Anhörung zum Schutz von Meeresgebieten
Zeit:
Mittwoch, 3. Dezember 2025,
9.30
bis 11.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.700
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Einschränkung der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Meeresschutzgebieten (21/1860, 21/2457) stößt auf Kritik bei Experten. In einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am Mittwoch, 3. Dezember 2025, begrüßten die Sachverständigen mehrheitlich zwar das Ziel, die Gas- und Ölförderung in Schutzgebieten im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandsockels zu verbieten, um Meeresschutzgebiete besser zu schützen. Allerdings zeigten sich gerade die von der Linksfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannten Sachverständigen skeptisch, ob mit den konkret geplanten Änderungen tatsächlich der gewünschte Schutz erreicht werden könne. Der Entwurf lasse „Hintertüren“ für Gas- und Ölfördervorhaben offen, so ihre Einschätzung.
Von Seiten der von der Unionsfraktion benannten Sachverständigen wurde das Gesetzesvorhaben auch hinsichtlich seiner Zielsetzung kritisch bewertet. Sie argumentierten, dass ein Ausschluss der Öl- und Gasförderung mit Blick auf die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nachteilig sei. Den geltenden rechtlichen Schutzrahmen für Meeresschutzgebiete für werteten sie zudem als ausreichend. Zustimmung zum Gesetzesvorhaben signalisierten dagegen die von der SPD benannten Experten.
Gesetzentwurf der Regierung
Der von Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, schädliche Nutzungen infolge der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in den geschützten Gebieten im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels zu reduzieren.
Dazu soll zum einen die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zum Schutz von Meeresgebieten geändert werden. Zum anderen sind Anpassungen der geltenden Verordnungen über die Festsetzung von Naturschutzgebieten im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels der Nord- und Ostsee vorgesehen.
Relevanz der Förderung in Deutschland
Dr. Ludwig Möhring vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie betonte, dass Deutschland in der Transformation noch für viele Jahre große Mengen Erdgas benötige. Wer die Förderung in Deutschland reduzieren wolle, müsse berücksichtigen, dass sich dadurch der Verbrauch nicht verringere.
„Es wird lediglich mehr LNG-Gas benötigt, das einen um bis zu 30 Prozent schlechteren CO2-Fußabdruck hat als Gas aus heimischer Produktion“, sagte der Sachverständige. Deutschland akzeptiere damit zugleich eine geringere Versorgungssicherheit und Preisrisiken.
„Weder geeignet noch erforderlich“
Dr. Fritz von Hammerstein, der als Einzelsachverständiger Stellung zum Gesetzentwurf nahm, bestritt zudem den von der Bundesregierung angeführten Handlungsbedarf. Es gebe bereits ein sehr strenges Schutzregime, das in marinen Schutzgebieten schon heute nachteilige Auswirkungen der Rohstoffgewinnung verhindere. Auch würden Umweltauswirkungen genannt, die in der Praxis gar nicht auftreten, monierte von Hammerstein. So seien im Schutzgebiet „Borkum Riff“ zum Beispiel keine seismischen Erkundungen und damit auch kein Einsatz von „Airguns“ notwendig.
Darüber hinaus führte der Sachverständige verfassungsrechtliche Bedenken an: Ein einseitiges Verbot der Gas- und Ölförderung bei gleichzeitiger Erlaubnis der Sand- und Kiesgewinnung greife in die unternehmerische Freiheit ebenso wie in die Eigentumsrechte der Unternehmen ein, die bereits über bergrechtliche Berechtigungen verfügten und verstoße zudem gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Sein Fazit: Das Gesetz sei „weder geeignet noch erforderlich“.
Verfassungsrechtlich „kein Problem“
Dem widersprach Prof. Dr. Gerold Janssen vom Leibnitz-Institut für ökologische Raumentwicklung. Er beurteilte das geplante Verbot der Öl- und Gasförderung für rechtlich zulässig. Aus seiner Sicht verstoße es weder gegen völkerrechtliche Abkommen wie etwa das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (Ospar) noch europarechtliche Regelungen.
Auch verfassungsrechtlich und „einzelgesetzlich“ sah Janssen „kein Problem“: Anders als vom Sachverständigen von Hammerstein bemängelt, verstoße die geplante Regelung im Gesetzentwurf nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Verbot betreffe keinen Einzelfall, denn sie beschränke sich nicht auf das Gebiet „Borkum Riffgrund“.
