Parlament

Antrag zur Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften im Inland abgelehnt

Der Bundestag hat am Freitag, 14. Oktober 2022, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Fach- und Arbeitskräfte mit zielgerichteten Maßnahmen im Inland gewinnen“ (20/3935) abgelehnt. Die Vorlage wurde mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke gegen die Stimmen der Antragsteller bei Enthaltung der AfD zurückgewiesen.

Union: Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft

„Der Fachkräftemangel droht zu einer massiven Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft zu werden“, sagte Dr. Klaus Wiener (CDU/CSU) zu Beginn der Debatte. Ansätze, das Problem zu lindern, gebe es schon länger, so Wiener unter Verweis auf das „in der Sache ordentlich gemachte Fachkräftezuwandergesetz“. Mit der Zuwanderung von Fachkräften klappe es aber noch immer nicht. Ein Grund dafür sei die hohe Abgabenbelastung auf Einkommen in Deutschland, befand der Unionsabgeordnete. Bei Ledigen der Steuerklasse 1 liege der Selbstbehalt des Einkommens gerade noch bei 35 Prozent. So etwas spräche sich bei potenziellen Zuwanderern schnell rum.

Als ein weiteres Problem benannte Wiener den „Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik“. Mit dem Spurwechsel werde per Gesetz aus illegaler Einwanderung legale Einwanderung. Es werde aber gar nicht genau hingesehen, „was die Menschen, die zu uns kommen auch wirklich können“. Kritik übte Wiener auch am Bürgergeld, mit dem jegliche Anreize zur Arbeitsannahme torpediert würden.

SPD: Potenzial junger Menschen nicht vergeuden

Die Unionsfraktion entdecke in der Opposition Themen, „um die sie sich in den letzten Jahren nicht wirklich gekümmert hat“, befand Natalie Pawlik (SPD). Die Förderung von Beschäftigung gehöre zum Kern sozialdemokratischer Politik, so Pawlik weiter. „Wir wollen jedem Menschen die bestmöglichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt bieten.“ Dies geschehe unter anderem durch die Reform des Bürgergeldes, das Aus- und Weiterbildungsgesetz und die Fachkräftestrategie der Bundesregierung.

Darin vorgesehen sei unter anderem die Modernisierung der dualen Ausbildung, sagte Pawlik. Aktuell gebe es 75.000 junge Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, aber keinen Ausbildungsplatz finden, so die SPD-Abgeordnete. 2,16 Millionen Menschen hätten deutschlandweit keinen Berufsabschluss. „Wir können es uns nicht leisten, das Potenzial dieser jungen Menschen zu vergeuden“, betonte sie. Um die Suchenden zu den nicht besetzten Lehrstellen zu bringen, werde die „Ausbildungsmobilität“ erhöht. Berufsberatung und Berufsorientierung würden gestärkt und eine Ausbildungsgarantie eingeführt, sagte Pawlik.

AfD: Einwanderung wird Probleme nicht lösen

Gerrit Huy (AfD) hält es für eine gute Idee, Fachkräfte im Inland zu gewinnen, auch wenn dies eine späte Erkenntnis der Union sei. Wenn nun aber von CDU und CSU eine Initiative zur Senkung der Schulabbrecherquote gefordert werde, sei das grotesk. „Sie stellen doch in sechs Bundesländern die Ministerpräsidenten und hätten da längst mit gutem Beispiel vorangehen könne“, sagte Huy.

Immerhin, so die AfD-Abgeordnete weiter, ahne wohl die Union inzwischen, „dass Einwanderung unsere Probleme nicht lösen wird“. Deutschland sei zu unattraktiv, um wirkliche Fachkräfte anzuziehen. Die Nettolöhne für Hochqualifizierte lägen „wegen unserer abenteuerlich hohen Steuer- und Abgabenlast“ nur im hinteren Drittel aller OECD-Länder. Extrem angewachsen sei indes die Auswanderung hoch qualifizierter Deutscher, sagte Huy. Gründe dafür seien das rigide gesellschaftliche Klima, politische Übergriffigkeiten bis in die engste Privatsphäre und die Beibehaltung der preistreibenden Energiewende trotz Inflation. Leer werde es aber in Deutschland deshalb nicht. „Für unqualifizierte Einwanderer taugen wir ja bekanntlich noch“, sagte sie.

Grüne: Deutschland als „Weiterbildungsrepublik“

Aus Sicht von Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) kommt die Fachkräftestrategie der Bundesregierung genau zur richtigen Zeit. „Wir haben begonnen, Deutschland zur Weiterbildungsrepublik zu machen“, sagte er. Ein zentraler Baustein dafür sei, das mit dem Bürgergeld Hartz IV überwunden werde. Die Grundsicherung werde auf Weiterbildung und Chancen ausgerichtet. „Der Vorrang in die Vermittlung in den nächstschlechtesten Job wird abgeschafft. Dafür gehen wir darauf ein, dass Menschen langfristig qualifiziert werden und Aufstiegschancen erhalten“, sagte Audretsch.

