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Kultur und Geschichte

Vor 40 Jahren: Helmut Schmidt wird Bundeskanzler

Helmut Schmidt bei seiner Vereidigung als Bundeskanzler durch Bundestagspräsidentin Annemarie Renger am 16. Mai 1974 im Bundestag in Bonn

Bundestagspräsidentin Annemarie Renger vereidigt Helmut Schmidt als Bundeskanzler. (picture-alliance/UPI)

Vor 40 Jahren, am 16. Mai 1974, wird Helmut Schmidt zum fünften Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Für die absolute Mehrheit benötigte er 249 Stimmen – er erhält 267 von 492 abgegebenen Stimmen. Er ist der zweite Sozialdemokrat in diesem Amt. Zehn Tage zuvor war Willy Brandt vom Amt des Bundeskanzlers zurückgetreten. Sein persönlicher Referent, Günter Guillaume, war als DDR-Spion enttarnt worden – über Jahre hinweg hatten er und seine Frau Informationen der Regierungsarbeit des Kanzlers verraten – und Brandt hatte die politische Verantwortung für den Spionagefall übernommen.

Acht Jahre Kanzler

Schmidt, bisher Finanzminister in Brandts Kabinett und stellvertretener SPD-Vorsitzender, tritt seine Nachfolge an. Acht Jahre, von 1974 bis 1982, dauert seine Kanzlerschaft an der Spitze der sozialliberalen Koalition. In seiner Amtszeit muss er wirtschaftliche Krisen bewältigen und den Terrorismus der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) bekämpfen.

Der studierte Ökonom übernimmt das Amt in der Zeit der Ölkrise und der weltweiten Wirtschaftsrezession. In der Bundesrepublik gibt es zum ersten Mal wieder eine größere Anzahl von Arbeitslosen. In seiner Regierungserklärung stellt Schmidt die künftige Regierungsarbeit unter das Motto „Kontinuität und Konzentration“; Kontinuität in der von Brandt begonnenen Reformpolitik der sozialliberalen Koalition und Konzentration auf dringende Probleme. Angesichts der weltweiten Rezession und Wirtschaftskrise stellt der neue Kanzler die Themen Stabilität und Vollbeschäftigung als vorrangige Aufgaben heraus.

Mann des Jahres 1975

Schmidt führt die Entspannungspolitik seines Vorgängers fort. In der KSZE (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) ist er daran beteiligt, dass sich die Beziehungen zwischen Ost und West zunächst weiter entspannen. Am 1. August 1975 unterzeichnet er in Helsinki die Verträge zur „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“.

Die Bundesrepublik übersteht die Ölkrise unter Schmidt besser als die meisten anderen Industriestaaten. Im Ausland wird der Kanzler dafür hoch angesehen. Die britische „Financial Times“ erklärt Schmidt aufgrund seines Sachverstandes und seiner bedachten Außenpolitik 1975 zum „Mann des Jahres“. In Deutschland wirft ihm die CDU/CSU-Opposition vor, die Wirtschaftskrise sei hausgemacht.

Weltwirtschaftsgipfel

Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing begründet er 1975 regelmäßige Treffen der wichtigsten Wirtschaftsnationen, auf denen die entsprechenden Länder ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik abstimmen. Diesen jährlichen „Weltwirtschaftsgipfel“ gibt es bis heute.

Bei den Bundestagswahlen von 1976 erreicht die sozialliberale Koalition einen erneuten, wenn auch knappen Wahlsieg, und Schmidt wird für eine weitere Amtszeit als Kanzler vereidigt. Neben den wirtschaftlichen Problemen muss er sich in seiner zweiten Amtszeit innenpolitisch vor allem mit dem wachsenden Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) auseinandersetzen.

RAF-Morde

Im sogenannten Deutschen Herbst intensiviert die zweite Generation nach der „Baader-Meinhof-Bande“ ihren bewaffneten Kampf. Der Bundestag erlässt Gesetze zur vorbeugenden Terrorismusbekämpfung und das nicht nur in der Regierungskoalition heftig umstrittene Kontaktsperregesetz.

1977 werden der Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Vorstandssprecher der Dresdner Bank Jürgen Ponto von der RAF ermordet. Der Terror eskaliert mit der Entführung und späteren Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer am 5. September und der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ am 13. Oktober in die somalische Hauptstadt Mogadischu. Die Entführer fordern die Freilassung der inhaftierten Mitglieder der Baader-Meinhof-Bande.

Krisenmanager im RAF-Terror

Schmidt schließt Zugeständnisse und Austausch-Aktionen aus. Der Staat dürfe sich nicht erpressen lassen, erklärt er während der Entführung immer wieder. Eine Spezialeinheit der deutschen Bundespolizei, die GSG 9, kann die Insassen der Maschine in Mogadischu befreien. Daraufhin ermorden die RAF-Terroristen den entführten Arbeitgeberpräsidenten. Die inhaftierten RAF-Häftlinge bringen sich in ihren Gefängniszellen um.

Für den nicht verhinderten Tod Schleyers übernimmt er die politische Verantwortung und versichert vor dem Bundestag: „Zu dieser Verantwortung stehen wir auch in der Zukunft. Gott helfe uns!“ Trotz vielfacher Kritik an seinem harten Kurs erhält Schmidt noch im selben Jahr den Theodor-Heuss-Preis für sein Krisenmanagement in der Zeit des RAF-Terrors.

