Befragung der Bundesregierung

Merkel begründet Rück­nahme der sogenannten Osterruhe

Nach der Rücknahme des Beschlusses zur Osterruhe hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) in ihrer ersten Regierungsbefragung des Jahres am Mittwoch, 24. März 2021, ihr Vorgehen begründet. Zu viele Fragen hätten in der Kürze der Zeit in Bezug auf die ursprünglich angedachten Maßnahmen zur Kontaktreduzierung am Gründonnerstag und Ostersamstag nicht gelöst werden können.

Merkel übernahm die alleinige Verantwortung und bat im Plenum um Verzeihung. Ein Schritt, für den Vertreter verschiedener Fraktionen der Kanzlerin zwar Respekt zollten, aber dennoch heftige Kritik an ihrem Krisenmanagement äußerten und Konsequenzen verlangten. Abgeordnete von AfD und Linksfraktion forderten Merkel auf, die Vertrauensfrage zu stellen.

Merkel: Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler

In ihrem kurzen Eingangsstatement zu Beginn der einstündigen Befragung hatte die Bundeskanzlerin erläutert, weshalb sie den Bund-Länder-Beschluss für zusätzliche Ruhetage über Ostern zurückgenommen habe. Die Idee dazu sei zwar in bester Absicht entstanden. Doch zu viele Fragen – von der Lohnfortzahlung bis zur Lage in Geschäften und Betrieben – hätten in der Kürze der Zeit nicht so gelöst werden können, wie es nötig gewesen wäre.

„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, betonte Merkel. Als Kanzlerin trage sie dafür die Verantwortung. Ein Fehler müsse als solcher benannt und vor allem korrigiert werden – „und wenn möglich, hat das noch rechtzeitig zu geschehen“. Der ganze Vorgang habe zusätzliche Verunsicherung ausgelöst, das bedauere sie zutiefst, sagte Merkel: „Dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.“ Sie bedauere ihren Fehler umso mehr, als sich Deutschland in einer dritten Pandemiewelle befinde, so die Kanzlerin weiter. 

Kritik der Opposition

Scharfe Kritik kam aus der Opposition. Dr. Gottfried Curio (AfD) wollte von der Bundeskanzlerin wissen, warum die Regierung in der Pandemie nicht stärker Menschen mit Migrationshintergrund anspreche. Dies sei eine Bevölkerungsgruppe, die die Politik mit ihren Warnungen gar nicht erreiche, kritisierte Curio. Laut des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Prof. Dr. Lothar Wieler, seien über 50 Prozent der Patienten auf Intensivstationen Migranten, so Curio weiter und zog dann eine Verbindung zu islamischen Großfamilien und deren Feiern.

Dieses Vorgehen wies Merkel als unzulässig zurück: „Ich möchte mich davor verwahren, ganze Gruppen von Menschen zu verdächtigen“, entgegnete die Kanzlerin. Curio hielt sie wiederum vor, Aussagen des RKI-Präsidenten Wieler aus dem Zusammenhang gerissen und mit Zahlen vermischt zu haben. Auf die Nachfrage, ob sie sich nicht besser der Vertrauensfrage im Bundestag stellen solle, antwortete Merkel: „Ich habe meinen Worten von eben nichts hinzuzufügen.“ 

Verpflichtende Coronatests am Arbeitsplatz

Yasmin Fahimi (SPD) fragte, welche alternativen Maßnahmen die Kanzlerin nach der Rücknahme der Entscheidung zur Osterruhe plane. Konkret wollte die Angeordnete wissen, ob Merkel statt auf Freiwilligkeit nicht doch besser auf eine Verpflichtung der Arbeitgeber zur Durchführung zweimal wöchentlicher Tests setzen wolle. Merkel bestätigte, dass sie Tests in Betrieben für „absolut notwendig“ halte. Allerdings stünden diese trotz der zunehmenden Zahl von Zulassungen aktuell noch nicht in ausreichenden Maß zur Verfügung.

Vorrangig sollten daher zunächst Schulen und Kitas damit beliefert werden. Denn auch hier seien Selbsttests noch nicht flächendeckend zwei Mal die Woche möglich. Arbeitgeber müssten jedoch bis Anfang April „Beteiligungsstatistiken“ vorlegen, sagte Merkel. Wenn sich zeige, dass auf freiwilliger Basis nicht genügend getestet werde, müssten regulatorische Maßnahmen folgen.