Der Grünen-Abgeordneten stellte klar: „Natürlich brauchen wir Einwanderung.“ Er sei froh darüber, dass die Menschen, „die vor Putins Krieg geflohen sind“, schnell eine Arbeitserlaubnis erhalten hätten und auch schnell mit den Jobcenter zusammengebracht sein worden. An die Union gewandt sagte er: „Sie hätten diesen Menschen die Arbeitserlaubnis verweigert.“ Diesen historischen Fehler, den die Union Deutschland über Jahrzehnte aufgezwungen habe, hätte es so erneut gegeben.

Linke fordert bessere Berufsorientierung

Pascal Meiser (Die Linke) verwies darauf, dass es in einigen Berufen Menschen gebe, die in großer Sorge seien, „ob sie morgen noch einen Job haben“. In anderen Bereichen wiederum würden schon heute händeringend Fachkräfte gesucht. Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, müsse mit dem „Zögern und Zaudern der letzten Jahre Schluss sein“, forderte er.

Benötigt würden eine bessere Berufsorientierung sowie ausreichend und gute Ausbildungsplätze in den Betrieben. Das Vorhaben der Bundesregierung, eine Ausbildungsgarantie zu schaffen, sei daher zu begrüßen. Aber: „Eine echte Ausbildungsgarantie gibt es nur mit betrieblichen Ausbildungsplätzen und einer solidarischen Finanzierung über eine Ausbildungsplatzumlage zugunsten der Betriebe, die tatsächlich ausbilden“, sagte der Linken-Abgeordnete. Junge Menschen dürften nicht in eine zweitklassige außerbetriebliche Ausbildung abgeschoben werden.

FDP für qualifizierte Erwerbsmigration

Der Fachkräftemangel koste Deutschland jährlich 86 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung, sagte Pascal Kober (FDP). „Das Problem ist aber nicht vom Himmel gefallen, sondern hat sich Jahr für Jahr aufgebaut“, fügte er mit Verweis auf den demografischen Wandel hinzu. Die Union aber habe sich dem Thema jahrelang verweigert, sagte Kober. CDU und CSU seien noch immer nicht bereit, sich eines eigenen Lebensirrtums zu entledigen.

Es sei auch von der Wissenschaft bestätigt, dass Deutschland jährlich eine qualifizierte Zuwanderung von 400.000 Menschen in den Arbeitsmarkt benötige. Nur durch eine gesteuerte qualifizierte Erwerbsmigration könne der Fachkräftemangel beseitigt werden, betonte der FDP-Abgeordnete. Gleichzeitig gelte es auch das „Erwerbspersonenpotenzial“ des Inlands besser zu nutzen, bestätigte er. Mit dem neuen Bürgergeld werde genau das in Angriff genommen. Die Menschen würden besser qualifiziert, um sie nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Antrag der Union

„Der politische Handlungsdruck ist hoch. Es bedarf neben dringlichen Maßnahmen im Inland auch einer gezielten Fachkräftezuwanderung. Die Bundesregierung muss jetzt aktiv gegensteuern, um die Attraktivität und Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu wahren und Wohlstand zu sichern“, verlangte die Fraktion in ihrem abgelehnten Antrag. Unter anderem forderte sie die Bundesregierung auf, das inländische Arbeits- und Fachkräftepotential voll auszuschöpfen und deshalb gemeinsam mit den Ländern einen nationalen Pakt zur Reduzierung der zu hohen Schulabbrecherquote zu schließen.

Gegenüber den Ländern sollte die Regierung auf eine bessere Berufsorientierung an Schulen hinwirken, so die Forderung im Antrag. Informationen über verschiedene Ausbildungs- und Berufsziele sowie die Wege dorthin müssten viel differenzierter als bislang vermittelt werden. Die Schulpläne sollten stärker darauf abgestimmt werden, Schülerinnen und Schüler fit für den Berufsalltag zu machen. Dazu gehört aus Sicht der Unionsfraktion vor allem auch die frühzeitige Vermittlung digitaler, aber auch handwerklicher Kompetenzen. 

Ferner verlangten die Abgeordneten eine Reform des Arbeitszeitgesetzes, die eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle ermöglichen sollte. Die ausgesetzten Sanktionen wegen Pflichtverletzungen für arbeitsfähige Bezieher von Grundsicherung sollten umgehend wieder eingeführt werden. Für die Bezieher von Grundsicherung sollten stärkere Anreize für die Aufnahme oder die Ausweitung von Beschäftigung gesetzt werden. Ältere Beschäftigte sollten durch attraktivere Arbeitsbedingungen länger im Betrieb gehalten werden. (hau/che/eis/14.10.2022)

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