Nato-Doppelbeschluss

Außenpolitisch setzt der Bundeskanzler auf ein entschlossenes Auftreten gegenüber dem Warschauer Pakt. In den Jahren 1976/77 hatte die Sowjetunion damit begonnen, gegen Westeuropa gerichtete nukleare Mittelstreckenwaffen des Typs SS 20 zu stationieren. Die Nato fasst daraufhin den „Nato-Doppelbeschluss“, wonach atomare Mittelstreckenraketen in Europa – überwiegend in der Bundesrepublik – stationiert werden sollen, falls die Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion scheitern.

Schmidt trägt maßgeblich zum Zustandekommen des Nato-Doppelbeschlusses bei. Bei einem Treffen mit US-Präsident Jimmy Carter, Frankreichs Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing und dem britischen Premierminister James Callaghan im Januar 1979 erreicht er die politische Entscheidung zum Nato-Doppelbeschluss.

Europäische Integration

In der Bevölkerung und vor allem in seiner eigenen Partei ist der Beschluss heftig umstritten. Viele Bundesbürger demonstrieren gegen die Aufrüstung mit Atomwaffen, und es entsteht eine breite Friedensbewegung. Nachdem die Verhandlungen mit der Sowjetunion scheitern, stationiert die Nato die Raketen; erst 1987 einigen sich die USA und die Sowjetunion auf eine gemeinsame Abrüstung.

Gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Giscard, mit dem ihn eine persönliche Freundschaft verbindet, arbeitet Schmidt an der Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen und der europäischen Integration. Gemeinsam initiieren sie auch die Einführung des Europäischen Währungssystems, aus dem später der Euro hervorgeht.

Vertrauensfrage im Bundestag

Am 5. November 1980 tritt Schmidt seine dritte Amtsperiode als Bundeskanzler an. Die staatliche Rekordneuverschuldung, eine erhöhte Teuerungsrate und die konstante Arbeitslosigkeit führen zu heftigen Kontroversen über die Spar- und Beschäftigungspolitik. Die innenpolitischen Auseinandersetzungen über den Doppelbeschluss und die künftige Haltung der Nato gegenüber der Sowjetunion belasten das Bündnis zwischen SPD und FDP.

Hinzu kommen grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Angesichts der wachsenden Kritik an seiner Wirtschafts-, Finanz- und Sicherheitspolitik stellt Schmidt am 5. Januar 1982 im Bundestag die Vertrauensfrage. Von 493 abgegebenen Stimmen erhält er 269. 226 Abgeordnete stimmen gegen ihn. Mit allen Stimmen der Koalition  gewinnt er die Vertrauensfrage; trotzdem nehmen die Differenzen zwischen den Koalitionspartnern über die Wirtschafts- und Finanzpolitik in den folgenden Monaten weiter zu.

Konstruktives Misstrauensvotum

Am 17. September 1982 treten die FDP-Minister Hans Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und Gerhart Rudolf Baum aus der Regierung aus. Schmidt führt die Regierungsgeschäfte für kurze Zeit mit einem SPD-Minderheitskabinett weiter und schlägt vorgezogene Neuwahlen vor. Union und FDP favorisieren einen anderen Weg.

Helmut Schmidt wird am 1. Oktober 1982 mit den Stimmen von CDU/CSU und der Mehrheit der FDP-Fraktion durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgewählt. 256 der 495 anwesenden Abgeordneten sprechen dem Bundeskanzler das Misstrauen aus und wählen Helmut Kohl (CDU) damit zum neuen Kanzler.

Bis 1987 Bundestagsabgeordneter

Schmidt bleibt nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt noch bis 1987 Mitglied im Deutschen Bundestag, dem er seit 1953, mit einer Unterbrechung als Hamburger Innensenator von 1961 bis 1965, angehört. Sein Mandat erhält er als Kandidat seines Hamburger Wahlkreises. Wegen seiner scharfzüngigen Reden erhält er früh den Beinamen „Schmidt-Schnauze“.

Heftige Redegefechte lieferte er sich vor allem als Verkehrs- und Verteidigungsexperte mit Franz-Josef Strauß. Als Innensenator der Stadt Hamburg wird er durch sein energisches Eingreifen bei der großen Sturmflut im Februar 1962 über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt. Seitdem trägt der Hanseat den Spitznamen „der Lotse“.

Fraktionsvorsitzender in der Großen Koalition

Während der Großen Koalition übernimmt er von 1967 bis 1969 den SPD-Fraktionsvorsitz. 1969 beruft ihn Brandt zunächst zum Verteidigungsminister in sein sozialliberales Kabinett, bevor er 1972 ins Finanzministerium wechselt. Am 10. September 1986 verabschiedet sich Schmidt mit einer zweistündigen Rede aus dem Bundestag.

Helmut Schmidt erhält zahlreiche Auszeichnungen und genießt in der deutschen Bevölkerung und weltweit hohe Anerkennung. Bis heute finden die Worte des 95-jährigen Altkanzlers große Aufmerksamkeit. (klz/11.05.2014)

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