Bürgerschaftliches Engagement

Sachverständige für Mo­dernisierung des Gemein­nützigkeits­rechts

Die Haftung für Ehrenamtliche einschränken, Risiken absichern, von steuerlichen bis hin zu sozialversicherungsrechtlichen Fragen, Bürokratie abbauen, digitalisieren, vereinfachen, vereinheitlichen: Das Gemeinnützigkeitsrecht muss modernisiert werden. Darin waren sich die Sachverständigen im öffentlichen Fachgespräch des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement am Mittwochabend, 8. Februar 2023, zum Thema „Rechts- und Finanzierungsfragen im bürgerschaftlichen Engagement“ einig. 

„Hin zu einer Kultur der Ermöglichung“

Weg von einem durch Misstrauen geprägten Umgang und hin „zu einer Kultur der Ermöglichung“ bürgerschaftlichen Engagements wolle man kommen, sagte die Stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses, Ariane Fäscher (SDP). Gemeinsam mit den fachlich zuständigen Ressorts der Bundesregierung und mit der Zivilgesellschaft wolle man diesen Prozess gestalten. 

Mehr als ein Drittel der Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich und tragen auf diese Weise zum Funktionieren des Gemeinwesens und zur Festigkeit der Demokratie bei. Der Bund fördert dieses Engagement auf vielfältige Weise, nicht zuletzt auch finanziell durch gezielte Förderung und steuerliche Vergünstigungen. Jedoch werden Ehrenamtliche und Vereine regelmäßig mit rechtlichen und steuerlichen Herausforderungen konfrontiert.

Fragen des Steuerrechts und der Sozialgesetzgebung

„So weit wie wir gehen konnten“ sei man seitens des für die im Zivilrecht geregelten Haftungsfragen zuständigen Justizministeriums gegangen, erläuterte Silvia Bartodziej, Referatsleiterin IB1 – Allgemeiner Teil des BGB, im Bundesministerium der Justiz, um ehrenamtlichen Funktionsträgern in Vereinen und Stiftungen die Angst vor der Haftung zu nehmen. Man müsse aber auch den zivilgesellschaftlichen Sektor im rechtlichen Gesamtzusammenhang betrachten: Auch sonstwo gebe es keine Haftungsfreistellung, die weiter gehe als bis zu mittlerer Fahrlässigkeit.  

Viel größere Angst hätten die meisten Vereinsangehörigen vor Fragen des Steuerrechts und der Sozialgesetzgebung. „Wenn ich da falsche Angaben mache, kann ich erheblich in die Haftung kommen, vor allem wenn der Verein als Haftender herausfällt“, so Bartodziej, die die Untiefen und Fallstricke in den sich berührenden Welten gemeinnütziger und unternehmerischer Tätigkeit skizzierte. 

Forderung nach Bürokratieabbau

Im Zivilrecht dagegen sei das Haftungsrisiko übersichtlich. Habe man nun die Haftungsfreistellung in dem Bereich rechtlich so weit wie möglich ausgedehnt, könne man zusätzlich noch darüber nachdenken, die Risiken der einzelnen Vereinsmitglieder zu versichern. Sammelversicherungen möglichst vieler könnten die Prämien drücken und zusätzlich noch subventioniert werden.

Für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Weltgemeinschaft sei bürgerschaftliches Engagement ebenso unverzichtbar wie für den Zusammenhalt der Gesellschaft, sagte Dr. Thomas Weber, Referatsleiter DA4 – Nachhaltigkeit, ebenfalls Bundesministerium der Justiz. „Gemeinnützigkeit und Nachhaltigkeit können wir nicht mehr trennen. Was nicht der Nachhaltigkeit dient, kann nicht gemeinnützig sein.“  Und wenn althergebrachte und überbordende Vorschriften dieses Engagement beeinträchtigten, müsse dem mit Bürokratieabbau entgegengewirkt werden. Bürokratie die zivilgesellschaftliches, ehrenamtliches Engagement behindere, sei auch für die Nachhaltigkeit schädlich. Um bei dem Thema zu Ergebnissen zu kommen laufe gerade eine Verbändeanhörung. Die dort gemachten Vorschläge werden ab Mitte Februar und in den kommenden Monaten vom Staatssekretärsausschuss für Bürokratieabbau und bessere Rechtssetzung bewertet. 

