Besuch

Anna & Bernhard Blume

In einem Flur hängen großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien.
In einem Flur hängen großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien.
In einem Flur hängen großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien.
In einem Flur hängen großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien.
In einem Flur hängen großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien.

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Installation mit 23 Silbergelatineabzügen und einer Texttafel (Fotogalerie B im Erdgeschoss Unter den Linden 50) (DBT/junophoto)

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Installation mit 23 Silbergelatineabzügen und einer Texttafel (Fotogalerie B im Erdgeschoss Unter den Linden 50) (DBT/junophoto)

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Installation mit 23 Silbergelatineabzügen und einer Texttafel (Fotogalerie B im Erdgeschoss Unter den Linden 50) (DBT/junophoto)

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Installation mit 23 Silbergelatineabzügen und einer Texttafel (Fotogalerie B im Erdgeschoss Unter den Linden 50) (DBT/junophoto)

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Installation mit 23 Silbergelatineabzügen und einer Texttafel (Fotogalerie B im Erdgeschoss Unter den Linden 50) (DBT/junophoto)

geboren 1937 in Borg, gestorben 2020 in Köln
geboren 1937 in Dortmund, gestorben 2021 in Köln

Trautes Heim. Ein psychopathetischer Vorgang in 23 Bildern, aufgenommen in einer akuten Phase telekinetischer Hysterie, 1987/1996

Installation mit 23 Silbergelatineabzügen und einer Texttafel (Fotogalerie B im Erdgeschoss UdL 50)

Offensichtlicher kann der Kontrast zu der photographischen Frontalität von Thomas Ruff gar nicht sein, wird man sagen. Erscheint dort die Welt in einem geordneten, gleichwohl leicht unheimlichen Gefüge, so zerschellt hier das Geformte, stützen die geraden, fliegt das Erdgebundene, reißen die Bezüge, fällt der Blick und dennoch … das Bewegte steht. Die Photographien von Bernhard Johannes Blume seit Beginn der 70er Jahre und seit Mitte der 80er Jahre die gemeinsame Arbeit mit Anna Blume lassen den Menschen auf psychotischen Fluchten in die Photographie fallen. In „quasi-philosophischer“, in „ideoplastischer“ Manier bebildern Anna & Bernhard Blume den alltäglichen Wahn; nein, sie bebildern, photographieren ihn nicht, sie nutzen die Photographie als ein quasi-analytisches Medium der Übertragung. In der Photographie wird die Welt zum Wahn. Wohnzimmer werden im Licht der Photographie zu Wahnzimmern, Küchen zu Brandstätten von undurchschaubaren Kollern. Jedes Mal entsteht das Bild des Menschen neu in der photographischen Übertragung, und stets geht er aus dieser analytischen Sitzung mit einer Verunsicherung heraus, die ihn bereits die kommende Exposition, die anstehende, telekinetische Hysterie erahnen lässt. Anna & Bernhard Blume arbeiten mit der Photographie, weil es das Medium scheinhafter Objektivität und zerrissener Subjektivität ist, ebenso wie das Medium des explosiven Schnitts, der verdichteten Bewegung und der radikal unterbrochenen zeitlichen Entwicklung. Jede Photographische Transzendenz erscheint hier ebenso vorgegaukelt wie das fortwährende Beharren auf photographischer Authentizität. Die Tableaus von Anna & Bernhard Blume bauen die Photographie ab. Sie messen die individuelle und die soziale Psyche, beispielsweise das Kollektiv der Familie, an der medientechnischen Entwicklung mit der Photographie als dem ersten Medium des ubiquitären, sozialen Bilderklatsches. Das Tableau „Trautes Heim. Ein psychopathetischer Vorgang in 23 Bildern, aufgenommen in einer akuten Phase telekinetischer Hysterie“ (1987) täuscht eine erzählerische Entwicklung vor, einen „Vorgang“, in dem die Dinge belebt werden und nicht minder bedrohlich für den Menschen sind, als dieser es selbst bereits für sich ist. Die ausgestellten Wahnvorstellungen von einer unsichtbar geführten Verschwörung der Dinge, die Ekstasen des Augenblicks und der Exhibitionismus angegriffener Eigentlichkeit führen zu der komischen – oder eher tragikomischen – Frage nach der Beschaffenheit des Subjekts in seinem Verhältnis zu den Dingen. Alles ist vertraut heute, alles ist unter der medialen Obhut in ewiger Wiederholungbegriffen, und wenn Medienbilder Gestalt gewännen, wären die öffentlichen, von Bildern umsäumten Räume von kaum vorstellbarem und sicherlich unberechenbarem Chaos erfüllt. In der Konzept-Kunst von Anna Bernhard Blume werden die Zwänge des Körpers zu Zwängen der Räume; der sich in ekstatischen Zuständen windende oder gegen die Decke emporhebende Leib wirkt bei allem spielerischen Gebaren für diese Inszenierung dennoch auch sinnbildlich für den zerfahrenen Zusammenhalt des gesellschaftlichen Körpers. Das „traute Heim“ als Refugium und Ort gesicherter Identität ist längst aus den Fugen gehoben. Stellen wir uns doch mit Anna & Bernhard Blume Informationen als beleibte Gestalten vor, den Radios, Fernsehen oder Computern entwichen, wie sie Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer bevölkern und als Sinnflut des alltäglichen Informationsrausches. Die heimliche Idylle wahnhaft und wahrhaftig bewegen. Im Angesicht der Arbeiten von Anna & Bernhard Blume hätte Freud vielleicht auf eine seiner berühmten Abhandlungen zurückgegriffen und gesagt: „Unheimlich ist irgendwie eine Art von heimlich.“      

Text: Hubertus v. Amelunxen (aus: DIE BEHAUSUNG DES MENSCHLICHEN. In: Photo- und Konzeptkunst am Baue: Unter den Linden 50. Ein Projekt für den Deutschen Bundestag, Heidelberg 2000)

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