchtlinge in der Gesundheitsversorgung mit der eigenen Bevölkerung gleichgestellt würden.
Linke: Bedingungen in der Pflege immer schlimmer
Linke und Grüne hielten dem Minister vor, außer Ankündigungen bislang wenig erreicht zu haben. Pia Zimmermann (Die Linke) warnte, die Arbeits- und Versorgungsbedingungen in der Pflege würden immer schlimmer. „Die Situation spitzt sich weiter zu.“ Die gewaltigen Probleme spiegelten sich im Gesundheitshaushalt überhaupt nicht. Vielmehr werde der sogenannten schwarzen Null alles andere untergeordnet.
Dringend nötig seien gute Arbeitsbedingungen in der Pflege und Hilfen für Angehörige. Von einer Pflegekampagne hätten die Bürger gar nichts, wenn zugleich die Pflegeinfrastruktur schlecht sei. Der Haushalt sei „nicht an Bedarf und Bedürfnissen orientiert“ und vernachlässige die Menschen.
Grüne: Stückwerk mit Katastrophenpotenzial
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) hielt Spahn vor, eher ein Medienminister als ein Macher zu sein. Die konzertierte Aktion Pflege sei zwar gut, aber derzeit nicht mehr als eine Überschrift, während es in der Versorgung schlecht stehe. Ideen müssten endlich in die Praxis umgesetzt werden. Sie wies auch auf Probleme bei der Umsetzung der Pflegeausbildungsreform hin sowie auf den sich abzeichnenden Kampf um Pflegefachpersonal zwischen Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen.
Die Grünen-Abgeordnete rügte: „Es ist Stückwerk, aber mit Katastrophenpotenzial.“ Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) warnte, die neuen Gesetzesvorhaben führten bei den Kassen zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen in Höhe von rund acht Milliarden Euro.
SPD erwartet erhebliche finanzielle Belastungen
Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) wies die Kritik an der Gesundheitspolitik zurück und lobte ausdrücklich die Zusammenarbeit in der Koalition auf diesem Gebiet. Es gebe hier eine „große Dynamik“. Er räumte ein, dass die Gesundheitskosten weiter steigen werden. So werde es durch die höhere Lebenserwartung und neue medizinische Möglichkeiten zu „erheblichen finanziellen Belastungen“ kommen. Deshalb sei die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung in der GKV von so großer Bedeutung, weil ansonsten die Kostensteigerungen allein von den Arbeitnehmern zu tragen wären.
Er fügte hinzu, für die Selbstständigen würden die Kosten in der GKV deutlich gesenkt. Mit Blick auf die geplante Abschmelzung großer Rücklagen bei Krankenkassen sagte Lauterbach, die sogenannte Doppelverbeitragung von Betriebsrenten müsse abgeschafft werden.
FDP: Bürokratie für Ärzte abbauen
Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus ging vor allem kritisch auf die geplante Ausweitung der Sprechstundenzeiten von Ärzten ein. Es sei bekannt, dass Ärzte schon jetzt mehr Sprechstunden anböten, als vorgeschrieben. Die Novelle sei „ein sozialistischer Eingriff“, zumal die jeweiligen Praxisbesonderheiten gar nicht berücksichtigt würden. So drohe eine „Sprechstundenpolizei“ und eine „ambulante Staatsmedizin“.
Sie forderte stattdessen, die Budgetierung für Ärzte abzuschaffen. Zugleich müsse die enorme Bürokratie für Ärzte abgebaut werden. Wenn die Ärzte selbstbestimmt arbeiten könnten, wäre das eine wirkliche Entlastung im Alltag.
CDU/CSU: Digitalisierung mit enormen Potenzialen
Tino Sorge (CDU/CSU) warb in seiner Rede für einen offensiven Umgang mit neuen digitalen Techniken im Gesundheitssystem. Die Digitalisierung sei „ein Megatrend“ im Gesundheitsbereich mit enormen Potenzialen.
Es sei nicht sinnvoll, sich immer auf vermeintliche Gefahren zurückzuziehen, gefordert seien vielmehr praktische Lösungen. Der Haushalt 2019 schaffe auch in diesem Bereich eine gute Grundlage. „Wir machen uns fit für den digitalen Wandel.“
Ausgaben von 15,27 Milliarden Euro
Der Entwurf sieht Ausgaben von insgesamt rund 15,27 Milliarden Euro vor. Das sind rund 63 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr. 2018 liegen die eingeplanten Ausgaben bei rund 15,20 Milliarden Euro. Der mit Abstand größte Einzelposten ist der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds, der 2019 erneut 14,5 Milliarden Euro beträgt. Mit dem Geld werden versicherungsfremde Leistungen finanziert, etwa die beitragsfreie Familienversicherung oder Aufwendungen für Schwangerschaft und Mutterschaft. Der Gesundheitsetat bietet somit traditionell wenig Spielraum für politische Ausgabenschwerpunkte.
Für die Förderung freiwilliger privater Pflegezusatzversicherungen werden 55 Millionen Euro veranschlagt, das sind 3,1 Millionen Euro mehr als im Jahr 2018. Für Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger sowie der Pflegekampagne stehen erneut 6,9 Millionen Euro bereit. Die Bundesmittel zur Unterstützung der durch Blutprodukte mit HIV infizierten Patienten werden von 2,5 auf 8,7 Millionen Euro aufgestockt.
Prävention und Drogenaufklärung
Im Bereich der Prävention sind unter anderem 11,9 Millionen Euro (2018: 12,2 Millionen Euro) zur Aufklärung der Bevölkerung über sexuell übertragbare Krankheiten vorgesehen. Weitere 9,2 Millionen (2018: 9,8 Millionen) Euro stehen für die Drogenaufklärung bereit. Ferner werden 3,2 Millionen Euro (2018: 4,3 Millionen) veranschlagt im Zusammenhang mit Aufgaben der Migration und Integration. Mit erneut drei Millionen Euro gefördert werden Initiativen gegen die „Volkskrankheit“ Diabetes Mellitus.
Bei den Forschungsvorhaben ist eine Aufstockung von 500.000 Euro auf zehn Millionen Euro zur Entwicklung von Versorgungs- und Ausbildungsmodellen für die Gesundheitsversorgung, Rehabilitation und Pflege eingeplant. Weiterhin gehen insgesamt 105,4 Millionen Euro in die Finanzierung des internationalen Gesundheitswesens sowie als Beiträge an internationale Organisationen. So soll die Weltgesundheitsorganisation (WHO) allein 25,7 Millionen Euro Mitgliedsbeitrag erhalten. (pk/14.09.2018)