Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten Eva Högl debattiert
Der Bundestag hat am Mittwoch, 19. Mai 2021, erstmalig über den Jahresbericht der Wehrbeauftragten 2020 debattiert, der als Unterrichtung vorliegt (19/26600). Nach einführenden Worten der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, und einer halbstündigen Aussprache wurde der Bericht in den federführenden Verteidigungsausschuss überwiesen.
Wehrbericht 2020
Die Wehrbeauftragte Eva Högl hat den Einsatz der Bundeswehr während der Corona-Pandemie ausdrücklich gelobt. Auch wenn es nicht zu ihrem Kernauftrag gehöre, habe sich im Rahmen der geleisteten Amtshilfe gezeigt, wie wichtig der Beitrag der Bundeswehr in der Pandemie sei, heißt es in ihrem Jahresbericht (19/26600). Anfang Februar dieses Jahres seien neben der nahezu vollständigen Einbindung des Sanitätsdienstes rund 11.900 Soldaten „im Einsatz gegen das Virus gebunden“. Insgesamt seien 25.000 Soldaten in Bereitschaft und mehr als 3.400 Amtshilfeersuchen seien erledigt worden. Darüber hinaus hätten sich rund 11.800 Reservisten freiwillig für einen Einsatz im Rahmen der Corona-Hilfe gemeldet, rund 1.250 seien zum Dienst gezogen worden. Die Soldaten hätten in Gesundheitsämtern beim Testen und bei der Nachverfolgung von Infektionsketten, bei der Logistik, in der Altenpflege und in Impfzentren geholfen. In ihrem Bericht spricht sich die Wehrbeauftragte dafür aus, die beteiligten aktiven Soldaten und Reservisten über gezahlte Zulagen hinaus mit einer Einsatzmedaille als Symbol der „Wertschätzung und Anerkennung“ auszuzeichnen.
Högl weist darauf hin, dass die Bundeswehr ebenso wie die gesamte Gesellschaft von den Auswirkungen der Pandemie betroffen gewesen sei - etwa durch verkürzte Ausbildung, abgesagte Lehrgänge, oder mehrfache Quarantäne vor und in Auslandseinsätzen. „Fast 500 Eingaben rund um die Covid-19-Pandemie zeigten, wie hoch die Belastung der Soldatinnen und Soldaten war, wie groß die Sorge um ihre Gesundheit und ihren Dienst und wie wichtig und ernsthaft ihr Anliegen zur Bewältigung dieser Krise waren“, schreibt Högl. Insgesamt seien im Berichtsjahr 2.753 persönliche Eingaben bei der Wehrbeauftragten eingegangen.
Material, Personal und Bürokratie
Scharfe Kritik übt Högl an den weiterhin bestehenden Problemen der Bundeswehr bei Material, Personal und Bürokratie. Es sei „inakzeptabel“, dass den Soldaten in ihrer Ausbildung und in den Einsätzen noch immer in vielen Fällen nicht die „bestmögliche Ausrüstung“ zu Verfügung stehe. „Es ist absolut unverständlich, dass es nicht gelingt, Beschaffungen – selbst von kleinen Ausrüstungsgegenständen wie Kälteschutzanzügen, Gehörschutz, Helmen oder Rucksäcken – zu beschleunigen.“ Fehlende oder nicht einsatzfähige Fahrzeuge, Hubschrauber oder Schiffe, fehlendes Werkzeug und enorme Verzögerungen bei der Instandsetzung seien „leider Alltag in der Truppe und ein häufiger Grund für die berechtigte Unzufriedenheit“.
Unverständnis zeigt Högl auch über die verschobene Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen. Über diese Frage sei fast zehn Jahre eine „sachgerechte, differenzierte, transparente und ausführliche Debatte geführt worden“. So müsse die Bundeswehr weiterhin auf diese „wichtige Fähigkeit verzichten, die vor allem zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten notwendig“ sei, schreibt die Wehrbeauftragte.
Meldungen zu „extremistischen Verdachtsfällen“
Mit Sorge blickt Högl in ihrem Bericht auf die steigende Zahl von Meldungen zu „extremistischen Verdachtsfällen“. Diese seien im Berichtsjahr 2020 mit 229 gegenüber dem Vorjahr (197) noch einmal gestiegen. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) habe 2020 im Bereich Rechtsextremismus 477 neue Verdachtsfälle und im Phänomenbereich Reichsbürger/Selbstverwalter 31 und im Bereich Islamismus 48 neue Verdachtsfälle gemeldet. Der MAD erfülle bei der Extremismusabwehr eine wichtige Funktion und sollte personell weiter gestärkt werden, heißt es im Bericht. Erneut habe das Kommando Spezialkräfte (KSK) im Fokus der Ermittlungen gestanden.
Die von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eingesetzte Arbeitsgruppe habe feststellen müssen, dass sich das KSK aus einem „falschen Eliteverständnis einzelner Führungskräfte heraus in Teilbereichen verselbstständigt“ habe. Es hätten sich eine „fehlgeleitete Führungskultur, extremistische Tendenzen und ein nachlässiger Umgang mit Material und Munition entwickelt“. In der bestehenden Struktur könne der Verband nicht erhalten bleiben. Högl weist aber zugleich darauf hin, dass „die ganz große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten“ die Werte und Prinzipien des Grundgesetzes „vertritt und verteidigt“. (aw/sas/19.05.2021)