Geschichte

8. November 1918: Mo­nar­chie gerät immer stär­ker unter Druck

Querformatiges, gelbes Plakat mit größeren und kleineren Fraktur-Schriftzügen
Ockerfarbenes Dokument mit Verschleißspuren, das teils bedruckt, teils handbeschrieben ist
Schwarzweißfotografie einer Menschenmenge, die, vereinzelt Transparente in die Luft haltend, durch eine Straße zieht.
Gruppenfotografie von 15 Männern in Matrosenuniform, sitzend und stehend, die mit einem Banner für den Fotografen posieren. Auf dem Transparent ist ein gezeichneter Matrose abgebildet; darüber steht in altdeutscher Schrift „Parole: Frieden!“
Schwarzweißfotografische Aufsicht auf eine Menschenansammlung im Ortskern einer historischen Stadt

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Originaltitel des abgebildeten Plakates aus dem November 1918: „Arbeiter! Soldaten! Bauern! An alle! An alle! Die Regierung ist gestürzt! Die alten Machthaber sind geflohen! Die Beauftragten des Volkes haben die öffentliche Gewalt in ihre Hände genommen. Baiern ist Freistaat!“ (Bundesarchiv)

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Novemberrevolution in Braunschweig, 8. November 1918: Abdankungserklärung Herzog Ernst Augusts. Ernst August, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, verzichtet für sich und seine Nachkommen auf den Thron. (Niedersächsisches Landesarchiv)

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Demonstrationszug der Bevölkerung zum Friedrich-Wilhelm-Platz in Erfurt im November 1918 (Bundesarchiv)

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Auch Mittel- und Kleinstädte werden von der Revolutionsbewegung erfasst. Hier zu sehen: Angehörige der Matrosenkompanie des Sicherheitsregiments in Halle im November 1918. (Bundesarchiv)

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Auch Mittel- und Kleinstädte werden von der Revolutionsbewegung erfasst. Hier zu sehen: Eine Kundgebung in Halberstadt im November 1918. (Bundesarchiv)

Freitag, 8. November 1918

Im Wald von Compiègne (Nordfrankreich, Département Oise) nehmen die Delegation der Siegermächte unter Leitung des französischen Marschalls Ferdinand Foch und die vom parlamentarischen Staatssekretär Matthias Erzberger (Zentrum) geführte deutsche Delegation Verhandlungen über die Herbeiführung eines Waffenstillstands auf. Am ersten Verhandlungstag präsentieren die Siegermächte den deutschen Abgesandten ihre Waffenstillstandsbedingungen.

Reichskanzler drängt Wilhelm II. zur Abdankung

Reichskanzler Max von Baden versucht in einem weiteren Telegramm, Wilhelm II. davon zu überzeugen, unverzüglich seine Abdankung für den Zeitpunkt zu verkünden, an dem „der Stand der Waffenstillstandsverhandlungen die Ausschreibung von Neuwahlen für eine verfassunggebende Nationalversammlung gestattet, der die endgültige Neugestaltung der Staatsform des deutschen Volkes […] zufallen würde.“ 

Für die Übergangszeit solle der Kaiser einen „Stellvertreter“ bestimmen. Nach Ansicht des Kanzlers habe sein Vorschlag unter anderem den Vorteil, dass die Krone auf diese Weise nicht vor den Mehrheitssozialisten kapitulieren werde, sondern diese zwinge, vor der Krone zu kapitulieren. 

Kriegskabinett einig in der Kaiserfrage

Wilhelm II. geht in seiner Antwort an Max von Baden nicht auf die Frage des Thronverzichts ein, sondern teilt lediglich mit, dass er über das Abschiedsgesuch des Reichskanzlers erst nach Abschluss des Waffenstillstands entscheiden werde. Bis dahin bittet er Max von Baden, im Amt zu bleiben. 