Mehr Mitsprache der Parlamente gefordert

Dr. Marco Buschmann (FDP) äußerte Respekt vor der Entschuldigung der Kanzlerin, betonte aber, es sei viel entscheidender, welche Konsequenzen die Kanzlerin aus ihrem Fehler ziehe. „Wann hören Sie auf, hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreis und mitten in der Nacht über das Leben von Millionen Menschen zu entscheiden?“, fragte der Liberale und setzte hinzu: „Wann legen Sie die Entscheidung zurück in die Hand der Parlamente?“

Merkel verwies in ihrer Antwort darauf, dass die Ministerpräsidentenkonferenzen weiterhin nötig seien, da die meisten Entscheidungen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes getroffen und durch Verordnungen umgesetzt werden müssten. Dennoch zeigte sie sich offen für Veränderungen: Mit den Ministerpräsidenten haben sie vereinbart, über Verbesserungen in der Arbeitsweise zu beraten. Zudem wolle sie in Zukunft stärker all diejenigen miteinbeziehen, die sie unterstützen wollten, betonte Merkel – „dazu zähle ich auch den Bundestag“. „In welcher Form das gelingen kann, darüber muss weiter nachgedacht werden.“

„Selbsttest-Versorgung in Schulen und Kitas verbessern“

Bettina Wiesmann (CDU/CSU) erkundigte sich, was die Bundesregierung tue, um sicherzustellen, dass in Schulen und Kitas genügen Selbsttests zur Verfügung stehen.

Merkel betonte, es sei nicht vorrangig die Aufgabe der Bundesregierung, die Tests für Schulen und Kitas zu beschaffen. Dies sei Aufgabe der Länder und Kommunen. Dennoch habe sich der Bund auch hier gemeinsam mit den Ländern engagiert, „weil man eine Marktmacht entfalten kann, wenn der Bundesregierung mit den Ländern Bestellungen auslöst“. Das habe „gut funktioniert“. Über eine von der „Taskforce Testen“ aufgebauten Plattform könnten nun die Bestellungen abgewickelt werden. Inzwischen stünden laut Aussage der Länder auch genügend Tests für März und April bereit, so die Kanzlerin.

Vertrauensfrage gefordert

Der Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Linke, Dr. Dietmar Bartsch, forderte wie zuvor schon die AfD die Kanzlerin auf, die Vertrauensfrage zu stellen: „Ich würde Ihnen dringend raten, dass Sie sich der Unterstützung ihrer Fraktion und der SPD versichern“, sagte Bartsch unter Applaus im Plenum. Angesicht der dramatischen Situation reiche eine Entschuldigung der Kanzlerin nicht aus. Andere Kabinettsmitglieder hätten sich zudem bislang nicht zu ihren Versäumnissen geäußert, so Bartsch mit Blick etwa auf Verkehrsminister Scheuer und die Pkw-Maut. „Sollte Ihr Verhalten nicht auch maßgeblich für die Mitglieder Ihres Kabinetts sein?“, fragte der Linken-Politiker.

Merkel entgegnete, sie habe in erster Linie ihr Verhalten erklären wollen. Das Kabinett erledige seine Arbeit nach „bestem Wissen und Gewissen“.

„Die dritte Welle der Pandemie brechen“

Auch Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, sprach der Kanzlerin ihren Respekt für das Fehlereingeständnis aus. Dieses sei ein „Dienst an der Demokratie“. Dennoch forderte auch sie ein entschlosseneres und mit dem Bundestag abgestimmtes Handeln, um die „dritte Welle“ der Pandemie zu brechen. Ob die Schließung von Betrieben, in denen nicht getestet werden könne, die Testoffensive an den Schulen oder zusätzliche Angebote im öffentlichen Nahverkehr, um Ansteckung vermeiden – es gebe viel zu tun, monierte Göring-Eckardt.

Merkel verwies in ihrer Antwort auf den mit den Ministerpräsidenten abgestimmten Stufenplan: Dieser biete eine sehr gute Grundlage zum Agieren. Die Verantwortlichkeit für das Verteilen der Tests an Schulen lehnte die Kanzlerin jedoch ab: Dies liege nicht im Kompetenzbereich der Bundesregierung. Bei der Beschaffung der Tests sei sie schon beteiligt gewesen, aber darüber hinaus seien die Bundesländer zuständig. (sas/24.03.2021)

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