Neue rechtliche Formen finden

Wie sehr viele Regelungen, die Vereine betreffen, über Jahrzehnte historisch gewachsen sind, und aus heutiger Sicht inhaltlich oder sprachlich anachronistisch und auch unsystematisch erscheinen, rief Alfried Reusch, Referatsleiter IV C 4 – Veranlagung, Vordrucke, Gemeinnützigkeit (steuerbegünstigte Zwecke, Ehrenamt), im Bundesministerium der Finanzen, in Erinnerung. Da gebe es Konstruktionen, die seien „Bürokratietreiber“. Sein Haus befasse sich damit, wo nötig neue rechtliche Formen zu finden. Viele Verbesserungen seien bereits niedrigschwellig, unterhalb gesetzgeberischer Tätigkeit möglich. Außerdem setze man auf eine zunehmende Digitalisierung der das Ehrenamt umgebenden steuerrechtlichen Abläufe. 

Bei der Anpassung der Rechtsnormen gelte es zudem, neue Formen gesellschaftlichen Engagements im Blick zu behalten, die Rechtsordnung entsprechend zu öffnen und anzupassen. Und schließlich müsse der neuen Realität unter Beteiligung der Betroffenen Rechnung getragen werden. Das Zusatzinstrument der Mittelverwendungsrechnung brauche es eigentlich nicht mehr, auf diese bürokratische Last lasse sich verzichten. Dem Bürokratieabbau diene auch der Aufbau eines umfassenden digitalen Zuwendungs- und Empfängerregisters, das man im kommenden Jahr an den Start bringen wolle. Transparent werde es sämtliche Basisinformationen aller 600 000 Gruppierungen, Vereine, Stiftungen, enthalten und eine digitale Spendenerfassung ermöglichen. Das Register werde der Motor der steuerrechtlichen Modernisierung sein. 

Blick in die USA

Neben Verbesserungen bei den Haftungsrisiken und einer Vereinheitlichung der Berichtspflichten plädierte auch Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, Inhaberin des Lehrstuhls für Steuerrecht und Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen an der Bucerius Law School dafür, die Digitalisierung zu forcieren und alle Register in einem „one stop shop“ zusammenzuführen. 

Die Modernisierung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Regeln müsse Vereine und Ehrenamtliche so weit wie möglich entlasten. Man solle einmal auf die Vereinigten Staaten schauen. Dort werde der Sektor relativ großzügig behandelt. Und man müsse sich den enormen Wert des bürgerschaftlichen Engagements vor Augen führen. Seit 2007 habe man eine Liste mit 26 Maßnahmen, um die Abgabenordnung zu vereinfachen, die allesamt kein Geld kosteten. Politik und Verwaltung müssten sich nun einen Ruck geben und die verbleibenden Punkte daraus umsetzen. „Damit wäre viel Gutes geschehen.“

Eine gute Sache sei das neue Demokratiefördergesetz, aber es gebe weitere Möglichkeiten, es für den zivilgesellschaftlichen Sektor noch einfacher zu machen, sagte Jan Wenzel vom Bündnis für Gemeinnützigkeit. Die Zivilgesellschaft sei ein „wesentliches und vitales Element unserer Demokratie, das geschützt und gefördert werden muss“. Er plädierte dafür, den historisch gewachsenen Katalog von 60 gemeinnützigen Tatbeständen im Gemeinnützigkeitsrecht durch eine breit gefasste, abstrakte Generalklausel zu ersetzen. (ll/08.02.2023)

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