Angesichts der zunehmend bedrohlicher werdenden Lage unternimmt der Kanzler im Laufe des Tages noch vier Mal den Versuch, den Kaiser zur Vermeidung eines Bürgerkriegs zur sofortigen Abdankung zu bewegen. Auch das in der Kaiserfrage gespaltene Kriegskabinett sieht nun im Thronverzicht Wilhelms II. die einzige Möglichkeit, die drohenden inneren Kämpfe zu vermeiden und die deutsche Verhandlungsfähigkeit in den Friedensverhandlungen aufrechtzuerhalten. 

Plan zur Rettung der Monarchie aussichtslos

Der Kaiser lehnt jedoch weiterhin eine Abdankung ab und erwägt nach Besprechungen im Großen Hauptquartier sogar, die gefährdete Monarchie mit der Waffe zu verteidigen. 

Sein mit der Obersten Heeresleitung entwickelter Plan, „an der Spitze des Heeres die Ordnung in der Heimat wiederherzustellen“, erweist sich jedoch angesichts des Ausmaßes, mit dem die revolutionäre Bewegung bereits auch die kämpfenden Truppen erfasst hat, als undurchführbar.

Ebert beruhigt Parteianhängerschaft

Der Vorsitzende der Mehrheitssozialdemokraten, Friedrich Ebert, weist zur Beruhigung der von der revolutionären Entwicklung aufgewühlten Parteianhängerschaft in einem Aufruf darauf hin, dass bereits ein wesentlicher Teil der mehrheitssozialdemokratischen Forderungen erfüllt sei. 

Um die Verschiebung des Ultimatums zu rechtfertigen, führt er aus, dass die Parteiführung den sofortigen Thronverzicht des Kaisers in der Erwartung verlangt habe, dass der Waffenstillstand bis zum 8. November zustande kommen werde. Diese Erwartung habe jedoch getrogen. 

Da der angekündigte sofortige Austritt der Mehrheitssozialdemokraten aus der Regierung den Abschluss des Waffenstillstands nur verzögert hätte, hätten Parteivorstand und Reichstagsfraktion die Frist für das Auslaufen des Ultimatums bis zum Abschluss des Waffenstillstands verlängert.

Nationalliberale bekennen sich zur Monarchie

Die mehrheitlich monarchisch gesinnte Zentrumsfraktion beschließt, dass sie den Kaiser nicht zur Abdankung auffordern könne. Sie werde ihm jedoch auf Befragen raten, „im Interesse des Vaterlandes und der Monarchie dem Throne für sich und den Kronprinzen zu entsagen“.

Die nationalliberale Reichstagsfraktion verabschiedet eine Resolution, in der sie sich zum monarchischen Gedanken bekennt und das sozialdemokratische Ultimatum verurteilt. 

Dennoch bittet sie das Kriegskabinett, dem Kaiser die schwierige politische Lage vorzutragen. Sollte der Kaiser sich daraufhin zum Thronverzicht entschließen, müsse die Mehrheitssozialdemokratische Partei allerdings eine Garantie für die Erhaltung des monarchischen Prinzips geben.

Parlamentarisierung des Staatsministeriums

Im Rahmen einer Kabinettsumbildung werden die preußischen Staatsminister, die ihre Ämter auf dem Verwaltungswege zugewiesen bekommen haben, durch Vertreter der Mehrheitsparteien (Mehrheitssozialdemokraten, Zentrum, Fortschrittliche Volkspartei und Nationalliberale Partei) ersetzt. 

Mit dieser „Parlamentarisierung“ des preußischen Staatsministeriums wird eine zentrale Forderung des sozialdemokratischen Ultimatums vom Vortag erfüllt.

Truppen werden nach Berlin befohlen

Um gegen den drohenden gewaltsamen Aufstand vorgehen zu können und zum Schutz von Regierungsgebäuden werden mit Einverständnis der Reichsregierung als besonders zuverlässig erachtete Truppen nach Berlin befohlen. Sie sichern zusammen mit bewaffneten Polizeieinheiten das Regierungsviertel im Zentrum und wichtige strategische Punkte. 