Als großes Manko unterstrich Janssen aber, dass es bislang an einer Planung für den Meeresuntergrund völlig fehle. Zu viele bergbauliche Nutzungen würden zugelassen, ohne dass überhaupt die Frage nach den Umweltauswirkungen gestellt würde.
Umweltschutz und Rohstoffversorgung
Der Einzelsachverständige Dr. Robert Dörband unterstrich, dass bislang im Rahmen der Einzelfallprüfung von bergbaulichen Vorhaben der Interessenausgleich zwischen Meeresschutz und Rohstoffversorgung „sehr gut“ herzustellen sei. Die Einzelfallprüfung durch die Fachbehörden und die beteiligten Umweltbehörden ermögliche, dass das geltende Regelwerk etwa von Ospar sowie Kompensationsmaßnahmen angewendet werden könnten.
Ein Verbot der Rohstoffförderung würde dazu führen, dass die Einzelfallprüfung künftig wegfalle – und damit auch die Abwägung zwischen Umweltschutz und Rohstoffversorgung.
Stärkere Priorisierung in der Politik gefordert
Sven Koschinski, der ebenfalls als Einzelsachverständiger Stellung nahm, drang auf einen besseren Schutz der Meeresschutzgebiete. Trotz zahlreicher gesetzlicher Vorgaben seien Nord- und Ostsee in einem schlechten Zustand, so der Biologe. Grund dafür sei, dass sich eine „Vielzahl anthropogener Belastungen kumulativ auf die Ökosysteme“ auswirke. Belastungsfaktoren addierten und verstärkten sich.
„Nur ein wirksamer Schutz von Schutzgebieten biete der Natur Rückzugsräume“, betonte Koschinski und kritisierte, dass gesetzliche Vorgaben bislang viele Nutzungen in Schutzgebieten erlaubten – „trotz hinlänglich bekannter negativer Auswirkungen auf die Erhaltungsziele“. Die Meeresökosysteme könnten sich nicht mehr ausreichend regenerieren. Daher müsse der wirksame Schutz in Schutzgebieten in der Politik eine höhere Priorisierung erfahren, empfahl der Sachverständige. Es brauche Nutzungseinschränkungen in Schutzgebieten zum Schutz der Biodiversität.
Öffentliches Interesse in der Abwägung
Auch Jürgen Akkermann, der als Bürgermeister der Stadt Borkum, begrüßte den Gesetzentwurf grundsätzlich, kritisierte aber, dass dieser Öl- und Gasförderprojekte in Meeresschutzgebieten nicht vollends unterbinde. Noch immer sei es möglich, eine Befreiung nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu bekommen, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe.
Auch der Schutz der Umwelt sei aber öffentliches Interesse, so Akkermann in seiner schriftlichen Stellungnahme mit Verweis auf eine Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. In Abwägung müsse daher sichergestellt werden, „dass das öffentliche Interesse nicht nur über wirtschaftliche Aspekte oder Aspekte der Versorgungssicherheit definiert wird“.
„Hintertür“ für fossile Förderprojekte schließen
Eike Hinrichsen von der Deutschen Umwelthilfe betonte angesichts des schlechten Zustands der Meere die Notwendigkeit einer Verschärfung der Gesetzeslage. Dem vorliegenden Gesetzentwurf allerdings, so argumentierte sie, gelinge es nicht, die „Schutzlücke für die geschützten Meeresgebiete“ ausreichend zu schließen.
Für ein effektives Verbot von Öl- und Gasförderungen müsse nicht nur die Ausnahmemöglichkeit abgeschafft, sondern auch klargestellt werden, dass keine Befreiungen erteilt werden können. Um die „Hintertür für neue fossile Förderprojekte“ zu schließen, müsse gesetzlich festgelegt werden, dass Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen nie das Interesse des Meeresschutzes überwiegen.
Kritisch beurteilte Hinrichsen zudem, dass der Abbau von Kiesen und Sanden oder der Bau von Windkraftanlagen in Meeresschutzgebieten auch weiterhin nicht ausgeschlossen sein sollen. (sas/03.12.2025)