Befragung der Bundesregierung

Merkel zu Corona-Prognosen: Das Erreichte darf nicht riskiert werden

Das Thema war die Corona-Politik, trotzdem nutzten Abgeordnete der Opposition wie auch des Koalitionspartners SPD die letzte Regierungsbefragung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) am Mittwoch, 23. Juni 2021, um die scheidende Regierungschefin mit kritischen Fragen zur EU-, Haushalts-, Renten- und Klimapolitik aus der Reserve zu locken.

„Pandemie-Bekämpfung war ein Kraftakt der Gesellschaft“

In ihren Eingangsstatement hatte Merkel zuvor ein „Zwischenfazit“ ihrer Corona-Politik gezogen. Mit den ergriffenen Maßnahmen sei gelungen, die drohende Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden – auch wenn es dazu „leider“ einer Bundesnotbremse bedurfte, räumte die Kanzlerin ein.

Dass die dritte Welle der Pandemie gebrochen sei und die 7-Tage-Inzidenz im einstelligen Bereich liege, sei einem „Kraftakt der Gesellschaft“ zu verdanken, betonte die Kanzlerin und würdigte insbesondere den Einsatz von Ärzten und Pflegepersonal.

Wirtschaft steht vor „kräftigem Wachstum“

Die aktuellen Öffnungsschritte nannte Merkel „sachgemäß und verhältnismäßig“. Gleichwohl mahnte sie mit Blick auf die Ausbreitung der Delta-Virusmutante weiterhin zu „Augenmaß“: „Die Pandemie ist nicht vorbei. Wir bewegen uns auf dünnem Eis.“ Das Erreichte dürfe nicht riskiert werden, warnte Merkel eindringlich.

Die Prognosen für die Zukunft seien gut – Wirtschaft und Arbeitsmarkt zeigten positive Trends. Deutschland stehe vor einem „kräftigen Wachstum“, sagte die Regierungschefin, bevor sie sich den Fragen der Abgeordneten stellte.

AfD fragt nach EU-Vertragsverletzungsverfahren

Albrecht Glaser (AfD) interessierte, wie die Bundesregierung zu dem Vertragsverletzungsverfahren stehe, das die EU-Kommission wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen Deutschland eingeleitet habe. Die EU-Kommission halte das Urteil der Karlsruher Richter für einen „gefährlichen Präzedenzfall“, so der Abgeordnete. „Wie sieht die Regierung den Angriff der EU auf den Kernbestand der deutschen Staatlichkeit?“

In ihrer Antwort betonte Merkel zwar den Vorrang des europäischen Rechts vor dem nationalen Recht. Gleichwohl stellte sie klar, dass es allein die Kompetenz der Nationalstaaten sei, Zuständigkeiten auf die europäische Ebene per Beschluss der nationalen Verfassungsorgane zu verlagern. „Es gibt keine Kompetenz-Kompetenz seitens der Europäischen Union.“

SPD kritisiert Zweifel der Union an der Haushaltsplanung

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Scheider fragte vor dem Hintergrund des Haushaltsbeschlusses im Kabinett nach Merkels Meinung zu einer Äußerung der Ministerpräsidenten Armin Laschet und Markus Söder: Diese hätten sich skeptisch zum Haushaltsentwurf von Finanzminister Olaf Scholz geäußert und angekündigt, nach der Bundestagswahl einen „Kassensturz“ vornehmen zu wollen. „Ich interpretiere das als Misstrauen. Teilen Sie die Forderung?“, wollte Schneider von Merkel wissen.

Diese reagierte gelassen: „Ich würde das nicht als mangelndes Vertrauen verstehen.“ Es sei doch ein „ganz normaler Vorgang“, dass man „mal in die Bücher“ schaue, so Merkel. „Das macht selbst der gegenwärtige Finanzminister permanent.“

FDP thematisiert Zukunft der Rente

Den Blick auf die Rentenpolitik lenkte dann Johannes Vogel: In seiner Frage verwies der FDP-Abgeordnete auf ein „erhebliches Finanzierungsloch in der Rente“, das der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums festgestellt habe, und fragte: „Glauben Sie, dass sich die Rentenpolitik der letzten Jahre so wird fortsetzen lassen?“

Die „Nachhaltigkeit der Rentenversicherung“ sei ein „permanentes Thema“, erwiderte die Kanzlerin. In der Vergangenheit habe die unerwartet hohe Beschäftigung geholfen. In der Zukunft gehe es darum, neben der Gewinnung von Fachkräften über Einwanderung „alle Kraft darauf zu lenken, die Erwerbsmöglichkeiten für Männer und Frauen zu nutzen und zu mobilisieren“. Das sei aus ihrer Sicht das „beste Rezept“, um die Rente zu sichern, sagte Merkel.

CDU/CSU fragt nach Merkels Fazit der Corona-Politik

Rudolf Henke (CDU/CSU) bat die Kanzlerin angesichts der Opfer der Corona-Pandemie und der Debatte um die Verhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen um ein Fazit.

Merkel betonte daraufhin das stete Bemühen in Regierung und Parlament, den besten Weg durch „ein so unvorhergesehenes Ereignis“ wie eine Pandemie zu finden. Auch wenn es weitgehend gelungen sei, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, so habe man nicht jedes Leben schützen können. „Wir hatten schwere Wochen zum Jahreswechsel, in denen wir viel lernen mussten“, räumte Merkel ein. Trotz umfassender Hilfsmaßnahmen hätten viele Menschen sehr gelitten. Gerade Kindern, Jugendlichen und Familien müsse deshalb weiterhin geholfen werden, so Merkel. „Im Großen und Ganzen“ haben ihre Regierung aber auch Vieles richtig gemacht.

Linke erkundigt sich nach Impfangebot für Jugendliche

Amira Mohamed Ali, Co-Vorsitzende der Fraktion Die Linke, erkundigte sich daraufhin nach dem Impfangebot, das Gesundheitsminister Jens Spahn Jugendlichen ab  zwölf Jahren bis Ende August versprochen habe. „Können Sie das bestätigen und was heißt das konkret?“, wollte sie wissen.

Merkel reagierte zögernd: Sie habe von Ende September gesprochen, korrigierte sie. Ob die spätere Frist einzuhalten sei, hänge von der Menge des gelieferten Impfstoffs ab. „Wenn das kommt, was uns versprochen wurde, dann können wir es erreichen.“ Die Kinder würden jedoch nicht hochpriorisiert, sondern behandelt wie Menschen ohne Prioritätsstufe, unterstrich die Kanzlerin.

Grüne fragen nach Bilanz im Klimaschutz

Nach einer Bilanz ihrer Klimapolitik fragte schließlich Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Er erinnerte Merkel daran, in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin auf ein schnelles Handeln beim Klimaschutz gedrängt und vor den hohen Kosten des Nichtstuns gewarnt zu haben: „Würden Sie das, was in den 16 Jahren ihrer Kanzlerinnenschaft passiert ist, als ausreichend betrachten?“

Merkel zeigte sich selbstkritisch: „Wenn ich mir die Situation anschaue, kann kein Mensch sagen, dass wir genug getan haben“, gab sie zu. Trotzdem seien Fortschritte sichtbar: Die Europäische Union habe etwa „sehr anspruchsvolle Vorgaben“ gemacht. Auch sei daran gearbeitet worden, „Klimaallianzen zu schmieden“. Dass China „Vorschläge“ mache und die USA wieder beim Pariser Klimaabkommen „an Bord“ seien, sei gut, so Merkel. Aber die Zeit dränge, die Ungeduld der jungen Menschen könne sie gut verstehen. (sas/23.06.2021)

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