Der gesamte Eisenbahn-, Telefon- und Telegrafenverkehr von und nach Berlin wird eingestellt. Verkehrseinrichtungen und Rüstungsbetriebe werden ebenfalls vom Militär besetzt.

Aufruf zur revolutionären Erhebung in Berlin

Nachdem die Berliner Polizei am Nachmittag die Parteizentrale der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) besetzt und später das USPD-Mitglied Ernst Däumig, einen führender Vertreter der Revolutionären Obleute, verhaftet hatte, beschließen der Vollzugsausschuss der Revolutionären Obleute und die Spartakusgruppe einstimmig, am 9. November mit der revolutionären Erhebung in der Hauptstadt zu beginnen. 

Mit jeweils eigenen Flugblättern, die am nächsten Morgen in der ganzen Stadt verteilt werden, rufen beide Gruppierungen zum Generalstreik, zu Großdemonstrationen im Stadtzentrum und zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten auf.

MSPD um mehr Einfluss bemüht

Die Mehrheitssozialdemokraten versuchen über ihre Vertrauensleute in den Betrieben Einfluss auf die revolutionäre Bewegung zu nehmen. 

Über einen zwölfköpfigen Aktionsausschuss, der die verschiedenen Aktivitäten koordiniert, sucht die Partei durch aktive Beteiligung an Demonstrationen, durch Redner, Flugblätter und durch Mitwirkung bei den sich bildenden Arbeiter- und Soldatenräten den Anschluss an die nicht mehr aufzuhaltende Entwicklung zu erreichen, um sie in eine mit ihren Zielen übereinstimmende Richtung lenken zu können.

Wahl Eisners zum bayerischen Ministerpräsidenten

In der zweiten Sitzung des Münchener Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrats wird der Vorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Bayerns, Kurt Eisner, zum ersten Ministerpräsidenten der bayerischen Republik gewählt. Dieser bildet ein Kabinett aus Unabhängigen und Mehrheitssozialdemokraten, das vom neu gebildeten Provisorischen Nationalrat bestätigt wird.

Abdankung von Herzog Ernst August

Die revolutionäre Bewegung erfährt auch in den anderen Regionen des Reichs weiteren Zulauf: Nachdem in Braunschweig ein Generalstreik ausgerufen worden war und aufständische Arbeiter und Soldaten das Schloss und alle öffentlichen Gebäude besetzt hatten, dankt Herzog Ernst August als erster Monarch Deutschlands ab. 

In Mecklenburg-Schwerin zwingt der revolutionäre Arbeiter- und Soldatenrat Großherzog Friedrich Franz IV. zur Bildung einer Regierung aus Mitgliedern der linken Reichstagsparteien (Fortschrittliche Volkspartei, Unabhängige und Mehrheitssozialdemokraten) sowie zum Erlass einer parlamentarisch-demokratischen Landesverfassung. 

Auch Kleinstädte von Revolutionsbewegung erfasst

Auch immer mehr Großstädte werden von revolutionären Unruhen erfasst, so zum Beispiel Köln, Düsseldorf, Essen, Krefeld, Leipzig, Dresden, Chemnitz, Halle, Magdeburg, Erfurt, Mainz, Nürnberg, Augsburg und Stuttgart. 

Es werden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die mit Unterstützung der aufständischen Massen die lokale Gewalt an sich reißen. Auch Mittel- und Kleinstädte wie unter anderem Koblenz, Haltern, Gotha, Wolfenbüttel, Bayreuth, Passau, Rosenheim, Lahr und Offenburg werden von der Revolutionsbewegung erfasst. 

Nicht selten werden die örtlichen Demonstrationen und Proteste von Ortsfremden, insbesondere von aufständischen Matrosen, organisiert und angeführt. (ww/08.11.2018)

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